Wundarzt
Wundarzt (lat. chirurgus), im Mittelalter und in der frühen Neuzeit ein bürgerliches Gewerbe.
Nach der Ausbildung zum Bader, die in Wien bereits um 1370 über eine eigene Zeche verfügten, konnte sich diese zu Wundärzten ausbilden lassen, die Verletzungen und äußere Krankheiten behandelten und operative Eingriffe vornahmen; die Behandlung innerer Krankheiten (Diagnose, Medikamentenverordnung, Therapie) war den akademisch ausgebildeten Ärzten (Buchärzten, Medicus) vorbehalten. Die häufige Zusammenarbeit beider übertrug sich auch auf die Ausbildung der Wundärzte, die freiwillig (ab 9. Oktober 1517 pflichtgemäß) an der medizinischen Fakultät der Universität Wien eine Fachprüfung ablegten (Promotion des ersten Dr. chir. 1680). Aufgrund der handwerklichen Ausbildung (in teils altertümlichen Heilpraktiken) sowie der Verknüpfung des Standes der Wundärzte mit dem Badergewerbe genoss das Gewerbe aber lange Zeit eine gewisse Geringschätzung im Vergleich zu den akademisch ausgebildeten Ärzten.
Durch die medizinischen Reformen Gerhard van Swietens wurde die Chirurgie zu einem akademischen Fach, das an der 1754 gegründet medizinisch-praktischen Lehranstalt (ab 1774 chirurgische Klinik, anfangs im Bürgerspital, seit 1784 im Allgemeinen Krankenhaus) gelehrt wurde. Für den Bereich der Armee schuf Joseph II. die Medizinisch-chirurgische Militärakademie (Josephinum).
Mit dem Stand der Wundärzte verschwand im 19. Jahrhundert zunehmend auch die Berufsbezeichnung zugunsten des Chirurgen aus dem allgemeinen Sprachgebrauch.
Quellen
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Innungen und Handelsgremien: Chirurgen und Wundärzte
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Innungen und Handelsgremien, U: Urkunden: Gesamtserie aller Innungen (enthält Urkunden der Innung der Chirurgen und Wundärzte)
Literatur
- Harry Kühnel: Mittelalterliche Heilkunde in Wien. In: Studien zur Geschichte der Universität Wien 5. Graz-Köln: 1965, S. 99 ff.
- Gerlinde Sanford: Wörterbuch von Berufsbezeichnungen aus dem siebzehnten Jahrhundert. Gesammelt aus den Wiener Totenprotokollen der Jahre 1648-1668 und einigen weiteren Quellen. Bern / Frankfurt am Main: Lang 1975 (Europäische Hochschulschriften. Reihe 1: Deutsche Sprache und Literatur, 136), S. 154
- Leopold Senfelder: Öffentliche Gesundheitspflege und Heilkunde. In: Geschichte der Stadt Wien. Hg. vom Altertumsverein zu Wien. Wien: Holzhausen (1916), S. 206 ff. (bes. S. 237 ff.)