Ilse Tielsch-Felzmann
- Erste Vizepräsidentin des österreichischen PEN-Clubs (1990 bis 1999)
Ilse Tielsch-Felzmann, * 20. März 1929 Auspitz (heute Hustopeče, Tschechien), † 21. Februar 2023, Schriftstellerin.
Biografie
Ilse Tielsch-Felzmann wurde in der südmährischen Stadt Auspitz (heute Hustopeče, Tschechien) geboren. Die familiäre Herkunft wurde für Tielsch-Felzmann ein grundlegendes Thema ihrer literarischen Arbeiten, exemplarisch im Roman "Die Ahnenpyramide" von 1980. Ihre Mutter Marianne Zemanek war die Tochter eines Weinbauern, dessen Familie seit mehreren Generationen in Auspitz ansässig war; der Vater Fritz Felzmann hatte sich – nach dem Medizinstudium an der Universität Wien – in Auspitz als praktischer Arzt niedergelassen, seine Familie stammte mütterlicherseits aus der Steiermark, väterlicherseits aus Nordmähren. Sie wuchs nicht nur in einem kunstsinnigen Elternhaus auf, in dem immer wieder Künstler zu Gast waren, die Familie wohnte darüber hinaus in einem Gebäude, in dessen erstem Stock sich die städtische Leihbibliothek befand – Umstände, die die frühe Lesebegeisterung Tielsch-Felzmanns gefördert haben.
Tielsch-Felzmann besuchte Schulen in Auspitz, Nikolsburg und Znaim, bis sich ihre Eltern Anfang April 1945 dazu entschlossen, das Mädchen vor der heranrückenden russischen Front in Sicherheit zu bringen. Sie landete im oberösterreichischen Schlierbach, wo sie bei einer Bauernfamilie unterkam. Während dieser Zeit besuchte sie ein Gymnasium in Linz. Mit ihren Eltern traf sie wieder zusammen, nachdem sie auf deren Annonce in einer Suchzeitung des Roten Kreuzes gestoßen war. Tielsch-Felzmann ging mit den Eltern nach Wien, wo sie an der Mädchenmittelschule Albertgasse 38 maturierte.
Im Herbst 1948 nahm sie an der Universität Wien das Studium der Zeitungswissenschaften und Germanistik auf, das sie sich mit diversen Nebenjobs finanzierte. Sie promovierte 1953 mit der Arbeit "Die Wochenschrift 'Die Zeit' als Spiegel literarischen und kulturellen Lebens in Wien um die Jahrhundertwende". Als Sudetendeutsche staatenlos wurde Ilse Tielsch-Felzmann 1949 die österreichische Staatsbürgerschaft zuerkannt. 1950 heiratete sie den Medizinstudenten und späteren Arzt Rudolf Tielsch. Tielsch-Felzmann brachte vier Kinder zur Welt; zwei ihrer Kinder verlor sie früh.
Über den Beginn ihres literarischen Schreibens sagte Tielsch-Felzmann: "Ich habe meine ersten Gedichte mit acht Jahren geschrieben. Sonst war ich ein normales Kind". Zur ersten Veröffentlichung kam es dann 1948 in der Zeitung "Die Woche", ihr erstes publiziertes Gedicht ist in der Anthologie "Aber das Herz hängt daran" aus dem Jahr 1955 zu finden. Als Entdecker ihres literarischen Talents gilt Hans Weigel, der ihr auch riet, als Autorinnennamen statt "Ilse Tielsch-Felzmann" die kürzere Form "Ilse Tielsch" zu verwenden (vgl. den Namenswechsel in der Liste der ausgewählten Publikationen).
Tielsch-Felzmanns Versuch, in den 1950er Jahren – neben ihrer Rolle als Ehefrau und Mutter – als Autorin und Journalistin Fuß zu fassen, scheiterte. Die Schwierigkeiten einer schreibenden Frau, zumal Hausfrau, in der österreichischen Nachkriegsgesellschaft schildert sie im Text "Von der Freiheit, schreiben zu dürfen". Die Mehrfachbelastung von Haushalt und Brotberuf – Tielsch-Felzmann arbeitete von 1955 bis 1964 als Lehrerin für Stenotypie an einer Wiener Berufsschule – verhinderte eine intensive literarische Betätigung. Dennoch sammelten sich über die Jahre insbesondere lyrische Texte an, von denen eine Auswahl 1964 im Gedichtband "In meinem Orangengarten" – Tielsch-Felzmanns erster selbständiger Buchpublikation – innerhalb der Reihe "Neue Dichtung aus Österreich" erschien. Treibende Kraft war der Reihenherausgeber und Mentor der jungen Nachkriegsgeneration Rudolf Felmayer, der die Autorin zur weiteren literarischen Arbeit ermutigte.
