Spielgrafenamt
Spielgrafenamt, Aufsichtsbehörde und Gerichtsinstanz für Musiker, Schauspieler, Gaukler und Schausteller; das Wort "Graf" war in diesem Zusammenhang kein Adelstitel, sondern kennzeichnete eine mit richterlichen Befugnissen ausgestattete Verwaltung (analog der Hansgraf, der den Außenhandel kontrollierte, und der Kammergraf in den Bergbaugebieten). Eine besondere Organisation war erforderlich, weil die erwähnten "Spielleute" (als Sammelbegriff zu verstehen) ihr Gewerbe überwiegend im Umherziehen ausübten.
Ein Spielgraf wird erstmals in dem um 1278/1296 entstandenen Stadtrechts- oder Weichbildbuch (Artikel 26) erwähnt; er übte die niedere Gerichtsbarkeit über die Spielleute aus, die in der erstmalig 1354 bezeugten Nikolaus-Bruderschaft (Andachts-und Versammlungsort war die Nikolauskapelle im Südchor der Michaelerkriche) vereint waren. 1354 wurde die Institution des "Obersten Spielgrafen für Österreich unter und ober der Enns" geschaffen; sie war mit dem erblichen Amt des Oberstkämmerers vereint und wurde von Mitgliedern der Hochadelsfamilien von Ebersdorf (1354-1556), Eitzing (1557-1619) und Breuner (1620-1781) ausgeübt.
Dem obersten Spielgrafen unterstanden der Spielgraf in Wien (der zusammen mit einem Zechmeister die Nikolaus-Bruderschaft leitete) sowie weitere sieben Spielgrafen, die bestimmte Sprengel im übrigen Land zugewiesen erhielten. Wer ein zu den Spielleuten gerechnetes Gewerbe ausüben wollte, musste an den obersten Spielgrafen eine einmalige Taxe entrichten und an die Nikolaus-Bruderschaft in Wien laufend Mitgliedsbeiträge zahlen.
Im 17. Jahrhundert wurde die Organisation geändert (1638 umfassende Ordnung von Graf Seyfried Christoph von Breuner); dem obersten Spielgrafen unterstanden neben dem Wiener Spielgrafen nur noch vier regionale Spielgrafen. Aufnahmetaxen und Bruderschaftsbeiträge waren nach Art des Gewerbes (Musiker und sonstige Spielleute) und nach Regionen (Stadt- und Vorstadtzone in Wien, Landgebiete) gestaffelt. 1782 schaffte Joseph II. die Spielgrafen ab, die betreffenden Gewerbe waren fortan frei und den normalen Gerichts- und Verwaltungsbehörden unterstellt. Vom Verbot aller Bruderschaften (1783) war auch die Nikolaus-Bruderschaft betroffen.
Literatur
- Hans Amon: Das Spielgrafenamt in Österreich unter und ober der Enns. In: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1986, S. 7 ff.
- Franz Hadamowsky: Wien. Theatergeschichte. In: Geschichte der Stadt Wien (Hg. Felix Czeike). Band 3. Wien / München, S. 17 ff.
- Katalog zur Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien. Musik im mittelalterlichen Wien. Wien 1959-2003, S. 120 ff.
- Gerlinde Sanford: Wörterbuch von Berufsbezeichnungen aus dem siebzehnten Jahrhundert. Gesammelt aus den Wiener Totenprotokollen der Jahre 1648-1668 und einigen weiteren Quellen. Bern / Frankfurt am Main: Lang 1975 (Europäische Hochschulschriften. Reihe 1: Deutsche Sprache und Literatur, 136), S. 90 f. (Musikus)
- Karl Schalk: Urkundliche Beiträge zur Geschichte des Spielgrafenamts in Niederösterreich im 15. Jahrhundert. In: B II: Landeskunde Niederösterreich 14. 1880, S. 312 ff.