Becherlhof
48° 12' 25.10" N, 16° 22' 33.37" E zur Karte im Wien Kulturgut
Becherlhof (1., Kumpfgasse 9; Konskriptionsnummer 828).
Ursprünglich bildete das Haus einen Teil des weiträumigen Ramhofs (1, Kumpfgasse 11). Als Becherlhof wurde von Albert Camesina das Haus Stadt 817 (Kumpfgasse 11, Teil) und von Eduard Castle das Haus Stadt 827 (Kumpfgasse 7) angegeben, beide Zuordnungen sind jedoch falsch.
Schildname
Mit dem Becherlhof ist eine Sage verknüpft: Der deutsche Ordensritter Hans von Cobenzl war 1576 kaiserlicher Gesandter am Hof Iwans IV. des Schrecklichen zu Moskau. Bei einem Gastmahl, bei welchem dem Zaren von Verschwörern Gift in seinen goldenen Becher geträufelt worden war, verhinderte Cobenzl das Attentat, worauf ihm Iwan unter anderem den kostbaren Becher schenkte, den die späteren Freiherren und Grafen Cobenzl in ihr Wappen nahmen. Hans, 1581 nach Wien zurückgekehrt, habe das Haus erworben, es umgestaltet und "Zum Becher" beschildet. Urkundlich lässt sich hingegen nachweisen, dass der Becherlhof seinen Namen auf Ursula, die Witwe des Bäckers Johann Adam Spiegel, zurückleitet, die in zweiter Ehe den Namen Becherl führte. Ursula hinterließ das Haus 1731 ihren Kindern. Hans von Cobenzl könnte zwar in diesem Haus gewohnt haben, er besaß es jedoch nie.
Geschichte des Hauses
Aufgrund eines Teilungsbriefes vom 4. Dezember 1569 wurde das Gebäude vom Ramhof abgetrennt und bildete nun ein eigenständiges Objekt. In den folgenden hundert Jahren konnten einige Besitzer ihre Schulden nicht bezahlen, wodurch das Haus mehrfach vom Gericht eingezogen und verkauft wurde. 1690 erbten es zwei Brüder im Fall, dass sie Priester würden. Da aber nur einer Priester wurde, wurde das Testament von seinem Bruder angefochten. Der dadurch entstandene Rechtsstreit konnte erst durch das Eingreifen des Stadtrates entschieden werden, der das Haus verkaufte und die beiden Brüder zu gleichen Teilen abfertigte.
1823/1824 wurde das alte Haus abgetragen und durch das heutige Gebäude ersetzt, das auf einer Grundfläche von 474 Quadratmetern steht. Über dem Tor wurde ein halbrundes Amourettenrelief und über den danebenliegenden beiden Parterrefenstern wurden halbrunde Reliefs mit Pflanzenrankwerk angebracht.
1843 bis zu seinem Tod 1867 war das Haus im Besitz von Johann Michael Offner (1797-1867), der sich mit dem Erlös aus dem Verkauf der Herrschaft Waldenstein 1842 in Wien als Privatier niedergelassen hatte. 1884 wohnte der Komponist Hugo Wolf in einer Wohnung im vierten Stockwerk, von wo aus er einen schönen Ausblick auf den Turm des Stephansdomes hatte.
Obwohl das Haus im Zweiten Weltkrieg keinen direkten Treffer erlitt, wurde das Dach durch die Druckwellen der in der Nähe explodierten Bomben teilweise abgedeckt.
Literatur
- Renate Wagner-Rieger: Das Wiener Bürgerhaus des Barock und Klassizismus. Wien: Hollinek 1957 (Österreichische Heimat, 20), S. 64
- Wilhelm Kisch: Die alten Straßen und Plätze von Wiens Vorstädten und ihre historisch interessanten Häuser. (Photomechan. Wiedergabe [d. Ausg. v. 1883]). Cosenza: Brenner 1967, Band 1, S. 552
- Justus Schmidt / Hans Tietze: Dehio Wien. Wien: A. Schroll 1954 (Bundesdenkmalamt: Die Kunstdenkmäler Österreichs), S. 86
- Emmerich Siegris: Alte Wiener Hauszeichen und Ladenschilder. Wien: Burgverlag 1924, S. 79
- Margarete Girardi: Wiener Höfe einst und jetzt. Wien: Müller 1947 (Beiträge zur Geschichte, Kultur- und Kunstgeschichte der Stadt Wien, 4), S. 25 ff.
- Josef Bergauer: Das klingende Wien. Erinnerungsstätten berühmter Tondichter. Wien: Günther 1946, S. 32
- Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 3: Allgemeine und besondere Topographie von Wien. Wien: Jugend & Volk 1956, S. 318
- Paul Harrer-Lucienfeld: Wien, seine Häuser, Menschen und Kultur. Band 4, 3. Teil. Wien ²1955 (Manuskript im WStLA), S. 651-653