Kultur im Nachkriegs-Wien
Kriegsende
Der Wiener Kulturbetrieb hatte während der Zeit des Nationalsozialismus stark gelitten. Am 1. September 1944 war eine Theatersperre verhängt worden, Kinos waren aber weiterhin offen, das Volkstheater wurde zu einem Kino umgewandelt. Im Februar stellten dann aber auch alle 120 Kinos den Betrieb ein – sie waren entweder bereits zu beschädigt oder verfügten schlicht nicht über ausreichend Strom. Auch das Musik- und Sportleben war stark eingeschränkt, Ende März mussten die meisten Fußballspiele abgesagt werden, da fast alle Teams keine elf Spieler mehr zur Verfügung hatten.
Durch die Bombardierungen und Kampfhandlungen kam es außerdem zu zahlreichen schwerwiegenden Zerstörungen, so war etwa das Burgtheater bei Luftangriffen zu Schaden gekommen, bevor es im April Feuer fing. Am 12. März brannte nicht nur die Staatsoper ab, auch das Burgtheater, die Hofburg, der Stephansdom, das Volkstheater und das Kunsthistorische Museum wurden beschädigt.
Theater, Oper und Konzerte
Erste Privattheater konnten schon Ende April unter provisorischen Leitungsteams den Betrieb wieder aufnehmen, ihre Konzessionen waren nur bis 1. September vergeben worden. Die Staatsoper war vorübergehend in den Räumlichkeiten der Volksoper untergebracht, aber auch das Theater an der Wien beanspruchte das Gebäude, um finanziell überleben zu können – zeitweise stellte sich die Frage, ob die Volksoper überhaupt weiterbestehen würde. Die Staatsoper eröffnete am 1. Mai 1945 im Gebäude der Volksoper mit "Figaros Hochzeit", erst am 17. Mai konnte schließlich auch die Volksoper wieder spielen, sie musste sich aber ihr eigenes Gebäude weiterhin mit der Staatsoper teilen. Die Staatsoper griff ab Anfang Juni zeitweise auch auf den Redoutensaal zurückgriff, und ab Oktober konzertierte das Ensemble auch im Theater an der Wien. Die erste dortige Aufführung – Beethovens "Fidelio" – wurde von der Ravag live übertragen. Konzerte für den Wiederaufbau des Opernhauses fanden schon seit Mitte Juli statt, der sowjetische Hochkommissar übergab zwei Millionen Reichsmark für den Wiederaufbau.
Ende April übernahm der Schauspieler Raoul Aslan den Direktorposten im Burgtheater, er stand zunächst vor der Aufgabe, einen Spielort aufzutreiben, denn auch das Burgtheater war zerstört. Schon wenige Tage später fand die erste Vorführung statt, Grillparzers "Sappho", als Ausweichquartier diente das Ronacher. Zugleich ging auch das Raimundtheater wieder in Betrieb, am 1. Mai folgte das Theater in der Josefstadt. Das Volkstheater spielte ab 13. Mai 1945, davor war es zwei Wochen lang von Schauspielerinnen und Schauspielern, Angestellten des Theaters und Rotarmisten instandgesetzt worden. Am 19. Mai öffnete das Akademietheater. Ende Juni waren fast alle Bühnen wieder in Betrieb.
Außer Betrieb war nach Kriegsende auch der Musikvereinssaal, größere Konzerte fanden vorerst nur im Konzerthaus Platz, das daher bis Juni überbucht war. Das erste Konzert der Philharmoniker fand am 27. April ebendort statt, im Juni war das Wiener Konzertleben wieder in vollem Gange. Auf den Straßen und Plätzen Wiens musizierten russische Militärkapellen.
Kino
Schon Mitte April hatten 40 Kinos geöffnet, Mitte Juni hatte sich die Zahl schon auf über 100 erhöht. Von Anfang an waren sowjetische Filme stark vertreten, im April zeigte das Apollokino "Iwan der Schreckliche", im Juli folgte die sowjetische Reportage "Kampf um Wien" in deutscher Synchronisation. Ältere österreichische Filme mussten von der Kommandantur erst genehmigt werden. Zu Beginn hatten die Kinos noch mit unzuverlässiger Stromzufuhr zu kämpfen.
Bibliotheken
Mit 1. Mai öffneten die ersten drei Bibliotheken ihre Pforten, Mitte Mai arbeiteten schon 14, bis Juni waren alle 23 wieder einsatzbereit. Ende Juni öffnet Lesesaal der Nationalbibliothek, Anfang November die Stadt- und Landesbibliothek.
Museen
Auch die Museen hatten erheblich gelitten, in einigen waren infolge von Bombentreffern die Sammlungen verschüttet. Das Römische Museum der Stadt war 1944 komplett zerstört worden. Freiwillige halfen bei Bergungsarbeiten im Stephansdom, im Kunstgewerbemuseum und im Palais Palffy. Im Oktober 1945 kam es zu ersten Sicherungsarbeiten beim Natur- und Kunsthistorischen Museum sowie im Belvedere, eine umfangreichere Renovierung musste vorerst aufgeschoben werden.
Erst Anfang Dezember 1946 konnte das Mozart-Gedenkhaus wiedereröffnet werden (1., Schulerstraße 8/Domgasse 5). Mit großen Schwierigkeiten hatte auch das Uhrenmuseum zu kämpfen, denn dessen Sammlung war während des Krieges aus der Stadt verbracht worden, wobei zahlreiche Stücke verlorengingen. Erst durch anonyme Anzeigen war es möglich, den Bestand einigermaßen wiederherzustellen, finanzielle Zuschüsse vonseiten der Stadt Wien ermöglichten außerdem Neuerwerbungen. Das ebenfalls vom Krieg gezeichnete Meidlinger Heimatmuseum war im November 1947 wieder zugänglich.
Quellen
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Nachlass Körner, A1.4.22.37 – Verwaltungsgruppe XI Kultur und Volksbildung
- Rathauskorrespondenz vom Jänner 1945, Februar 1945, März 1945, April 1945, Mai 1945, Juni 1945, Juli 1945, Oktober 1945, November 1945