Fratschlerin
Fratschlerin nannte man eine Obstverkäuferin, die (im Gegensatz zur Öbstlerin) keinen Verkaufsstand besaß, sondern entweder auf dem Straßenpflaster saß oder mit Obstkorb oder -butte herumging. Die Bezeichnung übertrug sich bald auf "Marktweiber" verschiedener Art, namentlich solche, die Zwischenhandel betrieben und damit zur Verteuerung der Lebensmittel beitrugen; diese wurden auch "Bolettenweiber" genannt. Die Fratschlerinnen zeichneten sich durch schlagfertigen Witz, aber auch durch schrankenlose Grobheit aus. Ursprünglich in der Stadt (nahe den Stadttoren) tätig, wurden sie später auf den Naschmarkt und das Schanzel verwiesen.
Um 1776 gab die Hofkanzlei an Fratschlerinnen gedruckte Legitimationen (sogenannte Polleten [sic!]) aus, die ihnen den bis dahin verpönten Zwischenhandel gestatteten. Sie durften ab 11 Uhr vormittags (1777 bereits ab 8 Uhr, im Winter ab 9 Uhr) den Markt betreten, um Waren für ihren Kleinhandel einzukaufen. Die Marktordnung von 1792 verfügte, dass die "Polletenleute ganz aufzuhören haben"; statt dessen sollten in der Stadt Verkaufsstände für "Standler", in der Vorstadt für "Höckerleute" aufgestellt werden.
Anfang des 19. Jahrhunderts zählte man über 3.000 Fratschlerinnen; für das Recht, Stände aufzuschlagen, bezahlten sie dem Magistrat jährlich drei Gulden. Zu den lokalen Berühmtheiten der Fratschlerinnen zählte im 19. Jahrhundert die Haverschesser Maridl, die wegen ihrer Rauflust gefürchtet war. Die Fratschlerinnen waren ein dankbares Objekt aller Wiener Humoristen der älteren Generation.
Literatur
- Gustav Gugitz: Kuriosa aus dem alten Wien. In: Wiener Geschichtsblätter 9 (1954), S. 26
- Alexander Gigl: Geschichte der Wiener Marktordnungen vom sechzehnten Jahrhundert an bis zu Ende des achtzehnten aus Urkunden entwickelt. Wien: Gerold 1865, S. 61 ff.
- Silvia Müller: Die Märkte der Reichshaupt- und Residenzstadt Wien. Diplomarbeit Univ. Wien. Wien 1987, S. 119, 144