Hermann Bahr

Aus Wien Geschichte Wiki
Wechseln zu:Navigation, Suche
Hermann Bahr
Daten zur Person
Personenname Bahr, Hermann
Abweichende Namensform
Titel
Geschlecht männlich
PageID 2520
GND 118505955
Wikidata Q94034
Geburtsdatum 19. Juli 1863
Geburtsort Linz 4074255-6
Sterbedatum 15. Jänner 1934
Sterbeort München 4127793-4
Beruf Schriftsteller, Essayist, Dramatiker, Kulturjournalist
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass Theatermuseum
Objektbezug Zwischenkriegszeit, Karl Kraus (Portal)
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Gedenktage
Export RDF-Export (Resource Description Framework) RDF
Recherche
Letzte Änderung am 1.03.2024 durch WIEN1.lanm09kka
Begräbnisdatum
Friedhof Kommunalfriedhof Salzburg
Grabstelle Ehrengrab
Ehrengrab Ehrengrab
Bildname Hermann Bahr.jpg
Bildunterschrift Hermann Bahr
  • 1., Graben 29-29a (Wohnadresse)
  • 3., Salesianergasse 12 (Wohnadresse)
  • 9., Porzellangasse 37 (Wohnadresse)
  • 13., Winzerstraße 22 (Wohnadresse)
  • 3., Am Heumarkt 9 (Wohnadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

  • Erster Dramaturg am Wiener Burgtheater (1918)

Hermann Bahr, * 19. Juli 1863 Linz, † 15. Jänner 1934 München, Dichter, Schriftsteller, Essayist, Kritiker.

Biografie

Studium und erster Wienaufenthalt 1881–1883

Der Sohn eines Notars und liberalen Landtagsabgeordneten besuchte das Gymnasium in Linz und Salzburg. Kam im Wintersemester für das Studium klassischer Philologie nach Wien (erster Wohnsitz bei seiner Tante, Ecke Johannesgasse/Kärntnerstraße), wechselte aber bereits im Dezember auf das Studium von Jus. Er war in der deutschnationalen Burschenschaft Albia aktiv, auch als die beschloss, Juden aus ihren Reihen auszuschließen, darunter Theodor Herzl. Bahr war zu dieser Zeit aktiver Antisemit und radikaler Anhänger Georg von Schönerers. Als Folge einer Trauerfeier für Richard Wagner in den Sophiensälen am 5. März 1883 mit 3.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die den "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich forderte, wurden Bahr und Franz Dafert von Sensel-Timmer von der Universität verwiesen. Das Studium setzte er zunächst in Graz, dann in Czernowitz fort, ohne einen Abschluss zu erreichen. Im März und April 1884 lebte er kurzfristig wieder in Wien und wohnte mit seinem Freund Edmund Lang (nachmaliger Ehemann von Marie Lang) bei Hugo Wolf im 3. Stock des Trattnerhof.

Bahr studierte dann Nationalökonomie in Berlin, doch weil seine Abschlussarbeit nicht akzeptiert wurde, blieb auch dieses Studium unvollendet. 1889 finanzierte ihm sein Vater einen einjährigen Aufenthalt in Paris, von wo aus er nach Spanien und Marokko reiste. Bereits seit seinem 18. Lebensjahr hatte er Aufsätze, Kritiken und literarische Texte in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften publiziert. Teilweise anonym erschienen seine Texte in Die Gleichheit von Victor Adler, womit sich auch ein politischer Wandel weg von seiner deutschnationalen Gesinnung verband.

