Franz Janowitz
Franz Janowitz, * 28. Juli 1892 Podiebrad (Österreich-Ungarn, heute: Tschechische Republik), † 4. November 1917 Unter-Breth (Log pod Mangartom, Slowenien), Dichter.
Biografie
Franz Janowitz wuchs als jüngster Sohn des Fabrikanten Gustav Janowitz (1849–1923) und der Advokatentochter Hermine Schük (1866–1924) in Podiebrad auf. Unterrichtet wurde er in seinen frühen Jahren vermutlich nicht privat, sondern in einer Bubenvolksschule in Podiebrad. Eines seiner drei Geschwister war der Schriftsteller und Drehbuchautor Hans Janowitz (1890–1954). Ein anderes, Otto Janowitz (1888–1965), war unter anderem musikalischer Begleiter des österreichischen Satirikers Karl Kraus. Die Zweitälteste war Schwester Ella Janowitz (1889–?). Obgleich die Familie jüdisch war, dürfte Religiosität nicht gelebt worden sein. Sein Vater Gustav war ursprünglich Pianist, auch Franz lernte Geige. Ein künstlerisches Umfeld war in Janowitz‘ Familie also gegeben, die Begeisterung für Literatur ist vor allem auf seine Mutter zurückzuführen. In Podiebrad, wo Franz Janowitz auch später noch seine Ferien verbrachte, erlebte er eine durchwegs unbeschwerte, bürgerliche Kindheit umgeben von Natur. Diese Naturverbundenheit findet sich auch in seinen Gedichten wieder.
Im Alter von elf Jahren wurde Franz Janowitz von seinen Eltern nach Prag geschickt. Dort lebte er mit seinen beiden Brüdern und besuchte das humanistische k. k. Staats-Gymnasium in Prag-Neustadt (Prager Grabengymnasium), wo er 1911 maturierte. In dieser Zeit der künstlerischen wie kulturellen Blüte Prags machte Franz Janowitz Bekanntschaft mit den Freundeskreisen um Max Brod, Franz Werfel und Willy Haas, die im Café Arco verkehrten. So wurde er bald Teil des Prager Kunst- und Kulturlebens. Nicht nur arbeitete er mit Willy Haas, Friedrich Pollak und Franz Werfel an einem als verschollen geltenden Prosawerk "Balthasar Rabenschnabel", sondern er organisierte auch mit Haas gemeinsam Vorlesungen von Karl Kraus. Dieser war mit einigen Prager Autoren bekannt, unter anderem mit Janowitz. Im Laufe der Jahre entwickelte sich eine intensive Freundschaft zwischen den beiden. Diese Freundschaft mit Kraus hatte sogleich weitere Bekanntschaften zur Folge, zum Beispiel jene mit Adolf Loos und Peter Altenberg.
Nach seinem Schulabschluss ging Franz Janowitz nach Leipzig und studierte für ungefähr ein Jahr (Oktober 1911–Sommer 1912) Chemie – vermutlich auf Wunsch seines Vaters. Nichtsdestotrotz verfolgte er weiterhin seine dichterischen und philosophischen Arbeiten. Bekannt sind aus dieser Zeit zudem etliche Lektüren wie Besuche von kulturellen Veranstaltungen. Mit einem inneren Zwiespalt und einer persönlichen Krise kämpfend, brach er 1912 das Chemiestudium ab und verließ Leipzig im Herbst wieder. Vermutlich unter den Eindrücken Karl Kraus‘ und Otto Weiningers verschlug es ihn nun nach Wien, wo er sich noch für das Wintersemester des gleichen Jahres für Theoretische Philosophie an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien inskribierte. Im Zuge dieses Studiums verfasste Janowitz Teile seiner Doktorarbeit über den Wiener Philosophen Otto Weininger. Ebenso arbeitete er weiter an seinem literarischen und philosophischen Werk. Im Herbst 1913 unternahm Janowitz eine Reise nach Italien, wo er bereits als Kind mit seinem Vater und seinen Geschwistern mehrmals Zeit verbrachte. In diesem Jahr besuchte er Triest, Venedig, Salò, Gardone und Riva.
