Wiener Walzer
Wiener Walzer. Der Wiener Walzer (von walzen = sich drehen, schleifen) ist ein im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts im bayerisch-österreichischen Raum entstandener Tanz im 3/4-Takt für Einzelpaare, wobei die Paare eine doppelte Drehbewegung ausführen, um die eigene Achse und um die Tanzfläche. Als Vorformen des Walzers kann man den Ländler, den Deutschen Tanz und den Langaus bezeichnen.
Um 1750 finden sich erste Belege für die Verwendung des Begriffs "Walzer". Im Stichwort "tanzen" der handschriftlichen "Vocabula Austriaca" von J. Popowitsch wird "walzen" als eine "Art der Teutschen Tänze" bezeichnet, "die man insbesonders das ländlerische Tanzen nennt. Der Tänzer und die Tänzerin hüpfen und drehen sich beständig". Selbstverständlich gibt es auch auf diesem Gebiet der Tanzmusik gegenseitige Beeinflussungen (zum Beispiel zwischen Ländler, Dreher, Steirischer Tanz und ähnlichem) beziehungsweise Überschneidungen der Terminologie.
Zunächst wurde der Walzer teils heftig kritisiert; er sei unmoral, zu rasch und führe zu Überhitzung der Tänzer, ja, er könne zu Krankheit und Tod führen. Seine erste und allgemeine Entwicklungsphase absolvierte der Walzer noch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts; das Vorbild könne "auf dem Tanzsaal des Landvolkes beobachtet werden", heißt es noch 1794. Erst etwas später hat die Stadt die ländlerischen Tänze im allgemeinen und den Walzer im besonderen aufgenommen und gepflegt. Hier erst wurde er zu einer Mode, die rasch auch Eingang in andere Musiksparten, wie die Bühnenmusik, fand (1786 wurde in der Oper "Una cosa rara" von Vicente Martin y Soler erstmals ein Walzer auf einer Bühne getanzt) und die in zahlreichen neugeschaffenen Tanzsälen der Stadt gepflegt und schließlich zum gesellschaftlichen Ereignis des Wiener Kongresses (1814/1815) wurde.
Eine besondere Form des Walzers ist der "Wiener Walzer" (andere Formen wären etwa der "Pariser Walzer" oder der russische Walzer, der als besonders rasch galt, sowie der English Waltz), eine Bezeichnung, die erstmals 1811 auftritt. Die entscheidendste, wahrhaft weltweite Wirkung hat der Walzer als Kunstwalzer erzielt. Dabei entspricht die Bezeichnung "Wiener Walzer", die man streng genommen nur dieser Form beilegen sollte, weitgehend den tatsächlichen Verdiensten dieser Stadt. Den Ausgangspunkt dieser hochstilisierten Form bildet der Walzer des bürgerlichen Wien um 1800. Komponisten wie Anton Eberl, Carl Ditters von Dittersdorf, Anton Diabelli und insbesonders Michael Pamer haben Werke dieses Genres geschaffen.
Um diese Zeit setzte auch die entscheidende Stilisierungswelle ein, unter anderem wurden Tanzmelodie und -begleitung voneinander getrennt, Melodik und Tanzart allgemein veredelt; schrittweise folgte die Einführung von Coda und Einleitung. Um 1820 ist jener zwischen Tanz- und Konzertmusik stehende Typus ausgebildet, der durch die Großmeister des Walzers im Vormärz (Josef Lanner, Johann Strauß Vater [der die moderne Walzerform prägte und den "Wiener Ton" erfand]) sowie durch Strauß' Söhne Johann, Josef und Eduard zur höchsten Vollendung gebracht und durch deren Reisen in alle Welt getragen wurde; der Walzer hat seither kaum noch entscheidende formale, wohl aber stilistische und technische Veränderungen erfahren (Angleichung an den üblichen symphonischen Orchesterstil).
Der Walzer hat als lebendige Milieuschilderung Eingang in Operette, Ballett und Oper gefunden (beispielsweise Richard Strauss, Hector Berlioz, Charles Gounod). Speziellere Formen des Kunstwalzers (Chopin, Liszt, Brahms) führen durch weitere Stilisierungen von der ursprünglichen Form des Wiener Walzers weg. Im Gegensatz zu anderen Formen wird der klassische Wiener Walzer auch heute noch mit Linksdrehung getanzt und gilt als wienerischster aller Tänze und repräsentativster Gesellschaftstanz.
Literatur
- Rudolf Flotzinger / Gernot Gruber [Hgg.]: Musikgeschiche Österreichs. Band 2: Vom Barock zum Vormärz. Wien [u.a.]: Böhlau 1995, S. 338 ff.
- Richard Bamberger [Hg.]: Österreich-Lexikon in zwei Bänden. Wien: Verlags-Gemeinschaft Österreich-Lexikon 1995
- Franz Endler: Das Walzer-Buch. Johann Strauß. Die Wriener Aufforderung zum Tanz. 1975
- Reingard Witzmann: Der Ländler in Wien. 1976, S. 56 ff.
- E. Nick: Vom Walzer zur Wiener Operette. 1954
- Gottfried Heindl: Wien. Brevier einer Stadt. 1972, S. 212 ff.
- Gesellschaft der Freunde Wiens. Unterlage zur Ausstellung im Bezirksmuseum Mariahilf, 1991 Dieser Artikel bedarf einer Überarbeitung. Näheres ist auf der Diskussionsseite angegeben. Helfen Sie bitte mit, ihn zu verbessern, und entfernen Sie anschließend die Markierung {{Überarbeiten}}.