Johann Turnovský
Johann Turnovský (auch Jan Turnovsky/Turnovski), * 4. Februar 1894 Prag, † 23. Juni 1967 Prag, Rechtsanwalt.
Biografie
Turnovský wurde am 4. Februar 1894 in Prag als Kind von Julius Turnovský und Bedřiška Turnovská geboren. Sein Vater war erfolgreicher Cafétier und besaß zeitweise das Café Edison. Von 1904 bis 1908 besuchte Turnovský wahrscheinlich das "k.k. Staats-Gymnasium mit deutscher Unterrichtssprache in der Stephansgasse" der Prager Neustadt, von 1908 bis 1913 das gleichnamige Gymnasium am Prager Graben.
Vermutlich war Turnovský Soldat im Ersten Weltkrieg und begann erst danach seine juristische Ausbildung. 1925 eröffnete er seine Kanzlei in Prag unter der Adresse Vodičkova 33.
In den 1920er Jahren lernte er seine Frau Ilsa, geborene Schwarz, kennen. Am 29. September 1928 wurde ihr gemeinsamer Sohn Martin Turnovský in Prag geboren.
Turnovský wurde 1945 in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Im Gegensatz zu dem Großteil seiner Familie, die in verschiedenen Konzentrations- und Vernichtungslagern umkamen, überlebte er mit seiner Frau und seinen Kindern. Nach dem Krieg konnte er seine Anwaltstätigkeit in Prag wieder aufnehmen. Seine neue Kanzlei befand sich in der Masná 15.
Vertretung von Karl Kraus
In Zusammenhang mit diversen Rechtsstreitigkeiten, die Karl Kraus aufgrund von Vorlesungen und Aufführungen seiner Werke bzw. von ihm bearbeiteten Werke in der Tschechoslowakei hatte, suchte er dort häufiger nach Vertretern. Wahrscheinlich lernte er 1932 Turnovský kennen. Dieser wurde in den folgenden Jahren bis zum Tod Kraus’ 1936 sein meistbeschäftigter Anwalt in der Tschechoslowakei, wie sich an den Handakten aus der Kanzlei Oskar Sameks nachvollziehen lässt. Aktiv war Turnovský an über 350 in diesen enthaltenen Dokumenten beteiligt. Bei seiner Vertretungstätigkeit spielte es eine Rolle, dass er Kraus ideologisch nahestand und über die Jahre eine freundliche bis freundschaftliche Beziehung zu ihm aufbaute. Während sich viele Menschen in den 1930er Jahren von Kraus abwendeten, blieb ihm Turnovský als unterstützende Kraft treu.
Die Zuneigung Turnovskýs äußerte sich auch in der Beziehung von ihm und seiner Familie zu Kraus’ langjähriger Partnerin, Sidonie Nadherná von Borutín. Sie setzte Turnovský als Universalerben ein. Er und seine Frau Ilsa bewahrten die Briefe Kraus’ an Nadherná über viele Jahre bis zu ihrer Entdeckung und schließlichen Publikation.
Literatur
- Johannes Knüchel: Der "treue" Mitstreiter in Prag. In: Isabel Langkabel / Laura Untner (Hrsg.): Karl Kraus und die Rechtsakten der Kanzlei Oskar Samek. Wien 2024 [in Vorbereitung]
- Karl Kraus: Rechtsakten der Kanzlei Oskar Samek. Wissenschaftliche Edition, hrsg. v. Johannes Knüchel und Isabel Langkabel, auf Grundlage der Vorarbeiten Katharina Pragers, unter Mitarbeit von Laura Untner, Andrea Ortner, Ingo Börner und Vanessa Hannesschläger. Wien 2022 [Stand: 26.02.2024]
- Friedrich Pfäfflin / Alena Wagnerová (Hg.): Gartenschönheit oder Die Zerstörung von Mitteleuropa. Sidonie Nádherný. Briefe an Václav Wagner 1942–1949. Göttingen 2015
- Friedrich Pfäfflin (Hg.): "No news from home". Sidonie Nádherný. Letters to Princess Gillian Lobkowicz, 1949–1950. Warmbronn 2006
- Friedrich Pfäfflin: Literaturgeschichte als Detektivgeschichte. Die Entdeckung und Veröffentlichung der Briefe von Karl Kraus an Sidonie Nádherný. In: Librarium, Nr. 48 (2005), S. 102–113
- Elke Lorenz (Hg.): »Sei Ich ihr, sei mein Bote«. Der Briefwechsel zwischen Sidonie Nádherný und Albert Bloch. München 2002