Bruderschaften

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Letzte Änderung am 10.01.2020 durch WIEN1.lanm08son

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Bruderschaften. Die in Wien seit dem 13. Jahrhundert nachweisbaren Bruderschaften waren Vereine mit Rechtspersönlichkeit, eigenem Vermögen (genannt Zeche, danach im weiteren Sinn Zeche = Bruderschaft) und periodisch gewählten Organen. Aus dem Vermögen wurden notleidende Mitglieder unterstützt; es diente auch zum Unterhalt eines bestimmten Altars in einer Wiener Kirche und eines Kaplans, der dort für die Mitglieder Messen las (dort trat die Bruderschaft auch zu Beratungen und zur Wahl ihrer Organe zusammen).

Es gab Bruderschaften, die allgemein zugänglich waren, und solche, die nur bestimmten Berufs- und Gesellschaftsgruppen offenstanden. Erstere widmeten sich nur religiösen und karitativen Aufgaben; zu den bedeutendsten Bruderschaften dieser Art zählten die Gottsleichnamszeche zu St. Stephan und die Dreifaltigkeits-Bruderschaft zu St. Peter.

Von den Bruderschaften, die nur für einen bestimmten Personenkreis reserviert waren, hatten die Handwerkerzechen die größte Bedeutung; sie wirkten als wirtschaftliche Interessenvertretungen und erhielten von der Gewerbebehörde - dem Wiener Rat - verschiedene Agenden zur Wahrnehmung im übertragenen Wirkungsbereich zugewiesen, wie etwa die Warenbeschau, die Vornahme von Meisterprüfungen, die Vermittlung und Ausbildung von Gesellen und Lehrlingen sowie die Überwachung der vom Rat erlassenen Handwerksordnungen.

Zu den bedeutendsten Handwerkerzechen zählten im Mittelalter jene der Goldschmiede, Fleischhacker und Bäcker; um 1370 gab es eine Baderzeche. Gewerbe, die nur eine geringe Zahl von Meistern aufwiesen, schlossen sich in der Regel zu einer gemeinsamen Bruderschaft zusammen; so gehörten der St.-Lukas-Bruderschaft (die ihren Sitz in der Schottenkirche hatte) Maler, Glasmaler, Seidensticker, Goldschlager und Aufdrucker (Vorläufer der Buchdrucker) an.

Bei bestimmten Branchen gab es besondere Bruderschaften von Handwerksknechten (das heißt Gesellen und Lehrlingen); hier stand die Durchsetzung besserer Löhne und Arbeitsbedingungen im Vordergrund.

Bruderschaftlich organisiert waren auch die Kaufleute (Großhändler, Ex- und Importeure), Hausgenossen (Bankiers), Laubenherren (Tuchhändler) und Schreiber (Beamte), weiters die Kranken und Pfründner in den Siechenhäusern und Spitälern sowie die Seelsorgegeistlichkeit bei St. Stephan (siehe Cur).

Zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert wurden den Handwerkerzechen die ihnen übertragenen gewerberechtlichen Kompetenzen allmählich entzogen; als religiöse und soziale Vereinigungen blieben sie jedoch erhalten.

Die nicht fachlich orientierten Bruderschaften gingen in der Zeit der Glaubenswirren stark zurück, nahmen aber ab dem 17. Jahrhundert (gefördert von der katholischen Geistlichkeit) einen neuen Aufschwung. Eine Reihe von Bruderschaftsbüchern hat sich erhalten (so im Wiener Stadt- und Landesarchiv jene der Fischhändler [1587-1759] und der Bäcker [1693-1770; Gründung der Bruderschaft „Zum guten Hirten" am 8. Dezember 1693] und im Wiener Diözesanarchiv das Buch der Gottsleichnamsbruderschaft zu St. Stephan [1504-36]).

Eine über Initiative von Kaiserinwitwe Eleonore von Gonzaga (zweite Gattin Ferdinands II.) begründete Totenbruderschaft wurde am 18. Februar 1638 von Papst Urban VIII. bestätigt (siehe Armensünder-Gottesacker). 1694 begründeten Leopold I. und seine Gattin die Bruderschaft „Zur heiligen Anna" (siehe Annakirche).

Joseph II. hob am 27. November 1783 die damals bestehenden 116 „Confraternitäten und Bruderschaften" auf, vereinigte sie zum Zweck der Unterstützung der Armen in eine einzige („Die Liebe des Nächsten"), deren Einführung am 16. Jänner 1785 in allen Pfarrkirchen der Stadt und der Vorstädte mit feierlicher Andacht vorgenommen wurde, und bestimmte für diese (auf dem Weg über den Religionsfonds) das ganze Kapital der aufgehobenen Bruderschaften (799.248 Gulden); aus dieser Bruderschaft ging später das Wiener Armeninstitut hervor.

Literatur

  • Joseph Bauer: Das Bruderschaftswesen in Nieder-Österreich. Ein Beitrag zur Rechts- und Culturgeschichte Nieder-Österreichs. In: Blätter des Vereines für Landeskunde von Niederösterreich 1885, S. 201 ff.
  • Geschichte der Stadt Wien. Hg. vom Altertumsverein zu Wien. Band 2. Wien: Holzhausen 1900-1905
  • Geschichte der Stadt Wien. Hg. vom Altertumsverein zu Wien. Band 3/1. Wien: Holzhausen 1907, S. 84 ff.
  • Geschichte der Stadt Wien. Hg. vom Altertumsverein zu Wien. Band 5. Wien: Holzhausen 1914
  • Hans Lentze: Die rechtliche Struktur des mittelalterlichen Zunftwesens in Wien und den österreichischen Städten. In: Mitteilungen des Vereines für Geschichte der Stadt Wien 25 (1935), S. 15 ff.
  • Heinz Zatschek: Handwerk und Gewerbe in Wien. Von den Anfängen bis zur Erteilung der Gewerbefreiheit im Jahre 1859. Wien: Österreichischer Gewerbeverlag 1949
  • Maria Capra: Aus den Rechnungsbüchern der Gottsleichnamsbruderschaft bei St. Stephan in Wien. In: Berichte und Mitteilungen des Altertums-Vereines zu Wien 50 (1918), S. 1 ff.
  • Maria Capra: Neujahrbilder der Bruderschaft an der Schottenkirche in Wien. In: Mitteilungen des Vereines für Geschichte der Stadt Wien 1 (1919/1920), S. 81 ff.
  • Heinz Riedel: Die Totenbruderschaft. In: Der österreichische Bestatter 32 (1990), S. 147 ff.
  • Adolf Wolf: Alsergrund-Chronik. Von der Römerzeit bis zum Ende der Monarchie. Wien: Selbstverlag 1981, S. 105 ff.