Churhaus (richtiger Curhaus [siehe Cur], auch Kurhaus; 1, Stephansplatz 3-3a, Churhausgasse 2, Singerstraße 5; gegenüber dem Südportal des Stephansdoms), erbaut 1738-1740 nach Entwürfen von Daniel Christoph Dietrich und Johann Gottfried Pock, vollendet wahrscheinlich von Matthias Franziskus Gerl.
Hier standen einst die mittelalterliche Bürgerschule (Gedenktafel) und die Bauhütte (Steinhütte) von St. Stephan, in der die Zunft der Steinmetze ihre Lade hatte und wo sie auch ihre Feste feierte. Hier wohnte auch der jeweilige Dombaumeister.
Die Schule wird urkundlich 1237 erstmals erwähnt und war die einzige höhere Lehranstalt in Wien bis zur Gründung der Universität 1365. Im 16. Jahrhundert wurde die Schule den Jesuiten übergeben und von diesen verlegt. Das Gebäude nahm danach Einrichtungen des Wiener Bistums auf (Pfarrbüros von St. Stephan sowie erzbischöfliche Ämter).
Durch den Bau des Churhauses verschwand das Kirchengassel (früher Raubergäßchen), durch das man einst vom alten Roßmarkt (Stock-im-Eisen-Platz) auf den Stephansfreithof gelangte. Die Baukosten des Churhauses wurden von Karl VI., Bischof Leopold Karl Graf Kollonitsch und der Stiftung Kardinal Melchior Khlesls bestritten, der 1618 bereits 20.000 Gulden und testamentarisch nochmals eine gleich hohe Summe zur Errichtung eines Alumnats gewidmet hatte.
1742 wurde die Kapelle (die sich bald zur „Nobeltrauungskapelle" Wiens entwickelte) zu Ehren Maria Vermählung geweiht. 1759 errichtete Fürst-Erzbischof Christoph Anton Migazzi das Erzbischöfliche Alumnat (das hier bis 1914 verblieb und sich seither in 9, Boltzmanngasse 9 befindet).
1806 wurde das Gebäude von Louis Montoyer um ein viertes Stockwerk erhöht, wobei die ehemaligen Dreiecksgiebel abgetragen wurden. In der Kapelle befindet sich ein barocker Hochaltar mit Altarbild „Vermählung Mariens" von Antal (Anton) Schmid. Die Churgeistlichkeit wohnte früher im alten Pfarrhof zu St. Stephan.
Am 8. Oktober 1938 war das Churhaus Ziel nationalsozialistischer Übergriffe. Jugendliche stürmten, plünderten und verwüsteten das Churhaus, Domkurat Johann Krawarik wurde aus einem Fenster in den Hof geworfen. Das während des Zweiten Weltkriegs beschädigte Gebäude wurde 1948 durch Hans Petermair wiederhergestellt.
Quellen
Literatur
- Josef Göbel: Der Bau des Kurhauses zu St. Stephan in Wien. In: Nachrichtenblatt des Vereines für Geschichte der Stadt Wien, Band 5 = 60.1943, S. 11-30
- Josef Göbel: Vom Sturm auf das Churhaus am 8. Oktober 1938. In: Viktor Flieder / Franz Loidl: Stephansdom Zerstörung und Wiederaufbau. Chronik und Dokumentation. Wien: Wiener Dom-Verl. 1967 (Veröffentlichungen des Kirchenhistorischen Instituts der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien, 3), S. 121 ff.
- Peter Schubert: Schauplatz Österreich. Band 1/3: Wien. Wien: Hollinek 1976, S. 269
- Alfred Missong: Heiliges Wien. Ein Führer durch Wiens Kirchen und Kapellen. Wien: Wiener Dom-Verlag ³1970, S. 37 f.
- Felix Czeike: Wien. Kunst und Kultur-Lexikon. Stadtführer und Handbuch. München: Süddeutscher Verlag 1976, S. 166
- Justus Schmidt / Hans Tietze: Dehio Wien. Wien: A. Schroll 1954 (Bundesdenkmalamt: Die Kunstdenkmäler Österreichs), S. 62
- Hans Markl: Kennst du alle berühmten Gedenkstätten Wiens? Wien [u.a.]: Pechan 1959, S. 95 f.
- Joseph Kopallik: Regesten zur Geschichte der Erzdiöcese Wien. Band 2. Wien: Gorischek 1894, Reg.
- Karl Janecek: Lateinische Inschriften an Bauwerken und Denkmälern Wiens. Horn: F. Berger i. Komm. 1956, S. 30 f.
- Wilhelm Kisch: Die alten Straßen und Plätze von Wiens Vorstädten und ihre historisch interessanten Häuser. (Photomechan. Wiedergabe [d. Ausg. v. 1883]). Cosenza: Brenner 1967, Band 1, S. 99 f.
- Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 3: Allgemeine und besondere Topographie von Wien. Wien: Jugend & Volk 1956, S. 380, S. 330