Andreas Okopenko
Andreas Okopenko, * 15. März 1930 Kosice, † 27. Juni 2010 Wien, Schriftsteller und Lyriker.
Biografie
Andreas Okopenko wuchs in einer vielsprachigen, sehr rückständigen Region der Tschechoslowakei auf, der Karpato-Ukraine. Zu Hause wurde Deutsch gesprochen, in der Umgebung Slowakisch, Ukrainisch oder gemischten Phantasiesprachen, in denen sich Ukrainer, Slowaken, Tschechen, Juden, Roma oder Deutsche miteinander unterhielten. Okopenko meinte, dass ihm in dieser “Sprachzerrüttung“ das Hin und Her der Wörter schon von frühester Kindheit an gefallen habe.
1939, nach der kurzen Selbstständigkeit der Karpato-Ukraine flüchtete die Familie nach Wien, zwei Jahre arbeitete der Vater im Krankenhaus Am Steinhof, bevor er für das Rote Kreuz in der Ukraine tätig wurde. 1945 wurde er für den Rest seines Lebens von der Familie getrennt, die Sowjets schickten ihn ins Lager; er wurde 1952 amnestiert und starb 1965 in Moskau. Die dramatische Kindheits- und Familiengeschichte taucht in verschlüsselter Form in verschiedenen Werken seines literarischen Lebens auf, ob im “Lexikon-Roman“ (1970) oder im Roman “Kindernazi“ (1984).
Okopenko studierte zunächst Chemie, widmete sich aber ab Beginn der 1950er Jahre zunehmend der Literatur. Sein bekanntestes Werk ist der “Lexikon-Roman“, äußerlich eine Fahrt auf der Donau nach Dürnstein, in der inneren Struktur keine lineare Erzählung mit einer räumlichen und zeitlichen Verlauf, sondern eine Folge von Artikel, die die Möglichkeiten der Wahl und des Abzweigens vom Weg demonstriert. Er kann als Vorform der heutigen Hypertext-Verfahren angesehen werden.
Der Schriftsteller veröffentlichte auch zahlreiche Gedichtbände und Prosawerke, in denen er genaue Beobachtungen und genaue Beschreibung von Empfindungen mit Sprachexperimenten verband. Seine “Spleengesänge“ mit dem Titel “Warum sind die Latrinen so traurig?“ fanden weitere Verbreitung, auch weil sie vom Liedermacher Ulrich Roski vertont wurden.
Okopenko gab von 1951 bis 1953 die Literaturzeitschrift “publikationen“ heraus, in der zahlreiche Angehörige der österreichischen Avantgarde jener Zeit veröffentlichten. Er war Herausgeber der Werke Hertha Kräftners und Ernst Keins. Von 1973 bis 1985 war er Mitglied der Grazer Autorenversammlung; seit 1999 gehörte er dem Österreichischen Kunstsenat an.
2012 wurde der Okopenkoweg in Wien-Floridsdorf nach dem Schriftsteller benannt. Sein Nachlass befindet sich im Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek.
Literatur
- Stefan Maurer: "Mir geht es objektiv gesehen eigentlich sehr, sehr gut": Zum Briefwechsel zwischen Brigitte Schwaiger und Andreas Okopenko. In: Ausnahmezustand. Krisen und Konflikte aus dem Archiv. Hg. von Tanja Gausterer / Arnhilt Inguglia-Höfle / Susanne Rettenwander / Kyra Waldner. Göttingen: Wallenstein Verlag 2024, S. 210–214
- Andreas Okopenko: Erinnerung an die Hoffnung. Gesammelte autobiographische Aufsätze. Wien: Klever 2008
- Klaus Kastberger [Hg.]: Andreas Okopenko. Texte und Materialien. Wien: Sonderzahl 1998 (Forschung/Österreichisches Literaturarchiv, 2)
- Konstanze Fliedl/Christa Gürtler [Hg.]: Andreas Okopenko. Graz/Wien: Literaturverlag Droschl 2004
- Wienbibliothek im Rathaus/Tagblattarchiv: Okopenko, Andreas [Sign.: TP-036824]
- Rathauskorrespondenz, 28.06.2010
Andreas Okopenko im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.