Julius Madritsch
Julius Madritsch,* 4. August 1906 Wien, † 11. Juni 1984 Wien, Textilkaufmann.
Biografie
Julius Madritsch wwar ausgebildeter Textilkaufmann. Über seinen persönlichen Lebensweg bis 1940 und nach 1945 konnten keine Angaben eruiert werden. 1940 wurde er zur deutschen Wehrmacht einberufen und fungierte im besetzten Polen (im sogenannten Generalgouvernement) als Verwalter zweier Textilfabriken in der Nähe des Krakauer Ghettos, die ihren früheren jüdischen Besitzern enteignet worden waren.
1941 erhielt Madritsch die Erlaubnis, im Ghetto selbst eine weitere Fabrik einzurichten. Gemeinsam mit dem Fabrikleiter Raimund Titsch und in Zusammenarbeit mit dem Judenrat des Ghettos bemühte er sich, so viele jüdische Arbeitskräfte wie möglich anzustellen. Nur etwa 40 Prozent der rund 800 Arbeiter waren gelernte Kräfte; bis zu drei Personen arbeiteten an der selben Maschine.
Titsch und Madritsch kümmerten sich um menschliche Arbeitsbedingungen und zusätzliche Nahrungsmittel für die Zwangsarbeiter. Sie richteten sogar eine koschere Küche in der Fabrik ein. Durch die Herstellung von Nähmaterial für andere Werkstätten konnte tausenden weiteren Juden geholfen werden.Im Ghetto Tarnow eröffnete der Textilfachmann eine Filiale, in der abermals 800 Personen beschäftigt (und somit versorgt) werden konnten. Der Lieferwagen der Fabrik wurde mit Wissen von Madritsch und Titsch auch dazu genutzt, um Essen in das Ghetto zu schmuggeln. Gemeinsam mit dem für die Bewachung zuständigen Wiener Polizisten Oswald Bosko verhalfen sie wiederholt Juden zur Flucht. Bosko wurde deshalb 1944 verhaftet und hingerichtet.
Als Madritsch 1942 von der geplanten Deportation aller Kinder aus dem Krakauer Ghetto erfuhr, schmuggelte er Kinder in seine Fabriken, von wo aus sie bei polnischen Familien versteckt werden konnten. Anderen jüdischen Familien ermöglichte er die Flucht über die Slowakei nach Ungarn. Auf die selbe Art und Weise konnten Jüdinnen und Juden nach Auflassung und Räumung des Gettos Krakau im März 1943 gerettet werden.
Die nach der Auflösung des Ghettos im Konzentrationslager Plaszow internierten jüdischen Arbeiter Madritschs konnten vorerst auf dessen Ansuchen noch zu Fuß in die Tarnower Fabrik kommen. Als dies verboten wurde, verlegte er die Fabrik auf das Lagergelände und verteilte zusätzliche Nahrungsmittel als angeblichen "Bonus für gute Leistungen" im Geheimen auch an andere Lagerinsassen.
Im September 1944 wurde das Lager Plaszow aufgelöst. Um die Arbeiter vor der Deportion in Vernichtungslager zu retten, beantragte Madritsch vergeblich die Einstufung der Fabriken als "kriegswichtige Produktionsstätten" und deren Verlegung in ein anderes Gebiet. Ihm und Tritsch gelang es aber, ungefähr hundert ihrer Arbeiter in der Munitionsfabrik von Oskar Schindler unterzubringen und vor der Ermordung zu retten. Madritsch wurde im November 1944 in Krakau verhaftet und nach Berlin überstellt, weil sein Name auf einer Liste einer polnischen Widerstandsbewegung stand. Aufgrund der Intervention von Freunden wurde er aber nach zwölf Tagen Einzelhaft entlassen.
Nach Ende der NS-Herrschaft schrieb Julius Madritsch seine Erinnerungen unter dem Titel "Menschen in Not!" auf. Yad Vashem verlieh ihm und Titsch im Februar 1964 die Auszeichnung "Gerechter unter den Völkern". Im Jänner 2022 strahlte der ORF im Rahmen der Reihe "Menschen und Mächte" eine Dokumentation über "Die drei Gerechten" (Madritsch, Titsch, Bouska) aus.
Quellen
Literatur
- Denise Blümel: Gerechte unter den Völkern. Judenretter in Österreich zur Zeit des Nationalsozialismus. Diplomarbeit, Univ. Graz 2019, S. 83-92
- Erika Weinzierl: Zu wenig Gerechte. Österreicher und Judenverfolgung 1938 – 1945. 4., erw. Aufl. Graz/Wien/Köln: Styria 1997, S. 218-223
- Daniel Fraenkel/Jakob Borut (Hg.): Lexikon der Gerechten unter den Völkern. Deutsche und Österreicher. Göttingen: Wallstein Verlag 2005, S. 334-336
- ORF: Im Schatten von “Schindlers Liste”, 19.01.2022 [Stand: 12.05.2022]