Journalismus in Wien

Von Frankreich aus wurde er von Arno Holz zur Mitarbeit an der neu gegründeten Monatsschrift Freie Bühne (heute Neue Rundschau) eingeladen, weswegen er das erste Halbjahr 1890 in Berlin verbrachte. Die Zeitschrift war eine vom Verleger S. Fischer mit dem Chefredakteur Otto Brahm betriebene Ergänzung zu einem Theaterverein, der dem naturalistischen Theater zum Durchbruch verhelfen wollte. Nachdem es Bahr nicht gelungen war, Brahm zu stürzen und die Leitung der Zeitschrift zu übernehmen, verließ er Berlin, lebte bei seinen Eltern in Linz und reiste mit einer Theatertruppe nach Russland. In Wien (und teilweise in Brünn) begannen sich zur selben Zeit und teilweise in Nachahmung der Berliner Aktivitäten ebenfalls Zeitschriften (Moderne Dichtung, im 2. Jahr Moderne Rundschau) und Vereine zu gründen. Der Burgtheaterdirektor Max Burckhard brachte Henrik Ibsen an seine Bühne. Bahr schaffte es bei seiner Rückkehr nach Wien im Frühjahr 1891 diese verschiedenen Strömungen in seinem Kulturjournalismus aufzunehmen und über die nächste Zeit einen eigene österreichische literarische Kunstrichtung auszuformulieren, die sich vor allem durch eine Abgrenzung des Berliner Naturalismus und eine Annäherung an französische Dekadenz- und Symbolismus-Tendenzen auszeichnete. Geholfen hat ihm dabei, dass er im Frühjahr 1891 innerhalb von wenigen Tagen Arthur Schnitzler und Hugo von Hofmannsthal im Kaffeehaus kennenlernte, die zu den international erfolgreichsten Autoren der Wiener Szene wurden. Bahr hat den Ausdruck "Jung-Wien", zu deren bekanntesten Proponenten alle drei wurden, nicht erfunden, er hat ihn aber popularisiert.

Bahr war gezwungen, sich seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen, was ihm durch eine Anstellung bei der Deutschen Zeitung gelang, für die er im September 1892 zu schreiben begann. Er blieb bis Ende 1893. In dieser Zeitung erschien auch seine internationale Interviewreihe zum Antisemitismus, die er auch gedruckt bei S. Fischer erscheinen ließ. Sie markiert eine Zäsur in seinem Antisemitismus, auch wenn sich in seinen privaten Äußerungen (Briefwechsel mit dem Vater) auch noch Jahre später einzelne antisemitische Äußerungen nachweisen lassen. Er legte die Mitgliedschaft bei Albia zurück, "um Schaden von der Burschenschaft abzuwenden".

Ende November 1891 bezog er eine Wohnung am 3., Heumarkt 9, ab November 1892 wohnte er bis zum April 1894 in der 3., Salesianergasse 12, in der auch Hugo von Hofmannsthal mit seinen Eltern wohnte. 1894 startete Bahr neuerlich einen Versuch, eine Zeitschrift als Organ für aktuelle kulturelle Entwicklungen zu gründen. Gemeinsam mit Heinrich Kanner und Isidor Singer erschien so ab Oktober 1894 jeden Samstag die Wochenschrift Die Zeit, in der Bahr für den Kulturteil verantwortlich war. Durch eine Freundschaft mit Max Burckhard und auch weiteren Beziehungen in die Theaterszene wurde Bahr in diesem Bereich zu einer einflussreichen Figur, die zusätzlich problematisch wurde, weil Bahr auch jährlich selbst zumindest ein Schauspiel zu veröffentlichen pflegte. Im Oktober 1899 wechselte Bahr zum Steyrermühl-Konzern, um vor allem für das Neue Wiener Tagblatt Feuilletons zu verfassen, während in der Österreichischen Volks-Zeitung Theaterkritiken erschienen. Mit dem Wechsel war Bahr nunmehr einer der führenden Feuilletonschreiber der Stadt.

Mutmaßlich rund um die Hochzeit mit der Schauspielerin Rosa Joël 1895 bezogen sie eine gemeinsame Wohnung in der 9., Liechtensteinstraße 38. Ab 5. November des Folgejahres wohnte er in der 9., Porzellangasse 37, diesmal erstmals mit Zimmern mit Stromanschluss. Mitte 1899 kaufte er sich in Ober-St. Veit einen Baugrund in der 13., Veitlissengasse 5a. (Seither ist der Eingang in die 13., Winzerstraße 22 verlegt.) Der Verkäufer war der Direktor des Deutschen Volkstheater, Emerich von Bukovics. Das Haus – Bahr-Villa – wurde von Josef Maria Olbrich geplant und ausgestattet. Als zentrales Bild war die "Nuda Veritas" von Gustav Klimt aufgehängt. Im Juli 1900 konnte das Haus bezogen werden. Der Grundstückskauf wurde 1901 zu einem Teil des Verleumdungsprozesses, den Bahr und Bukovics gegen Karl Kraus anstrengten und gewannen. Kraus hatte behauptet, das Grundstück wäre Lohn für positive Theaterkritiken über das Volkstheater gewesen. Das konnte er nicht beweisen und Bahr dürfte auch den marktüblichen Preis bezahlt haben.

