Kalksburger Bürgerspitalwald

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Chalhoch von Ebersdorf, seine Frau Perhte und Marchart von Mistelbach verkaufen dem Wiener Bürgerspital 1289 einen Wald an der Liesing. Das Spital besaß angrenzend bereits einen Wald. Es handelt sich heute um den ältesten dokumentierten Besitz der Stadt Wien überhaupt.
Daten zum Objekt
Grenzstein am südwestlichen Ende des Bürgerspitalwaldes, 1565 (?)

Beim Kalksburger Wald handelt es sich um den ältesten Wald des Wiener Bürgerspitals. 1289 verkauften Chalhoch von Ebersdorf, seine Frau Perhte und Marchart von Mistelbach ihr Eigen, "ein holtz hebt sich an oben an dem vorstwege und stozzet an das holtz, daz unsers ohaimes was, herrn Otten von Berhtoldsdorf, dem got genade, und ist daz gemerche da entzwisschen der alt steikch oben von dem vorstwege, her zetal in die Liesnickh und stozzet anderthalben an daz alt holtz, daz der burger spitales ze Wienne hie enphor ist gewesen, aber von dem vorstwege den Prunnegrabn hernider untz in die Liesnickh. Daz vorgenant holtz mit grunt mit alleh wier gegeben mit allem dem nutze und rehte als iz unser vorderern und ouch wier in nutze und in aygens gewer her braht haben."[1]

Lage

Der Wald lag im südlichen Wienerwald und erstreckte sich, grob gesagt, im Bereich zwischen Kalksburg und Breitenfurt Ost, südlich der Liesing. Er zog sich vom Tal bis auf den Kamm in Richtung Eichkogel und heutiger „Wiener Hütte“ hinauf und stieß auch an einen bereits vom Bürgerspital besessenen, zu dem wir keine weiteren Angaben besitzen. Möglicherweise stammt dieser erste Wald aus der Gründungsausstattung. Da Holz in jedem Fall von einem Spital benötigt wurde, ist diese Überlegung nicht ganz abwegig.

Der Verkaufszusammenhang

Mit Chalhoch von Ebersdorf tritt ein mächtiger Landherr als Verkäufer in Erscheinung. Auffällig ist die zeitliche Nähe zum Aufstand von Teilen der Wiener Bürgerschaft, des Adels und des „Povels“ gegen Herzog Albrecht I. (Hg. 1282, Kg. 1298-1308) im Jahr 1288. Der Aufstand wurde niedergeschlagen. Die Folge waren Machtverschiebungen und Umverteilungen von Besitz. Möglicherweise steht diese Urkunde damit in Verbindung. Durchaus beachtlich ist die Liste derjenigen, die als Zeugen bzw. Siegler dieses Rechtsgeschäftes in Erscheinung treten: Vertreter aus den Gründerfamilien des Bürgerspitals sind mit Greif und Konrad vom Harmarkt vertreten, bedeutende Familien, wie die Paltrame, St. Pöltner, Hesner, Witmarkter und Hochstraßer, von der Seul (?), bedeutende Personen im Süden von Wien wie Wernhart von Rodaun, Otto von Liesing sowie die Funktionsträger: Konrad Poll als Bürgermeister von Wien, Ruodger von Inzersdorf als Spitalmeister, Heinrich der Hansgraf und gleich als Spitzenzeuge Albrecht Feusel, der Forstmeister von Alland.

Streit um eine Waldwiese 1310

Am 6. Oktober 1310 ging es wieder um diesen Wald. Wernhart der Weydervelder beurkundete nämlich an diesem Tag in Wien, dass es zwischen ihm und dem Bürgerspital einen Streit, um eine Wiese gab, die im Bürgerspitalwald lag und Rueprechteswis hieß. Weyderfelder wandte sich an Heinrich, den Richter von Perchtoldsdorf, und Friedrich Gnemhaertel, den Bürgerspitalmeister, um einen Schiedsentscheid. Man einigte sich auf eine Ablöse von 1 Pfund. Dafür gab er dem Bürgerspital eine Urkunde, in der er auf alle Rechte, die er an dieser Wiese beanspruchte, verzichtete.[2] Da wir 1310 von keinem anderen Wald des Spitals wissen und der Richter des benachbarten Perchtoldsdorf erwähnt wird, liegt die Vermutung nahe, dass es sich um den 1289 genannten Waldkomplex handelt.

