Burgfriedstreit
Hintergründe
Infolge des Erlasses des Burgfriedsdiploms 1698 kam es zu Konflikten zwischen der Stadt Wien und den örtlichen Grundherren, die sich bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts hinzogen und sich in zahlreichen Gerichtsverfahren der Grundherren gegen den Stadtrat niederschlugen. Da das Burgfriedsdiplom die alleinige Jurisdiktion des Stadtrats innerhalb des Burgfrieds vorsah, fühlten sich viele Grundherren in ihren Rechten beschnitten bzw. benachteiligt und versuchten gegen die Festlegung der Burgfriedsgrenzen und eine befürchtete Ausweitung derselben im Zuge der Errichtung des Linienwalls juristisch vorzugehen. Hinzu kamen auch steuerliche und wirtschaftliche Aspekte. So bedingte die Einrichtung des Burgfrieds, dass an seiner Grenze Mauten fällig wurden, die zum Großteil vom Stadtrat verpachtet wurden und die Grundherren beim Transport ihrer Güter aus den Vorstädten in ihre Besitzungen innerhalb des Burgfriedens betrafen. Die teilweise nur sehr vage Bestimmung der Burgfriedsgrenzen im "Leopoldinum" ließ zudem Streitigkeiten um die Zugehörigkeit einzelner Güter entstehen. Steuerlich war für die Grundherren von Belang, ob sie ins städtische Mitleiden gezogen wurden oder nur die ständische Gült zu entrichten hatten. Zudem fielen Abgaben von grundherrlichen Gütern im Burgfriedsbereich nun dem Stadtrat zu. Die Stadt konnte währenddessen die unübersichtliche Rechtslage teilweise zu ihren Gunsten vereinheitlichen.
Positionierung der Grundherren
War die grundherrliche Gegenwehr um 1700 noch auf einzelne Fälle beschränkt gewesen, so brach der Konflikt 1712 großflächiger aus, als die Stände eine Teilnahme an einer vom Stadtrat initiierten Bereitung der Burgfriedsgrenze verweigerten. Nun sahen die Grundherren auch die Rentabilität ihrer teils durch den Burgfried, teils durch den Linienwall durchschnittenen Grundparzellen in Gefahr. Die Errichtung neuer Stadtteile, wie der Josefstadt, Spittelberg, Lichtental oder des Magdalenengrundes, welche dem rasanten Bevölkerungswachstum entsprach (die Bevölkerung Wiens verdoppelte sich zwischen 1700 und 1750) und der damit verbundene Bauboom brachte die Grundherren in Sorge, an dieser Entwicklung wirtschaftlich nicht angemessen partizipieren zu können.
Ausgang
Zwar gelang es den Grundherren nicht, die 1717 erhobene Forderung nach einer Neufestlegung der Burgfriedsgrenzen durchzusetzen, jedoch erreichten sie, dass die Stadt ihnen für die ihr eigentlich laut Burgriedsdiplom bereits gehörenden Güter teils horrende Ablösesummen zahlte. Ein extremes Beispiel stellt der Erwerb der Güter des Grafen Franz von Sonnau in Margareten, Matzleinsdorf und Nikolsdorf um 115.000 Gulden und 100 Dukaten durch den Stadtrat im Jahr 1727 dar. Die Grundherren gingen also keinesfalls nur geschwächt aus dem Streit hervor, dessen eigentlicher ‚Gewinner‘ der Landesfürst war, dem es gelang, seinem Ziel der administrativen und jurisdiktionellen Vereinheitlichung des Stadtgebietes wesentlich näher zu kommen.
Literatur
- Walter Sauer: Grund-Herrschaft in Wien 1700-1848. Wien: Jugend und Volk 1993 (Kommentare zum Historischen Atlas von Wien, 5)