Bereits als Herausgeber der "Zeit" und auch beim Steyrermühl-Konzern bemühte sich Bahr für verschiedene neue Kulturströmungen in der Stadt, sei es die Secession, Klimt oder Schnitzlers Skandalstück "Reigen", um dessen öffentliche Lesung er sich vergeblich bemühte. Bahrs Kampagnen hatten immer ein strategisches Moment: Er freute sich an Neuem oder daran, in öffentlichen Diskursen Gegenpositionen einzunehmen. Das führte zu häufigen Wandlungen, die er versuchte, als zentrales Charakteristikum seiner Essayistik zu fixieren.

Neuorientierung und Ende des Tagesjournalismus (1903–1918)

Um die Jahreswechsel 1902/1903 und auch 1903/1904 kam es zu zwei schweren Erkrankungen – zuerst eine Blinddarmentzündung, dann eine Herzerkrankung –, die ihn beide in Lebensgefahr brachten. Die zweite führte zu einer Neuausrichtung sowohl beruflicher, privater wie geografischer Natur. Beruflich nahm er Abschied vom Tagesjournalismus und wurde zum freien Mitarbeiter von Zeitungen und Zeitschriften. Die Versuche, als Theaterdramaturg nach München (1905/1906) bzw. als Regisseur bei Max Reinhardt in Berlin zu arbeiten (1906/1907), blieben Episoden. Privat war im Herbst 1904 die Begegnung mit Anna von Mildenburg ein einschneidendes Erlebnis, aus der 1909 seine zweite Ehe hervorging. Von seiner ersten Frau lebte er seit 1900 getrennt, doch erst die Heirat mit Mildenburg, die sich nunmehr Bahr-Mildenburg nannte, machte die Scheidung notwendig. Die Tochter Natalie, die Rosa Bahr nach der Trennung aber in der Ehe geboren hatte, erkannte er an und hielt auch zeitlebens seine Unterhaltspflicht für die geschiedene Frau und ihr Kind aufrecht.

Verschiedene Dinge kamen zusammen, dass er und seine Frau beschlossen, Wien zu verlassen. Die neue Ehe, der Umstand, dass in seinem Haus Reparaturen notwendig wurden, waren ein Teil. Auch, dass ihm Wien zunehmend unsympathisch geworden war. Das brachte er in seinem Buch "Wien" (Juni 1906) zum Ausdruck, das umgehend in Österreich verboten wurde. Wenngleich der tatsächliche Abschied aus Wien erst im Frühjahr 1913 vollzogen wurde – seine Frau und er zogen nach Salzburg – verbrachte er die Jahre bis dahin nur wenig in Wien. Er unternahm ausgiebige Vorlesetourneen durch Mitteleuropa. Nachdem er bereits für die kirchliche Hochzeitszeremonie wieder in die katholische Kirche eingetreten war, kam es im Dezember desselben Jahres in Königsberg/Kaliningrad zu einem religiösen Erweckungsmoment, von wo aus Bahrs letzte Wandlung beginnt: Er wurde bekennender Katholik. Es dauerte ein paar Jahre, bis dies deutlich kommuniziert wurde und ebenfalls eine lange Zeit, bis die Skepsis verlorenging, dass es sich um eine Phase handelt, von der er wieder durch eine neuerliche Richtungsänderung Abschied nehmen würde. Doch erwies es sich, dass er tatsächlich bis zum Lebensende ein eifriger Kirchgänger wurde und die früheren Meinungsänderungen als den Wankelmut erklärte, den er nur hatte, weil er auf der Suche gewesen war, mit dem Glauben an Gott aber sein Ziel erreicht hatte.

