48° 11' 50.26" N, 16° 21' 13.15" E zur Karte im Wien Kulturgut
Apollokino (6., Gumpendorfer Straße 63, Kaunitzgasse 2-4), erbaut als Apollo-Theater nach Plänen von Eduard Prandl und als solches eröffnet am 1. September 1904. Das Objekt vereinigte anfangs ein Vergnügungsetablissement (ursprünglich Varietétheater, das dem Ronacher in der Stadt Konkurrenz machte), ein Hotel und drei Miethäuser (Kaunitzgasse). Der Produktionssaal ist von Wohntrakten umgeben und teilweise überbaut.
Die bauliche Gestaltung des Apollotheaters
Zur baulichen Gestaltung siehe unter Apollotheater.
Übernahme des Theaters und Umbau zum Kiba-Kino
Nach dem Tod von Ben Tieber (1925), der das Apollotheater als Varieté betrieb, übernahm Viktor Eckhardt, der Vater des 1907 in Linz geborenen späteren Wiener Publikumslieblings Fritz Eckhardt, die Direktion des Hauses. Doch das Apollotheater war der Konkurrenz des Kinos nicht mehr gewachsen, dazu kamen immense ausstehende Steuerschulden (Lustbarkeitsabgabe, Vergnügungssteuer) gegenüber der Stadt Wien, die von den minderjährigen Erben zu zahlen waren. Dies nahm die Stadt Wien zum Anlass, um sich das Kino 1928 über die Kiba anzueignen. Erste Akten zur Umwandlung des Theaters in ein "Kino und ein Saaltheater" finden sich aus dem Winter 1928, wobei aus den Akten des Wiener Stadt- und Landesarchivs deutlich wird, dass in den Räumen des damaligen "Varieté Theaters" bereits 1904 eine Kinematographen-Anlage errichtet wurde. Ab 1929 wurde das ehemalige Apollo Varieté Theater als "Kiba-Kino" betrieben.
Im selben Jahr, 1929, erfolgte durch Carl Witzmann die Umgestaltung zum ersten großen Tonfilmtheater Wiens (Eröffnung mit dem Prunkfilm "Lady Hamilton", dem letzten großen Stummfilm Hollywoods, am 11. September 1929; anlässlich der Eröffnung tanzte Grete Wiesenthal); unmittelbar danach folgte die Premiere des ersten großen amerikanischen Tonfilms ("Show Boat"). Im selben Jahr hielt der schwedische Entdeckungsreisende Sven Hedin hier einen Vortrag.
Witzmann behielt bei der Umgestaltung weite Teile des Baukonzepts vom ursprünglichen Architekten Eduard Prandl (ein Vorfahre der späteren Volkstheaterdirektorin Emmy Werner) bei. Er entfernte lediglich die zentrale Prunkstiegenanlage im Eingansfoyer, sorgte für eine weitgehende "Entstuckung" und ersetzte die beiden ähnlich wie im Volkstheater konzipierten Theaterränge durch einen Balkonrang, weiters sorgte er endlich für seriöse Notausgänge; der Wintergarten im 1. Stock als Hauptpausenfoyer wurde beibehalten. Trotz der mit der Umgestaltung zudem verbundenen Neufassadierung hat das Gebäude, dessen Wirkung noch durch die massige Ecklösung mit dem Türmchenaufsatz unterstrichen wird, seine Bedeutung als städtebaulicher Akzent (Blickpunkt von der unteren Gumpendorfer Straße her) behalten.
Während der NS-Zeit wurde das Kino als "Ostmärkisches Kino" geführt. Viktor Eckhardt, Direktor des Hauses von 1926 bis 1928, wurde aufgrund seiner jüdischen Herkunft von den Nationalsozialisten ermordet.
Das Apollokino in der Nachkriegszeit
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Apollokino am 24. April 1945 mit dem russischen Film "Iwan IV." wiedereröffnet. Zu den Filmklassikern, die publikumswirksam über die Leinwand des "Apollo" gingen, gehörten die Premieren von "Atlantic" von Fritz Kortner, "Schneewittchen" von Walt Disney, "Wiener Mädeln" von Willy Forst und "Don Camillo und Peppone" beziehungsweise "Don Camillos Rückkehr" von Julien Duvivier. Auch die Filme "Der Glöckner von Notre Dame" (mit Charles Laughton), "Der Seefalke" (mit Errol Flynn), "Der Engel mit der Posaune" (mit Paula Wessely), "Der dritte Mann" (mit Orson Welles), "Das Haus in Montevideo" (mit Curt Goetz), "Musikrausch" (mit Fred Astaire), "Goldrausch" (mit Charly Chaplin) und "Der Hofrat Geiger" (mit Paul Hörbiger) erzielten Besucherzahlen von jeweils über 100.000.
