Alfredo Bauer
Alfredo Bauer, * 14. November 1924 Wien, † in Buenos Aires, Mediziner, Schriftsteller, Übersetzer.
Biographie
Alfredo Bauer, geboren als Sohn des Gewerbetreibenden Gustav Bauer und der Pharmazeutin Helene Bauer (geb. Mittler), besuchte er das Akademische Gymnasium, als seine Familie wegen ihrer jüdischen Herkunft 1939 zur Emigration nach Argentinien gezwungen wurde. An der antifaschistischen deutschen Pestalozzi-Schule in Buenos Aires war Bauer Schüler der ehemaligen sozialistischen Reichstagsabgeordneten August Siemsen und Alfred Dang, bei denen er die Grundkenntnisse des Marxismus kennenlernte. Nach der Matura begann er 1943 ein Medizinstudium, das er 1949 mit einer Arbeit über die schmerzarme Geburt als Dr. med. abschloss. Er arbeitete fortan als Kinderarzt, Gynäkologe und Geburtshelfer.
Seit 1944 schrieb Bauer nebenbei zahlreiche Kleinkunststücke für die Theatergruppe des "Free Austrian Movement", was durchaus wegweisend für seine Karriere als Schriftsteller und Übersetzer war, die er parallel zum Arztberuf vorantrieb. Seine erste Buchveröffentlichung "Die Antwort", ein Chorspiel über den Freiheitskampf Österreichs, erschien im Jahre 1944.
Bauers literarisches Werk – er trat 1946 der argentinischen Kommunistischen Partei bei – stand stets unter dem Zeichen seines antifaschistischen Engagements. So erschienen seine auf Deutsch geschriebenen oder ins Deutsche übersetzten Bücher zunächst nur in der DDR, etwa "Des Teufels Wettermacher" (Leipzig 1958). Auch sonst war er intensiv um den kulturellen Austausch mit dem kommunistischen Teil Deutschlands bemüht, nicht nur als Sekretär des "Ateneo Argentino Alejandro von Humboldt" (Institut für Kulturaustausch Argentinien-DDR), sondern auch seine Werke über "Argentinien" (Berlin-Ost 1968) und der Band "Reisen am Rio de la Plata" (Leipzig 1974) erschienen in Verlagen der DDR.
Einen wichtigen Rang in Bauers literarischem Œuvre nimmt seine 600seitige kritische Geschichte der Juden ein, die 1971 unter dem Titel "Historia crítica de los judíos" auf den Markt kam (Neuauflagen 1994 in vier Bänden und 2013 mit einem Vorwort des israelischen Gelehrten Moshe Zuckermann). Das andere zentrale Projekt seines enormen literarischen Schaffens war ein fünfbändiger historischer Familienepos ("Los companeros antepasados"), an dem Bauer schon seit den 1960er Jahren gearbeitet hatte und der die Geschichte einer Wiener Familie von 1848 bis hin zum Leben als Emigranten in Buenos Aires in den 1940er Jahren beschreibt. Die Idee zum Romanzyklus lieferten ihm Briefe und Tagebücher seines Urgroßvaters. Lange Zeit waren mit "Verlorene Hoffnung. Roman einer Wiener Bürgerfamilie 1848" (Berlin-Ost 1985) und "Trügerischer Glanz. Roman einer Wiener Bürgerfamilie 1849-1892" (Berlin-Ost 1986) nur zwei Bände in deutscher Sprache zugänglich. Doch die Theodor Kramer-Gesellschaft legte 2012 unter dem Titel "Die Vorgänger" eine Ausgabe der kompletten Pentalogie im hauseigenen Verlag vor, herausgegeben von Monika Tschuggnall und mit einem Vorwort von Felix Mitterer. Bauer hat dabei selbst große Teile seines spanischen Originals ins Deutsche übersetzt.
Seit den 1990er Jahren ist Alfredo Bauer mit seinen Büchern auch am österreichischen Markt vertreten. In Wien erschienen die biographischen Romane "Der Mann von gestern und die Welt" (1993, um Stefan Zweig) und "Geliebteste Tochter" (1997, um Marie Louise von Habsburg). Der Wiener Autor Erich Hackl gab 1996 Bauers Buch "Hexenprozeß in Tucumán und andere Chroniken aus der Neuen Welt" heraus. 2004 erschien der autobiographische Roman "Verjagte Jugend", der Bauers Flucht im Jahre 1938 zum Thema hat. Auch die jüdische Geschichte bleibt in Bauers vielseitigem Schaffen explizit präsent, so gab der Klagenfurter Professor Primus-Heinz Kucher die Szenenfolge "Anders als die anderen. 2000 Jahre jüdisches Schicksal" (Wien 2004) heraus. An neuen Texten erschien zuletzt eine Reihe von Mini-Dramen unter dem Titel "Mythen-Szenen" (Mainz 2009).
Bauer, der sowohl auf Deutsch wie auch auf Spanisch schrieb, hat u. a. Bertolt Brecht, Johann Wolfgang von Goethe, Peter Hacks, Heinrich Heine, Erich Kästner, Felix Mitterer und Jura Soyfer ins Spanische sowie Cervantes, Lope de Vega, Quevedo, Juan Ruiz und den argentinischen Nationalepos "Martin Fierro" von José Hernández ins Deutsche übersetzt.
Literatur
- Exil-Archiv: Alfredo Bauer [Stand: 01.09.2016]
- sterreichische Nationalbibliothek: Alfredo Bauer [Stand: 01.09.2016]
- Erich Hackl: Ein altmodischer Freund. Vorrede auf Alfredo Bauer. In: Alfredo Bauer: Hexenprozeß in Tucumán und andere Chroniken aus der Neuen Welt. Wien: Verlag für Gesellschaftskritik 1996, S. 9-16 sowie Zeittafel ebenda, S. 263-274
- „Es waren Österreichs Feinde, die uns vertrieben.“ In: Der Standard, 24./25./26.10.2009