Das Jahr 1909, das privat ein solcher Einschnitt darstellte, wurde es auch beruflich. Bahr schrieb seit Jahren bevorzugt im Frühjahr eine gefällige Komödie, die dann im Herbst uraufgeführt werden konnte. Die Stücke waren unterschiedlich erfolgreich, einen bleibender Ruhm und Bühnenerfolg errang er damit nicht. Das änderte sich mit seiner Komödie "Das Konzert" (Uraufführung 23. Dezember 1909), seinem größten Theatererfolg und dem einzigen seiner Theaterstücke, das bis in die Gegenwart regelmäßig inszeniert wird. Auch nach der Hinwendung zum Katholizismus hielt Bahr die Praxis der jährlichen Stücke bei. Wichtiger blieben aber seine Essays und eine Textgattung, die er 1905 erstmals ausprobierte: Mit dem Titel "Tagebuch" verfasste er Buchbesprechungen, Zeitkommentare, Schilderungen von Begegnungen und andere Miszellen, die, wie ein echtes Tagebuch datiert waren, aber speziell geschrieben waren und nicht immer Vorgänge am historisch exakten Tag bezeichneten. Nach einer ersten Buchzusammenstellung 1909 führte er die Textgattung vorerst nicht mehr weiter. Erst Ende 1916 begann er neuerlich und weitgehend konsequent bis zum letzten Tag des Jahres 1931 an Sonntagen im Neuen Wiener Journal seine Kolumne zu veröffentlichen. Daneben schrieb er seit 1907 und bis Mitte 1932 Feuilletons für die Neue Freie Presse. Bahrs konservative Wandlung brachte ihn auch zunehmend in katholische und monarchistische Kreise, etwa jenen um Richard Kralik. Während des Ersten Weltkrieges beteiligte sich Bahr, von Salzburg aus, an der Kriegsbegeisterung und stützte sie mit seinen Aufsätzen, die bezeichnende Titel wie "Kriegssegen" und "Der Augenblick Österreichs" trugen. Möglicherweise das letze Mal, dass sich Bahrs Kulturessayistik um einen progressiven Trend kümmerte, stellt die Zusammenstellung "Expressionismus" dar, die er 1916 publizierte.

Rückkehr als 1. Dramaturg nach Wien und Lebensende

1918, als die Niederlage Österreichs im Weltkrieg nur eine Frage der Zeit war, wurde in den letzten Wochen der Habsburgermonarchie noch ein Neustart des Burgtheaters versucht. Bahr wurde im September zuerst zum für den Spielplan verantwortlichen Mitglied eines Dreierkollegiums. Nach Streitigkeiten mit dem für die Theater zuständigen Generalintendanten Leopold Andrian-Werburg endete dieses Kollegium nach nur zwei Monaten und Bahr wurde zum 1. Dramaturgen. Auch diese Rolle hatte er nur bis zum März 1919 inne, als ihn Schwindelanfälle (Menière) zwangen, noch vor Saisonende seinen Abschied zu nehmen. Für die Zeit seines Aufenthalts wohnte Bahr im Matschakerhof in einem Hofzimmer.

Bahr kehrte nach Salzburg zurück. Der Ankauf von Kriegsanleihen, die nun wertlos waren, und die Inflation ließen die finanzielle Lage von seiner Frau und ihm prekär werden. Vor dem Krieg waren sie noch wohlsituiert gewesen. Bahr reagierte mit vermehrten journalistischen Tätigkeiten, doch wirkliche Entspannung brachte erst das Engagement Anna Bahr-Mildenburgs als (später ordentliche) Professorin an der Akademie für Tonkunst in München ab 1920. Bahr übersiedelte selbst 1922. Auch wenn er während der nächsten Jahre privat seinen Wunsch, nach Wien zurückzukehren, durchaus äußerte, scheiterte es letztlich daran, dass für seine Frau keine angemessene Stelle gefunden wurde (1923). Auch eine Berufung Bahr-Mildenburgs nach Berlin (1927) fand nicht statt. In der zweiten Hälfte der 1920erjahre verschlechterte sich Bahrs gesundheitlicher Zustand zunehmends, er wurde taub, benötigte eine Brille und begann zunehmend an Demenz zu leiden. Die Texte aus dieser Zeit sind teilweise Pastiches aus früheren Arbeiten und möglicherweise von einem Sekretär oder seiner Frau zusammengestellt. In anderen Texten gibt er sich gegenüber Hitler, Mussolini und dem aufstrebenden Faschismus aufgeschlossen. Sein Katholizismus und seine Demenzerkrankung dürften letztlich dafür gesorgt haben, dass seine Unterstützung des Nationalsozialismus nicht so ganz eindeutig zu fassen ist, auch wenn einige Aussagen eine Begeisterung für die Bewegung nahelegen.

