Raoul Aslan
Raoul Aslan, * 16. Oktober 1886 Saloniki, † 17. Juni 1958 Litzlberg, Attersee (Grinzinger Friedhof, An der Wand 24, Widmung ehrenhalber 21. Juni 1958), Schauspieler.
Biografie
Raoul Aslan war Sohn eines Großgrundbesitzers armenischer Herkunft (Tabakpflanzungen in Anatolien) und dessen italienischer Ehefrau (geborene Paladini). Er kam 1897 nach Wien, erhielt eine französische Erziehung (Volksschule 1., Johannesgasse; Gymnasium Hietzing; Piaristenkonvent Horn, Niederösterreich). Voller Theaterbegeisterung fasste er den Entschluss, den Schauspielberuf zu ergreifen, ging 1906 als Volontär ans Hamburger Schauspielhaus und nahm Unterricht bei der Tragödin Franziska Ellmenreich. Er spielte in der Folge in St. Pölten, Teplitz-Schönau, Karlsbad, Graz und von 1911 bis 1917 am Stuttgarter Hoftheater, wo er große Erfolge feierte. Dann kehrte er nach Wien zurück (Deutsches Volkstheater; Debüt 11. August 1917: Gabriel Schilling) und folgte 1920 einem Ruf Albert Heines ans Burgtheater (Debüt 1. September; erste große Rolle 1920: Hamlet), dem er bis zu seinem Tod treu blieb.
Aslan war ein Meister der Sprechtechnik (sonores, ausdrucksvolles Organ) und besaß eine ungewöhnliche Persönlichkeit. Er war ein hervorragender Darsteller klassischer Helden- und Charakterrollen (Nathan, Geßler, Götz, Orest, Ödipus, Franz Moor), erbrachte aber auch bemerkenswerte Regieleistungen ("Das Salzburger große Welttheater", "Iphigenie auf Tauris", "Torquato Tasso"). Weitere Hauptrollen waren Coriolanus (1922), Antonius ("Antonius und Cleopatra", 1923), Marquis Posa (1926), Mephistopheles (1928), Herzog ("Maß für Maß", 1930), Othello (1935), Jacques ("Wie es euch gefällt", 1936), Philipp II. ("Don Karlos", 1938), Klemens VIII. ("Heroische Leidenschaften", 1939), Faust ("Don Juan und Faust", 1941), Bolingbroke ("Das Glas Wasser", 1945). 1929 wurde Aslan als Erster zum Kammerschauspieler ernannt. Nach der Befreiung Wiens übernahm Aslan die Direktion des Burgtheaters (1945-1948). In seinen letzten Lebensjahren sah man Aslan als Questenberg (Wallenstein), Kalb (Kabale und Liebe), Andreas (Fiesco), Attinghausen (Wilhelm Tell) und alten Klingsberg. In der Eröffnungsvorstellung des Burgtheaters am 15. Oktober 1955 spielte er den Horneck in "König Ottokars Glück und Ende". In dieser Rolle trat er auch zum letzten Mal auf. Aslan absolvierte zahlreiche Gastspiele im Ausland und widmete sich auch der Rundfunk- und Filmtätigkeit. In seiner Freizeit beschäftigte er sich gerne mit religionswissenschaftlichen und okkultistischen Fragen.
Raoul Aslan, der aus seiner Homosexualität kein Hehl machte und selbst in der NS-Zeit offen schwul lebte, führte von 1932 bis zu seinem Lebensende im Jahr 1958 eine Beziehung mit dem Burgschauspieler Tonio Riedl (1906–1995), welchen er auch an Kindes statt adoptiert hatte. Tonio Riedl-Aslan lebte nach dem Tod Aslans mit dessen Privatsekretär Hermann Fanslau zusammen. Seine letzte Ruhestätte fand Riedl-Aslan 1996 jedoch an der Seite seines früheren Partners und Adoptivvaters Raoul im gemeinsamen Grab auf dem Grinzinger Friedhof.
