Schutzverwandte
Von der Bevölkerung Wiens hatte schon im Mittelalter nur ein Teil (die Bürger) durch reguläre Steuerleistung (Vermögens- und Gewerbesteuer, Liegenschaftssteuern) die Mittel für die Ausgaben der Stadtverwaltung aufgebracht (und dafür allein das aktive und passive Wahlrecht für die politischen Gremien genossen); die übrige Bevölkerung war teils durch Privilegien vom "Mitleiden" (zeitgenössische Bezeichnung für die Beteiligung an den städtischen Lasten) befreit, teils mangels entsprechenden Einkommens oder Vermögens zur regulären Steuerleistung außerstande (sogenannte In- oder Mitwohner), genoss jedoch ebenso wie die bürgerliche Bevölkerung den in der Stadtverfassung gewährleisteten Schutz aller Bewohner. Im 16. Jahrhundert setzten Bemühungen ein, den nichtprivilegierten Inwohnern, soweit sie ihren Lebensunterhalt durch eine "Hantierung" (entweder unbefugte Gewerbeausübung oder Tätigkeit, die nicht im Schema der bürgerlichen Einkünfte erfasst war) erwarben, zu einer wenigstens bescheidenen Steuerleistung heranzuziehen. 1629 begann die systematische Besteuerung der "unbürgerlichen" Handwerker in den Vorstädten, 1663 wurden auch die "Unbürgerlichen" in der Stadt herangezogen; ab 1691 führten jedes Jahr zwei Mitglieder des äußeren Rats bei den Grundrichtern der einzelnen Vorstädte entsprechende Erhebungen und Kontrollen durch. Die eingehobene Steuer war eine Kopfsteuer; sie wurde, wenn der Belastete ins bürgerliche Steuersystem übertrat, als Vorsteuer in Anrechnung gebracht, galt jedoch ansonsten als "Mitleidenssteuer". Die Steuerrückstände der Stadt Wien gegenüber dem Land Österreich unter der Enns (Landeskontribution) waren Anlass für das Patent vom 12. April 1725, das jeden unbürgerlichen "Hantierer" zum gebührenpflichtigen Erwerb eines jährlichen "Schutzdekrets" und zur Entrichtung einer "Schutzverwandtensteuer" verhielt (die Bezeichnung Verwandte war gleichbedeutend mit Steuerrechtskategorie und bedeutete keine Blutsverwandtschaft). Die Gebühren für die Schutzdekrete flossen in einen Fonds, der zur Tilgung der städtischen Schulden gegenüber dem Land bestimmt war und dessen Verwaltung 1749 der Stadt überlassen wurde; diese hatte dafür eine jährliche Pauschale von ursprünglich 10.000 Gulden (ab 1750 7.000 Gulden) an den Fiskus zu entrichten. Die allmähliche Abkehr von diesem System wurde durch die am 4. Jänner 1754 verfügte Einteilung aller Gewerbe in "Kommerzialgewerbe" (die dem Export dienenden Textil-, Seiden-, Metall- und Luxusgewerbe, die der niederösterreichischen Kommerzkommission unterstanden) und "Polizeigewerbe" (die der lokalen Bedarfsdeckung dienten und von der Stadt Wien verwaltet wurden ["Polizei" bedeutete in diesem Zusammenhang so viel wie Verwaltung]) eingeleitet.
Literatur
- Karl Fajkmajer: Verfassung und Verwaltung 1526-1740. In: Geschichte der Stadt Wien. Hg. vom Altertumsverein zu Wien. Wien: Holzhausen 1897-1918. Band 5, 1914, S. 100 ff., besonders 121, 144
- Maren Seliger / Karl Ucakar: Wien. Politische Geschichte 1740 - 1895. Wien: Jugend & Volk 1985 (Geschichte der Stadt Wien, 1), S. 91 ff.
- Heinz Zatschek: Handwerk und Gewerbe in Wien. 1949, S. 38, 47 f., 93, 120, 151 f., 248, 153 f.
- Franz Baltzarek: Das Steueramt der Stadt Wien 1526-1760. In: Dissertationen der Universität Wien 58 (1971), S. 77 ff., 86 ff.