Hatte Bahr als Student für den "Anschluss" Österreichs an Deutschland gekämpft, dominiert die letzten Jahre politisch ein anderes Programm. Den Untergang der Habsburger-Monarchie sah er als zwangsläufig an, der daher rührte, dass durch die Aufklärung das katholische Barocke Erbe verloren gegangen war. Diesen Neokatholizismus, den er in Rückbesinnung auf die Zeit des Absolutismus neu zu erwecken hoffte, paarte sich mit Überlegungen zu einem geeinten Europa nach dem Vorbild des Vielvölkerstaats der Habsburgermonarchie. Wenngleich Bahr heutzutage vor allem für seine zeitdiagnostischen Texte und als Kulturkritiker rezipiert wird, war er neben seiner Tätigkeit als Theaterautor auch ein Verfasser von Romanen. Diese sind, möglicherweise mit Ausnahme seines stark an Huysmans "Gegen den Strich" angelehnten Dekadenzroman "Die gute Schule" (1890), weitgehend vergessen. 1908 eröffnete er mit "Die Rahl" eine Romanreihe, die sich an einem Gesellschaftsbild Österreichs versuchte. 1929 erschien als 7. und letzter Band "Österreich in Ewigkeit".

Er starb nach langer Krankheit am 15. Januar 1934 in München.

Nachruhm

Motiviert durch Platzgründe der Münchner Wohnung wurde 1931/1933 seine Bibliothek an die Universitätsbibliothek Salzburg vermacht. Sein Nachlass übersiedelte mit Anna Bahr-Mildenburg nach Wien und überlebte den Zweiten Weltkrieg unterhalb der Rampe der Nationalbibliothek am Heldenplatz. Das Testament der Witwe war nicht sehr eindeutig, so dass es zu Rechtsstreitigkeiten kam. Veröffentlichungen bedurften der Übereinkunft mehrerer Personen, darunter eines Neffen Bahr-Mildenburgs und eines Verlegers, die sich zumeist gegenseitig boykottierten. Endgültig wurde das erst mit Ablauf des Urheberrechts 2005 behoben. Bis dahin war die Nationalbibliothek zudem verpflichtet, einen Hermann-Bahr-Gedenkraum zu betreiben, der danach umgehend aufgelöst wurde. Durch die Abspaltung der Theatersammlung und Gründung des Theatermuseums im Verband des Kunsthistorischen Museums gelangte der Nachlass an seinen heutigen Verwahrort im Palais Lobkowitz. Es war, bis zum Erwerb des Nachlasses von Felix Salten durch die Wienbibliothek im Rathaus 2018, der einzige in Wien und Österreich verwahrte Schriftstellernachlass eines Jung-Wiener Autors.

Zwischen 1994 und 2003 erschienen unter der Herausgeberschaft von Moritz Csáky fünf Bände "Tagebücher, Skizzenbücher, Notizhefte" als erste größere Veröffentlichung aus dem Nachlass. In einem von Claus Pias geleiteten Forschungsprojekt wurde zwischen 2004 und 2012 eine Neuausgabe der kritischen Schriften (Essays und Aufsätze unter Ausschluss der Kriegspublizistik) in 23 Bänden veranstaltet. Parallel dazu entstand eine Forschungswebsite und ein gedrucktes und digitales Textverzeichnis, das über 5.000 publizierte Texte Bahrs nachweist.