Rechtsunsicherheit

Zum 30. Juni 1530 werden Existenz und Unsicherheiten, wem der Wald gehörte bzw. wer den Wald nutzen dürfte, erwähnt. In einer in Wien ausgestellten Urkunde vom 23. Mai 1531 berichtet Wolfgang Kallenperger, der kaiserliche Wald- und Forstmeister in Österreich, von einem Streit zwischen Veit Ochs, dem Waldmeister unter Maximilian I. (Kg. 1486, K. 1508-1519) und dem damaligen Bürgerspitalmeister Wolfgang von Asslabing um einem Wald in Rodaun, der einstmals vom Bürgerspital dem Chalhoch von Ebersdorf abgekauft worden war. Das Holz liege außerhalb Rodauns, unterhalb Kalsberg (meint wohl Gde. Kalksburg, BH Mödling), und grenzt laut Urkunde an bereits von allter her innegehabten Wald allda. Der kaiserliche Waldmeister hatte Holz aus diesem Wald abgegeben. Daraufhin beschwerte sich der Bürgerspitalmeister. Kallenperger rief letztlich eine Kommission zusammen. Es kam zur Beschau vor Ort. Der Spitalmeister verlas die Urkunde des Ebersdorfers von 1289. Daraufhin erfolgte eine Begehung, bei der man alte Grenzmarken fand. Lokale Personen wurden befragt: Sie bestätigten, dass seit ihrer 60 Jahre zurück reichenden Erinnerung immer das Bürgerspital den Wald gepflegt hat. Daraufhin sprach Kallenperger den Wald dem Bürgerspital zu bzw. bestätigte ihm den Besitz. Eine Neuausmarchung mittels Anbringung von Grenzsteinen, Marken und Hottern folgte. Eine Grenzbeschreibung wurde in der Urkunde formuliert. Darin wird auch eine Wiese als dazugehörig benannt. Ob es sich um die 1310 geschenkte Rueprechteswis handelt, bleibt infolge der unterbliebenen Benennung unklar.[3] Der Wald wird jedenfalls im 1572 angelegten Waldbuch, das den gesamten landesfürstlichen Wienerwald mit seinen Ämtern und Wäldern beschreibt, als dem Wiener Bürgerspital gehörig geführt und in seinen Grenzen beschrieben.[4]

Erweiterung im 20. Jahrhundert

Der aus dem Mittelalter stammende Waldbesitz erfuhr im 20. Jahrhundert – da allerdings nicht mehr im Besitz des Bürgerspitals, sondern als Besitznachfolger der Stadt Wien - eine deutliche Erweiterung, nämlich um den im Osten angrenzenden „Leopoldsdorfer Wald“. Dieser Wald ist ebenfalls seit dem 13. Jahrhundert nachweisbar. Er war vermutlich 1243 von Friedrich II. dem Landherrn Otto von Perchtoldsdorf überlassen worden. Otto wiederum übergab kurz vor seinem Tod alle von ihm besessenen Wälder südlich der Liesing (omnia ligna contra fluvium, qui vulgariter dicitur Reichenlisnicha) am 30. Juni 1286 seinem Verwandten Chalhoch von Ebersdorf-Himberg. Der Eberdsorfer teilte den Wald dann offenbar und verkaufte 1289 den westlichen Teil an das Bürgerspital und den östlichen 1291 an das Heiligengeistspital. Nachdem das Heiligengeistspital vor der Stadt im Zuge der Ersten Türkenbelagerung zerstört worden war, trat das Bistum Wien seine Besitznachfolge an. Aus der Liquidationsmasse kaufte der niederösterreichische Kammerprokurator Hans Marx Beckh von Leopoldsdorf den Wald an der Liesing. Fortan hieß er „Leopoldsdorfer Wald“, wenngleich er im Laufe der Frühen Neuzeit mehrmals den Besitzer wechselte. Unter anderem war auch die Familie Concin von 1617 bis 1643 Besitzer, weswegen der Wald in den Quellen auch als „Concin Wald“ auftaucht.[5]

Der Wald gehörte jedenfalls über Jahrhunderte zur Herrschaft Leopoldsdorf bei Wien (Sitz: Schloss in der heutigen Gemeinde Leopoldsdorf, seit 2015 Bezirk Bruck an der Leitha). 1833 wurde er an Fürst Johann von und zu Liechtenstein verkauft, der denselben mit dem von ihm 1831 erworbenen Gut Rodaun vereinigte. Franz I. von Liechtenstein verkaufte den Wald 1936 an die Baugenossenschaft“ Eigenheim“. 1938 kam er an die Deutsche Arbeitsfront, 1940 an die Baugesellschaft Gesiba, von dieser schließlich an die Stadt Wien, welcher der Wald heute noch im Verbund mit dem früheren „Kalksburger Wald“ des Wiener Bürgerspitals gehört.[6] Der Wald ist heute das „Revier Lainz-Breitenfurt“ der städtischen Forstverwaltung Wienerwald und wird vom Forst- und Landwirtschaftsbetrieb der Stadt Wien bewirtschaftet.

Grenzsteine

Siehe auch:

Quellen

Literatur

  • Christoph Sonnlechner: Bürger und Wald. Überlegungen zur Nutzung von Wiener Bürgerspitalwäldern im Mittelalter. In: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 66 (2010), S. 223-255

Einzelnachweise