Renée Schroeder
Renée Schroeder, * 18. Mai 1953 João Monlevade (Brasilien), Biochemikerin.
Biografie
Renée Schroeder kam als zweite Tochter luxemburgischer Auswanderer in Brasilien zur Welt. Wenige Jahre nach Installierung der Militärdiktatur im Land übersiedelte sie im Alter von 14 Jahren mit ihrer Familie nach Bruck an der Mur. Ihr Vater, der in der Stahlbranche tätig war, fand in der dortigen Stahlindustrie eine Anstellung als Elektrotechniker.
Im Jahr 1972 begann sie ein Biochemie-Studium an der Universität Wien, das sie 1978 mit dem Magisterium in Biochemie und 1981 mit dem Doktorat abschloss. Bereits in ihrer Dissertation beschäftigte sie sich mit der Ribonukleinsäure (RNA), einem Molekül, das in der Zelle für die Umsetzung von genetischer Information in Proteine verantwortlich ist. 1982 sowie von 1984 bis 1985 forschte sie mit einem Stipendium der European Molecular Biology Organization (EMBO) als Post-doc am französischen Centre de Génétique Moléculaire des C.N.R.S. in Gif sur Yvette (bei Professor Piotr P. Slonimski). Um diese Zeit wurden auch ihre beiden Söhne Fabian (*1983) und Constantin (*1985) geboren. Anschließend arbeitete sie ab 1986 als Assistentin am Institut für Mikrobiologie und Genetik an der Universität Wien. Von 1987 bis 1989 ging sie mit ihrem Lebensgefährten und den beiden Kindern als Erwin-Schroedinger-Stipendiatin an das New York State Department of Health in Albany, USA. 1993 habilitierte sich Renée Schroeder am Institut für Mikrobiologie und Genetik der Universität Wien.
Ab 1995 war Schroeder außerordentliche Professorin am Institut für Mikrobiologie und Genetik an der Universität Wien sowie von 1999 bis 2002 Studienkommissionsvorsitzende für Molekulare Biologie. An der Universität Wien war die Wissenschaftlerin Vizedekanin der Fakultät für Lebenswissenschaften von 2004 bis 2006, von 2005 bis kurz vor ihrer Emeritierung 2018 leitete sie das Department für Biochemie und Zellbiologie an den Max F. Perutz Laboratories der Universität Wien. Hatte sie zunächst von April 2006 bis 2007 eine Vertragsprofessur inne, wurde sie 2007 auf eine Professur für RNA-Biochemie am Department für Biochemie am Zentrum für Molekulare Biologie an den Max F. Perutz Laboratories der Universität Wien berufen.
Schroeders Forschungsschwerpunkte umfassten die Bereiche RNA-Faltung, Proteine mit RNA-Chaperonaktivität, bakterielle nicht-kodierende RNAs und deren RNA/Protein-Komplexe, RNA-2D- und 3D-Strukturen und deren Einfluss auf RNA-RNA-Wechselwirkungen sowie die genomische Selektion von humanen RNA-Polymerase bindenden RNAs. Ab 2007 war sie Herausgeberin der international renommierten Fachzeitschrift "RNA-Biology", der sie nunmehr als "Honorary Editor" verbunden ist. In Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie und den mRNA-basierten SARS-CoV-2-Impfstoffen erhielt die Ribonukleinsäure, deren Eigenschaften Renée Schroeder mehr als 40 Jahre lang höchst erfolgreich beforschte, erstmals enorme öffentliche Aufmerksamkeit.
Abgesehen von ihren universitären Aufgaben fungierte die Wissenschaftlerin von 1998 bis 2004 als österreichische Delegierte der EMBO und gehörte von 2001 bis 2005 der Bioethik-Kommission der österreichischen Bundesregierung an. Von 2005 bis 2010 amtierte sie als Vizepräsidentin des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung. Dem Rat für Forschung und Technologieentwicklung gehörte sie von 2010 bis 2015 als Mitglied an. 2003 wurde Renée Schroeder als zweite Frau wirkliches Mitglied der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Im Mai 2012 erklärte sie aus Protest gegen die mangelnde Exzellenzförderung und den hohen Anteil von Cartellverbandsmitgliedern in der Akademie ihren Austritt.