Aufgrund der allgemeinen Wehrpflicht dauerte Janowitz‘ Studium an der Philosophischen Fakultät in Wien nur drei Semester, danach leistete er Dienst als Einjährig-Freiwilliger. Im Oktober 1913 wurde er in diesem Rahmen zum II. Tiroler Landesschützenregiment nach Bozen geschickt. Im Sommer 1914 fuhr er in Folge der österreichischen Kriegserklärung an Serbien nach Bozen zur Mobilisierung und anschließend zur galizischen Front (Ostfront). In dieser frühen Phase des Ersten Weltkriegs litt Janowitz nicht nur geistig, sondern auch körperlich. Er erkrankte schwer an der Ruhr, woraufhin er im Herbst 1914 zurückgestellt wurde. Es folgten Krankenhausaufenthalte und Besuche in Podiebrad und Wien. Ab Mai 1915 war Franz Janowitz im Kompaniedienst des Hinterlandes in Enns, wo er zum Leutnant befördert wurde. Erneut spielte Karl Kraus eine wichtige Rolle in seinem Leben, auch seiner Zeitschrift "Die Fackel" kam große Bedeutung zu. Nach einer neuerlichen Tauglichkeitserklärung wurde Janowitz noch 1915 an die Tiroler Alpenfront geschickt. Von 1916 bis 1917 war er in Linz stationiert. Später wurde er nach Trient verlegt. Mehrmals machte er in diesen Jahren auch Urlaub in Podiebrad und Wien.
Am 24. Oktober 1917 wurde Janowitz bei einem Sturmangriff auf den Monte Rombon an der Isonzofront durch zwei Maschinengewehrgeschosse schwer an der Brust verletzt. An den Folgen der Verletzung starb er am 4. November im Feldlazarett 1301. Beigesetzt wurde er auf dem Militärfriedhof in Mittel-Breth (Log pod Mangartom, Slowenien). Umstritten ist Janowitz‘ Konversion zum Christentum kurz vor seinem Tod. Sicher ist dagegen die Beförderung zum Oberleutnant in der Reserve.
Franz Janowitz‘ langjähriger Freund Karl Kraus verfasste einen öffentlichen Nachruf in der "Fackel" (H. 474–483), den er auch einer seiner Vorlesungen im November 1917 voranstellte. Zudem spielt er in "Die letzten Tage der Menschheit" (1919) auf ihn an. 1928 widmete Hans Janowitz den Gedichtband "Requiem der brüderlichen Bruderschaft" seinem verstorbenen Bruder. Im selben Jahr wurde Paula Schliers christlich-religiöser Prosa-Zyklus "Vor Tagesanbruch" im der Literaturzeitschrift "Der Brenner" veröffentlicht. Darin gedenkt sie in einem Stück Franz Janowitz.
Werk
Franz Janowitz veröffentlichte seine ersten zwei Gedichte in den Prager "Herder-Blättern" (1911 und 1912). Als jüngste Veröffentlichung gilt das Gedicht "Weltverwandtschaft". 1911 publizierte er ein Gedicht im Jahresbericht des Grabengymnasiums. Sogleich wurde er für seine Lyrik gelobt. Max Brod publizierte 1913 erstmals mehr als ein Dutzend Gedichte Janowitz‘ in seinem Jahrbuch "Arkadia" (Kurt Wolff). So wurde der Dichter immer bekannter. Das letzte zu Lebzeiten publizierte Gedicht erschien im August 1917 in tschechischer Übersetzung in der Zeitschrift "Nova et Vetera".
Wegen seines impressionistisch-symbolistischen sowie frühexpressionistischen Stils wird Franz Janowitz immer wieder neben Franz Werfel und Georg Trakl gestellt. Inhaltlich drehen sich die Verse vor dem Krieg oft um die Themen Kindheit, Natur und Brüderlichkeit. Später zeigt sich eine vermehrte Sprachskepsis und auch düstere Stimmungen werden heraufbeschworen, beispielsweise in den Kriegsgedichten, die zu einem Großteil in Enns entstanden. Obwohl es bereits zu Lebzeiten Bemühungen um eine selbstständige Veröffentlichung gab, folgte eine solche erst nach Franz Janowitz‘ Tod. Auch dabei nahm neben den Brüdern Otto und Hans erneut Karl Kraus eine zentrale Rolle ein. Dieser gab Ende 1919 den Gedichtband "Auf der Erde" bei Kurt Wolff heraus (auch K. Wolff 1973 und Degener 2011). Darin sind, bis auf die "Weltverwandtschaft", alle bislang publizierten Gedichte enthalten. Darüber hinaus beinhaltet der Band Lyrik aus Janowitz‘ Nachlass und ein Sonett Kraus‘ mit dem Titel "Meinem Franz Janowitz". Schon Janowitz selbst hatte eine Publikation dieser Auswahl an ca. 50 Gedichten angedacht. Im Jahr 1925 druckte Kraus auch Janowitz‘ Anti-Kriegspamphlet "Das Reglement des Teufels" in der "Fackel" (Nr. 691–696) ab. Im Laufe der Jahre fand Janowitz immer wieder Erwähnung in der Zeitschrift.
