Registrierung von NationalsozialistInnen in Wien
Die Registrierung von ehemaligen NationalsozialistInnen wurde durch das Verbotsgesetz vom Mai 1945 festgelegt, das in Folge des Zweiten Weltkriegs unter der Alliierten Besatzung (1945-1955) verabschiedet wurde. Laut dem Verbotsgesetz waren Listen über alle NationalsozialistInnen anzufertigen. Als Grundlage dafür galt nicht das Verhalten dieser Menschen im Nationalsozialismus, sondern die Mitgliedschaft bei der NSDAP oder einer ihrer Organisationen sowie die Position in der Hierarchie. Vorerst entstanden durch eine Registrierung allein noch keine Rechtsfolgen, wenn die Person nach Verbotsgesetz nicht als ‘illegal’ eingestuft wurde. Allerdings war es möglich, ein Ansuchen um Nachsicht bei Registrierung einzureichen, was häufig als Versuch, um die Registrierung zu umgehen, genutzt wurde.
Um die Erfassung und Registrierung von NationalsozialistInnen durchzuführen, wurde am 11. Juli 1945 die NS-Registrierungs-Verordnung erlassen. Infolgedessen wurden Menschen, die zwischen 1933 und 1945 Mitglied der NSDAP oder einem ihrer Wehrverbände, wie der SS oder der SA gewesen waren, aufgefordert, sich zur Registrierung zu melden. Dies galt zudem für Personen, die einen Antrag auf Mitgliedschaft bei der NSDAP gestellt hatten. Registrierungspflichte mussten sich bei Entnazifizierungskommissionen der Gemeinde registrieren lassen und wurden in Listen aufgenommen, die später für die Bevölkerung öffentlich zugänglich waren.
In Wien begann die NS-Registrierung bereits im Juli 1945 und wurde von der Magistratsabteilung VII/2, beziehungsweise ab 1946 von der Magistratsabteilung 62, delegiert. Diese leitete der Obersenatsrat Mauritius Stollewerk. Für die Registrierung vor Ort wurden in Wien für Bezirke 1-21 13 Meldestellen eingerichtet, die in Bezirksämter eingegliedert waren und der Bezirksamtsleitung unterstanden. Im August 1945 wurde in Wien zusätzlich ein Zentralregisterkataster beim Magistrat geschaffen.
Die Fristen zur Registrierung in den Bezirken eins bis elf galt bis 3. Juli 1945, in den Bezirken zwölf bis 16, wo es aufgrund der Randlage noch keine geregelte Verkehrsverbindungen gab, bis 10. September 1945. Diese Meldefristen wurden mehrmals verlängert: In den Bezirken eins bis elf bis zum 25. August 1945 und in den Bezirken zwölf bis 16 bis 24. September 1945. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden insgesamt 77.311 Personen, davon 52.664 Männer und 24.647 Frauen, in Wien registriert.
Aufgrund der hohen Anzahl – in Wien insgesamt rund 90% – von Registrierten, die Nachsichtsgesuche einreichten, um ihre Registrierung zu löschen, verzögerte sich die Listenerstellung jedoch. Für die Nachsichtsgesuche mussten kommissionelle Gutachten erstellt werden, woraufhin die Listen nicht vor Jänner 1946 fertiggestellt werden konnten. Infolgedessen veröffentlichte der Bürgermeister die Liste am 25. April 1946, die daraufhin bis zum 22. Mai 1946 von der Bevölkerung eingesehen werden konnte. Informationen über die Registrierten mit Alters- und Berufsstatistik wurden überdies im ‘Amtsblatt der Stadt Wien’ Nr. 14/1946 und im Statistischen Jahrbuch der Stadt Wien 1943-1945 veröffentlicht.
Aufgrund der anfangs unerwartet vielen Einspruchsverfahren ergab sich für das Magistrat viel Arbeitsaufwand. Auch das schleppende Vorgehen bei der Registrierung in Wien, verhinderte eine flächendeckende Registrierung von NationalsozialistInnen. Besonders im ersten Bezirk, der die Interalliierte Zone darstellte, gestaltete sich die Entnazifizierung der BeamtInnenschaft kompliziert, da diese unter der Mitarbeit aller vier Besatzungsmächte geschehen musste.
Bis August 1947, als die Ergebnisse der Registrierung zusammengestellt wurden, hatten sich 108.673 Personen gemeldet, wovon insgesamt 108.405 Personen – 77.134 Männer und 31.271 Frauen – registriert hatten. 21.081 Personen wurden als ‘Illegale‘ aufgenommen. Von den in Wien registrierten Personen reichten 91.010 Gesuche auf Entregistrierung ein.
Quellen
Literatur
- Sonja Niederacher: Die Entwicklung der Entnazifizierungsgesetzgebung. In: Entnazifizierung zwischen politischem Anspruch, Parteienkonkurrenz und Kaltem Krieg. Das Beispiel der SPÖ. Hg. von Maria Mesner. Wien / München: Oldenbourg Verlag 2005, S. 13-36, hier: 13, 25 ff.
- O.A.: Die Verwaltung der Bundeshauptstadt Wien vom 1. April 1945 bis 31. Dezember 1947. Verwaltungsbericht. Hg. vom Magistrat der Bundeshauptstadt Wien. Wien: Magistrat der Stadt Wien 1949, S. 436 ff., 487 f.
- Brigitte Rigele: Entnazifizierung in Wien. In: Entnazifizierung im regionalen Vergleich. Hg. von Walter Schuster, Wolfgang Weber. Linz: Archiv der Stadt Linz 2004, S. 321-335, hier: 321 f.
- Walter Schuster, Wolfgang Weber: Entnazifizierung im regionalen Vergleich: Der Versuch einer Bilanz. In: Entnazifizierung im regionalen Vergleich. Hg. von Walter Schuster, Wolfgang Weber. Linz: Archiv der Stadt Linz 2004, S. 15-41, hier: 30.
- Bernd Vogel: NS-Registrierung in Wien. In: Entnazifizierung im regionalen Vergleich. Hg. von Walter Schuster, Wolfgang Weber. Linz: Archiv der Stadt Linz 2004, S. 337-361, hier: 338 f.