Ihr erstes Prosabuch – klammert man den Band nacherzählter "Südmährischer Märchen" (1969) aus – erschien 1974: Den drei Erzählungen, die das Buch "Begegnung in einer steirischen Jausenstation" enthält, wurde eine stilistische Nähe zur Prosa Thomas Bernhards nachgesagt. Nach der Veröffentlichung des Prosabandes "Ein Elefant in unseren Straßen" im Jahr 1977 entschied sich Tielsch-Felzmann für die Karriere einer freien Schriftstellerin.
Sowohl in ihrer Lyrik als auch in den erzählenden Werken dominieren die Themen Vertreibung und Immigration, Entwurzelung und Exil. Die Heimat ihrer Kindheit ist zentraler Handlungsraum, insbesondere im ersten Roman "Die Ahnenpyramide" (1980), der zusammen mit "Heimatsuchen" (1982) und "Die Früchte der Tränen" (1988) eine vielschichtige, autobiographisch grundierte Romantrilogie bildet. Fritz Hochwälder nennt "Die Ahnenpyramide", die er "mehrmals mit Erschütterung gelesen" habe, d e n "Roman unseres verheerenden Jahrhunderts".
Böhmen und Mähren behandelte Tielsch-Felzmann auch in mehreren Reiseberichten, die in dem Band "Die Zerstörung der Bilder" (1991) gesammelt sind. In dem 2006 erschienenen Roman "Das letzte Jahr" widmete sich die Autorin ein weiteres Mal ihrer früheren Heimat und konzentrierte sich auf das historisch entscheidende Jahr 1938, in dem das Sudetenland durch das Münchner Abkommen dem Deutschen Reich einverleibt wurde.
Ilse Tielsch-Felzmann ist Gründungsmitglied des Literaturkreises "Podium", Mitglied des Österreichischen Schriftstellerverbands sowie des Österreichischen P.E.N.-Clubs, dessen Erste Vizepräsidentin sie in den 1990er Jahren war. 2011 gab der amtierende Präsident des Österreichischen P.E.N.-Clubs Helmuth A. Niederle mit "Manchmal ein Traum, der nach Salz schmeckt" eine umfangreiche Sammlung ihrer Gedichte heraus.
Werke (Auswahl)
- Ilse Tielsch-Felzmann: Südmährische Sagen. Einbandzeichnung und Illustrationen von Heribert Losert. München: Heimatwerk 1969.
- Ilse Tielsch-Felzmann: Begegnung in einer steirischen Jausenstation. Zeichnungen von Paul Zwirchmayr. Bad Goisern: Neugebauer Press 1974.
- Ilse Tielsch-Felzmann: Ein Elefant in unserer Straße. Satirische Erzählungen. Graz, Wien, Köln: Styria 1977.
- Ilse Tielsch: Erinnerung mit Bäumen. Erzählung. Graz, Wien, Köln: Styria 1979.
- Ilse Tielsch: Die Ahnenpyramide. Roman. Graz, Wien, Köln: Styria 1980.
- Ilse Tielsch: Heimatsuchen. Roman. Graz, Wien, Köln: Styria 1982.
- Ilse Tielsch: Die Früchte der Tränen. Roman. Graz, Wien, Köln: Styria 1988.
- Ilse Tielsch: Die Zerstörung der Bilder. Unsentimentale Reisen durch Mähren und Böhmen. Graz, Wien, Köln: Styria 1991.
- Ilse Tielsch: SchriftstellerIn? – Um Gotteswillen! Vom Schreiben und vom Vorlesen. Graz, Wien, Köln: Styria 1993.
- Ilse Tielsch: Das letzte Jahr. Roman. Wien: Edition Atelier 2006.
- Ilse Tielsch: Unterwegs. Reisenotizen und andere Aufschreibungen. Erzählungen. St. Pölten: Literaturedition Niederösterreich 2009.
- Ilse Tielsch: "Manchmal ein Traum, der nach Salz schmeckt". Gesammelte Gedichte. Hg. von Helmuth A. Niederle. Wien: Löcker 2011 (edition pen 1).
Literatur
- Biographische Notiz. In: Ilse Tielsch: „Manchmal ein Traum, der nach Salz schmeckt“. Gesammelte Gedichte. Hg. von Helmuth A. Niederle. Wien: Löcker 2011 (edition pen 1), S. 419
- Helga Abret: „Die Welt ist kein Märchenort“. Zu Leben und Werk von Ilse Tielsch. In: Der literarische Zaunkönig 2/2009, S. 7–19 [Stand: 27.02.2023]
- Ilse Tielsch. Zum 60. Geburtstag. Graz / Wien / Köln: Styria 1989
- Website: Ilse Tielsch [Stand: 27.02.2023]
Ilse Tielsch im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.