Ehrenmitglied des Burgtheaters (1946), Ehrenring der Stadt Wien (1946); Ölporträt von Franz Eisner (als Caesar) beziehungsweise Erich Probst (Herzog in "Maß für Maß") sowie Büste von André Roder im Burgtheater. Er wohnte unter anderem 3., Weyrgasse 9 (1925-1934), und 9., Strudlhofgasse 13 (1934-1958; Gedenktafel, enthüllt 16. Oktober 1959). Aslangasse, Aslan-Gedenktafel.
Quellen
Literatur
- Rathaus-Korrespondenz. Wien: Presse- und Informationsdienst, 03.10.1986
- Herwig Rischbieter [Hg.]: Theater-Lexikon. Zürich: Orell Füssli 1983
- Helmut Kretschmer: XIX. Döbling. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1982 (Wiener Bezirkskulturführer, 19), S. 52
- Felix Czeike: IX. Alsergrund. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1979 (Wiener Bezirkskulturführer, 9), S. 46
- Raoul Aslan: Begegnung im Licht. Briefwechsel mit Tonio Riedl. Hg. von Margarete Gruber. Wien: Braumüller 1978
- György Sebestyén: Burgtheater-Galerie. 148 Künstlerporträts der "Ehrengalerie" des Wiener Burgtheaters nach Aufnahmen von Csaba Tarcsay. Mit einer historisch-biographischen Dokumentation von Konrad Schrögendorfer. Wien: Edition Tusch 1976, S. 150
- Schauspieler des Burgtheaters, 1776 - 1976. 43. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien, Karlsplatz, 6. Mai bis 20. Juni 1976. Wien: Eigenverlag der Museen der Stadt Wien 1976 (Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien, 43), S. 41 (Hauptrollen)
- Fred Hennings: Heimat Burgtheater. Band 2. Wien [u.a.]: Herold 1974, S. 147 ff.
- Fred Hennings: Heimat Burgtheater. Band 3. Wien [u.a.]: Herold 1974, S. 102 ff., 149 ff.
- Karl F. Stock / Rudolf Heilinger / Marylène Stock: Personalbibliographien österreichischer Dichter und Schriftsteller von den Anfängen bis zur Gegenwart. Pullach bei München: Verlag Dokumentation 1972
- Herta David: Aslans Direktionszeit am Burgtheater. Diss. Univ. Wien. Wien 1966
- Das Landstraßer Heimatmuseum. Wien: Verein zur Erhaltung und Förderung des Landstraßer Heimatmuseums, Sonderheft Mai 1966, S. 14
- Robert Teichl: Österreicher der Gegenwart. Lexikon schöpferischer und schaffender Zeitgenossen. Wien: Verlag der Österreichischen Staatsdruckerei 1951
- Wiener Zeitung, 19.06.1958
- Didier Aslan: Ein Lebensbericht über Raoul Aslan. Wien [u.a.]: Frick 1953
- Oskar Maurus Fontana: Wiener Schauspieler. Von Mitterwurzer bis Maria Eis. Wien: Amandus-Edition 1948
- Erhard Buschbeck: Raoul Aslan und das Burgtheater. Wien: Müller 1946
- Neue österreichische Biographie. 1815 – 1918. Band 13. Wien [u.a.]: Amalthea-Verlag 1935
- Das Jahrbuch der Wiener Gesellschaft. Biographische Beiträge zur Wiener Zeitgeschichte. Hrsg. von Franz Planer. Wien: F. Planer 1929
- [Joseph] Kürschners deutscher Gelehrtenkalender. Bio-bibliographisches Verzeichnis deutschsprachiger Wissenschaftler der Gegenwart. Berlin: de Gruyter / München: Saur 1925 - lfd. (Rollenverzeichnis)
- Das Heimatmuseum Alsergrund. Mitteilungsblatt des Museumsvereines Alsergrund. Wien: Museumsverein Alsergrund, Heft 31, S. 2
Raoul Aslan im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.