Im Auftrag der Stadt Wien hat eine HistorikerInnen-Kommission die historische Bedeutung jener Persönlichkeiten, nach denen Wiener Straßen benannt sind, von 2011 bis 2013 untersucht sowie eine zeithistorische Kontextualisierung vorgenommen. Laut Abschlussbericht dieser Forschungsgruppe war Hermann Bahr aktives Mitglied in der deutschnationalen "Alldeutschen Bewegung“ von Georg von Schönerer. Er wurde unter anderem wegen antisemitischer Reden von der Universität Wien ausgeschlossen und konvertierte schließlich zum Katholizismus.

Quellen

Literatur

  • Hermann Bahr und Salzburg. Hg. Manfred Mittermayer, Bernhard Judex unter Mitarbeit von Kurt Ifkovits. Salzburg: Verlag Anton Pustet 2023, ISBN 9783702510930
  • Kurt Ifkovits / Martin Anton Müller (Hg.): Hermann Bahr, Arthur Schnitzler. Briefwechsel, Aufzeichnungen, Dokumente (1891–1931). Wien: Wallstein Verlag 2018
  • Barbara Besslich: Das Junge Wien im Alter Spätwerke (neben) der Moderne (1905–1938). Wien: Böhlau 2021, ISBN 978-3-205-21239-3
  • Tomislav Zelić (Hg.): Traditionsbrüche. Neue Forschungsansätze zu Hermann Bahr. Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2016. 154 S, ISBN 978-3-631-66271-7 (Wechselwirkungen – Band 19).
  • Martin Anton Müller, Claus Pias, Gottfried Schnödl (Hgg.): Hermann Bahr – Österreichischer Kritiker europäischer Avantgarden. Jahrbuch für internationale Germanistik: Kongressberichte. Bern u.a: Peter Lang 2014.
  • Peter Autengruber / Birgit Nemec / Oliver Rathkolb / Florian Wenninger: Umstrittene Wiener Straßennamen. Ein kritisches Lesebuch. Wien: Pichler Verlag 2014, S. 182
  • Peter Autengruber / Birgit Nemec / Oliver Rathkolb / Florian Wenninger: Forschungsprojektendbericht "Straßennamen Wiens seit 1860 als 'Politische Erinnerungsorte'". Wien 2013
  • Peter Autengruber: Lexikon der Wiener Straßennamen. Bedeutung, Herkunft, frühere Bezeichnungen. Wien: Pichler Verlag 2014, 9. Auflage, S. 130
  • Lucie Kostrbová; Kurt Ifkovits; Vratislav Doubek: Die Wiener Wochenschrift Die Zeit (1894–1904) als Mittler zwischen der Tschechischen und Wiener Moderne. Prag, Wien: Masarykův ústav a Archiv AV ČR, Österreichisches Theatermuseum 2011.
  • Hermann Bahr - Jaroslav Kvapil: Briefe, Texte, Dokumente. Hg. Kurt Ifkovits unter Mitarbeit von Hana Blahová . Bern, Wien [u.a.]: Lang, 2007 . (Wechselwirkungen, 11 )
  • Jeanne Benay, Alfred Pfabigan (Hgg.): Hermann Bahr – Für eine andere Moderne. Anhang: Hermann Bahr: Lenke. Erzählung (1909). Korrespondenz von Peter Altenberg an Hermann Bahr (1895-1913). Bern: Peter Lang (2004). (=Convergences, Bd. 34)
  • Donald G. Daviau: Understandig Hermann Bahr. St. Ingbert: Röhrig (2002)
  • Donald G. Daviau: Der Mann von Übermorgen. Hermann Bahr 1863 - 1934. Wien: Österreichischer Bundesverlag 1984
  • Fritz Fellner [Hg.]: Dichter und Gelehrter. Hermann Bahr und Josef Redlich in ihren Briefen 1896 - 1934. Salzburg: Neugebauer 1980 (Quellen zur Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, 2)
  • Rathaus-Korrespondenz. Wien: Presse- und Informationsdienst, 14.01.1959 und 17.07.1963


Hermann Bahr im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.

Weblinks