Renée Schroeder tritt immer wieder mit politischen Anliegen in der Öffentlichkeit auf. So kritisierte sie die strukturelle Benachteiligung von Frauen in der Wissenschaft und setzt sich für eine strikte Trennung von Staat und Kirche ein. Mit Fragen der Ökologie und der Frauenrolle beschäftigt sie sich unter anderem auch in ihren sehr erfolgreichen populärwissenschaftlichen Büchern wie "Die Henne und das Ei" (2011), "Von Menschen, Zellen und Waschmaschinen" (2014), "Die Erfindung des Menschen" (2016) sowie zuletzt "Was ist Leben?" (2021). Während der Covid-19-Pandemie meldete sie sich gemeinsam mit Ruth Wodak, Hannes Werthner und Herbert Weltler zu Wort und forderte einen stärkeren Focus auf die Wissenschaft ein. Immer wieder trat sie an die Öffentlichkeit und versuchte faktenbasiert über RNA und mRNA-Impfstoffe aufzuklären, so etwa bei den Wiener Vorlesungen 2021.
In den Jahren 2017 und 2019 kandidierte sie bei den Nationalratswahlen für die von ihrem Schulfreund Peter Pilz gegründete Liste Peter Pilz/Jetzt. In der bis 2020 existierenden Partei wirkte sie vor allem als Obfrau der Parteiakademie.
Um ein landwirtschaftliches Anwesen erwerben zu können, absolvierte Renée Schroeder die landwirtschaftliche Fachschule in Hollabrunn. 2011 kaufte sie gemeinsam mit ihren beiden Söhnen den Leierhof im salzburgischen Abtenau, den sie seit ihrer Emeritierung als Bio-Kräuterhof betreibt. Unterstützt wird sie dabei von ihren Kindern, Schwieger- und Enkelkindern.
2019 erschien ihre Biografie "Renée Schroeder. Alle Moleküle immer in Bewegung".
Populärwissenschaftliche Werke (Auswahl)
- Renée Schroeder: Die Henne und das Ei. Auf der Suche nach dem Ursprung des Lebens. St. Pölten / Salzburg: Residenz Verlag 2011
- Renée Schroeder: Von Menschen, Zellen und Waschmaschinen. Anstiftung zur Rettung der Welt. St. Pölten / Salzburg / Wien: Residenz-Verlag 2014
- Renée Schroeder: Die Erfindung des Menschen. Wie wir die Evolution überlisten. Salzburg / Wien: Residenz-Verlag 2016
- Renée Schroeder: Was ist Leben? Die Geschichte des vielseitigen Moleküls RNA. Wien: Picus Verlag 2021 (Wiener Vorlesungen, Band 201)
- Renée Schroeder: Der Traum von der Unsterblichkeit. Wien: Christian Brandstätter Verlag 2022
Literatur
- Wer ist Renée Schröder: Top-Forscherin und Kämpferin für Gleichberechtigung in der Wissenschaft. In: Moment.at, 14.03.2021 [Stand: 23.06.2022]
- Ursel Nendzig: Renée Schroeder. Alle Moleküle immer in Bewegung. Wien: Residenz Verlag 2019
- Renée Schroeder wird 65 – und tritt "super geordnet" in Ruhestand. In: Studium.at, 16.05.2018 [Stand: 24.06.2022]
- Medienportal der Universität Wien: Mikrobiologin Renée Schroeder wird 60 [Stand: 23.06.2022]
- Renée Schroeder verlässt die Akademie der Wissenschaften. In: Die Presse, 08.05.2012 [Stand: 24.06.2022]
- Markus Steiner: Preise und Auszeichnungen im April 2011. In: Medienportal der Universität Wien [Stand: 23.06.2022]
- Akademie Kind Jugend Familie: Renée Schröder [Stand: 06.07.2022]
- Preisträgerinnen des Wiener Frauenpreises: Renée Schröder [Stand: 06.07.2022]
Renée Schroeder im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.