1961 wurde das Kino von Robert Kotas umgebaut, der dabei die historische Theateranlage zerstörte: Obwohl mit knapp 19,50m Breite zwischen den Hausstiegenhäusern beiderseits des alten Bühnenportals genug Platz für eine moderne 70mm-Bildwand gewesen wäre, wurden die bis dato noch bestehende Theaterbühne und der alte Theatersaal komplett ausgehöhlt und darin ein um 180 Grad gedrehter, ähnlich wie das Gartenbaukino schachtelförmiger Kinosaal errichtet. Anstelle der bisherigen Balkonalage war nun mit 19,20 mal 9 Metern die größte Bildwand Wiens (das Gartenbaukino schafft nur 17 mal 7,60 Meter).
Umbau zum Kinocenter und Multiplex
Anfang der 1980er Jahre wurde das ehemalige Pausenfoyer über dem Haupteingang im 1. Stock in zwei kleine Schachtelsäle umgebaut. Damit war aus dem Apollo ein Kinocenter mit drei Kinosälen geworden. Heute sind diese beiden Schachtelsäle Saal 4 und 5.
Ab 1990 wurde der bisherige Konkurrent der Kiba, die Constantin Film-Holding GmbH, zum Teilhaber des Apollokinos. Kiba und Constantin Film gründeten die Cineinvest Kinoerrichtungs- und -betriebsgesellschaft, deren Geschäftsführer bis Ende der 1990er zugleich der damalige Kiba-Geschäftsführer. Constantin Film konnte hingegen innerhalb der Cineinvest bis 1992 die Mehrheitsanteile am Apollo übernehmen, der Totalumbau des Apollos zum modernen Multiplexkino und der spätere Betrieb erfolgten bereits unter dem Label Constantin Film, obwohl im Hintergrund nach wie vor die Cineinvest stand. Das heutige Apollo Kino in seiner ersten Ausbaustufe mit sieben Kinosälen (Architekt Walter Kral) wurde im Dezember 1993 eröffnet. 1996 erfolgte die zweite Ausbaustufe auf insgesamt zwölf Kinosäle; dazu wurde das ehemalige Apollo-Hotel auf der Seite Kaunitzgasse entkernt, die heutige Hausfassade in der Kaunitzgasse bildet seither nur noch eine Scheinfassade, hinter welcher die neuen Kinosäle mit den Bildwänden zur Straßenseite hin übereinander gestapelt sind. Mit dem Umbau zum modernen Multiplex konnte das Apollo bis Ende der 1990er seine Stellung als größtes und bedeutendstes Kino Österreichs halten, danach änderte sich dies mit dem beginnenden Megaplex-Bauboom.
Das Apollo als Teil der Cineplexx-Gruppe
Mit Zerschlagung und Privatisierung der Kiba wurden 1999 die damaligen Traditionskinos (Flotten Kino, Gartenbaukino, Kolosseum Kino, Metro Kino, Cine Center, usw.) vom neuen Eigentümer City Cinemas GmbH übernommen und bis zum Konkurs 2002 weiter geführt, während das Apollokino und das Cineplexx Palace Reichsbrücke der Constantin Film die Grundpfeiler der von dieser neu geschaffenen Cineplexx-Gruppe bildeten.
Quellen
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 104, A11, 6. Apollo-Kino
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 119, A27: K59 - Lichtspiele Mariahilf
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 471, A3/3: 6. Gumpendorfer Straße 63 Apollo-Kino
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Reichsfilmkammer, Außenstelle Wien, A1 – Kinoakten, 6 Apollo
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Plan- und Schriftenkammer, P17: 110974.6
Literatur
- Sabine Claudia Tanner: Vom Varieté zum Kino. Die Geschichte des Wiener "Apollo"-Varietés von 1903 bis 1929. In: Wiener Geschichtsblätter 62 (2007), S. 1-27
- Werner Michael Schwarz: Kino und Kinos in Wien. Eine Entwicklungsgeschichte bis 1934. Wien: Turia & Kant 1992, S. 223
- Friedrich Achleitner: Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert. Ein Führer. Band 3/1: Wien. 1.-12. Bezirk. Salzburg: Residenz-Verlag 1990, S. 187
- Felix Czeike: VI. Mariahilf. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1981 (Wiener Bezirkskulturführer, 6), S. 17
- Das Wiener Heimatbuch – Mariahilf. Hg. von der Arbeitsgemeinschaft des Mariahilfer Heimatmuseums. Wien: Austria Press 1963, S. 197 f., 270
- Festschrift der Apollo Kino- und Theater Ges.m.b.H. Herausgegeben anlässlich des 50jährigen Bestandes des "Apollo"-Theaters und zeugleich des 25jährigen Bestehens dieses Hauses als Film-Premierentheater. Wien: Eigenverlag 1954
- Technischer Führer durch Wien. Hg. vom Österreichischen Ingenieur- und Architekten-Verein. Red. von Martin Paul. Wien: Gerlach & Wiedling 1910, S. 465
- Paul Kortz: Wien am Anfang des 20. Jahrhunderts. Ein Führer in technischer und künstlerischer Richtung. Hg. vom Oesterreichischen Ingenieur und Architekten-Verein. Wien: Gerlach & Wiedling 1906. Band 2, 1906, S. 341