1920 folgte die Veröffentlichung des Zyklus‘ "Der tägliche Tag" im "Brenner". Noch in fünf weiteren Ausgaben der Innsbrucker Zeitschrift wurden Texte Janowitz‘ abgedruckt (noch einmal 1920, 1922, 1923, 1925 und 1928). Damit wurde der Dichter in den sogenannten "Brenner-Kreis" aufgenommen und sein Werk in einen durchaus christlichen Kontext gestellt. Ludwig von Ficker, der die Zeitschrift herausgab, bemühte sich darum, Janowitz‘ Nachlass zu bearbeiten. Zur vom Brenner-Verlag angedachten Veröffentlichung des Nachlasses kam es aufgrund finanzieller Schwierigkeiten nicht. Heute ist unklar, wo sich der vollständige Nachlass befindet und ob dieser womöglich zerstört wurde. Teilweise ist er sekundär im Nachlass Karl Röcks erhalten, der Janowitz‘ Nachlassbearbeiter war. Insgesamt überliefert sind 91 Gedichte, drei Gesänge des Epos "Böhmische Musikantenhochzeit", Vorarbeiten zur Doktorarbeit über Otto Weininger, mehrere, teils philosophische Prosastücke, die Novelle "Der Virtuos", ein satirisches Manifest sowie eine Sammlung mit dem von Röck vergebenen Titel "Der Glaube und die Kunst".
Es folgten diverse postume Veröffentlichungen in Anthologien, Zeitungen, Zeitschriften u. Ä. So wurde etwa das Prosastück "Die Biene" 1926 im "Prager Tagblatt" und 1927 in "Die literarische Welt" von Willy Haas publiziert. Erst 1992 erschien bei Haymon die erste kritisch kommentierte Ausgabe des erhaltenen Gesamtwerks von Dieter Sudhoff: "Auf der Erde und andere Dichtungen". Der Herausgeber kündigte an, die Ausgabe in einer zweiten Auflage mit seiner Edition des Haas-Konvoluts, die bislang unbekannte Gedichte Janowitz‘ enthält, ergänzen zu wollen. Ausführlich dokumentiert wird die Rezeption Franz Janowitz‘ bei Jaromír Czmero (2015).
Literatur
- Jaromír Czmero: Der bekannteste Unbekannte der Prager deutschen Literatur – Franz Janowitz. Innsbruck/Wien/Bozen: StudienVerlag 2015 (Edition Brenner-Forum, 10)
- Dieter Sudhoff: Janowitz, Franz. In: Metzler Lexikon der deutsch-jüdischen Literatur. Jüdische Autorinnen und Autoren deutscher Sprache von der Aufklärung bis zur Gegenwart. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. Hg. von Andreas B. Kilcher. Stuttgart/Weimar: Metzler 2012, S. 248–249
- Dieter Sudhoff: Franz Janowitz und Willy Haas. Fragmente einer Freundschaft. In: Von Franzos zu Canetti. Jüdische Autoren aus Österreich. Neue Studien. Hg. von Mark H. Gelber, Hans Otto Horch und Sigurd Paul Scheichl. Tübingen: Max Niemeyer 1996, S. 59–90 (Conditio Judaica, 14)
- Dieter Sudhoff: Der Dichter des Tages oder Die Last der Welt. Über Leben und Werk von Franz Janowitz. In: Expressionismus in Österreich. Die Literatur und die Künste. Hg. von Klaus Amann und Armin A. Wallas. Wien/Köln/Weimar: Böhlau 1994, S. 253–274 (Literatur in der Geschichte, Geschichte in der Literatur, 30)
- Hans Heinz Hahnl: Franz Janowitz. In: Vergessene Literaten. Fünfzig österreichische Lebensschicksale. Wien: Österreichischer Bundesverlag 1984, S. 175–178
- Christine Ulmer: Franz Janowitz. Diss. Leopold-Franzens-Univ. Innsbruck 1970
- Max Brod: Streitbares Leben. Autobiographie. München: Kindler 1960
- Willy Haas: Die literarische Welt. Erinnerungen. München: List 1957
- Wikipedia: Franz Janowitz
- Deutsche Biographie: Franz Janowitz