Carl Ghega
Carl Ritter von Ghega, * 10. Jänner 1802 Venedig, † 14. März 1860 Wien, Eisenbahntechniker.
Biographie
Der Sohn eines Marineoffiziers albanischer Herkunft studierte 1814 bis 1817 am Militärkollegium St. Anna in Venedig, wo er seine Studien mit dem Dipl. Ing.-Licentiat abschloss. Bereits als Fünfzehnjähriger ging er an die mathematisch-naturwissenschaftliche Fakultät der Universität Padua, an der er bereits als Siebzehnjähriger zum Dr. math. et phil. promoviert wurde. Noch im selben Jahr trat er bei der "Inspezione Centrale d’Acqua e Strade" in Venedig ein und begann seine praktische Betätigung bei Straßen-, Wasser- und Brückenbauten in den damals österreichischen Provinzen Italiens, später auch in Tirol.
1825 wurde Ghega nach seiner Beförderung zum Abteilungsingenieur selbständiger Bauleiter in der Provinz Treviso. 1836 erhielt das Bankhaus Rothschild das kaiserliche Privileg zum Bau der "Kaiser Ferdinand-Nordbahn". Im selben Jahr trat er mit Bewilligung der Staatsverwaltung als bevollmächtigter Oberingenieur für die Leitung von Streckenbauten in den Dienst der Kaiser Ferdinand-Nordbahn und reiste 1836/1837 zum Studium des Eisenbahnwesens nach Belgien und England. 1840 bis 1842 war er als "Baudirektionsadjunkt für Tyrol" wieder mit Straßen- und Brückenbauten beschäftigt, unter anderem im Suganatal und über den Finstermünzpass sowie mit dem Projekt der Kettenbrücke über die Etsch bei Mori. Von Februar bis August 1842 unternahm er eine Reise nach Nordamerika, um die neuesten Fortschritte des Eisenbahnwesens kennenzulernen und trat nach seiner Rückkehr als "provisorischer kaiserlicher Staatseisenbahn-Inspektor" in den Dienst der neugeschaffenen Staats-Eisenbahnen-Generaldirektion, wo er mit dem Ausbau der südlichen und südöstlichen Staatseisenbahnlinien betraut wurde, womit ihm auch die Aufgabe der Bezwingung des Semmerings zufiel. Seine in Amerika gewonnenen Erfahrungen und die feste Überzeugung einer entsprechenden Weiterentwicklung des Lokomotivbaues veranlassten ihn, gegen die Ansicht der überwiegenden Zahl einschlägiger Fachleute für die Überquerung des Semmerings im Normalbetrieb einzutreten.
Unterstützt von Regierungsstellen setzte sich Ghega, der inzwischen Generalsinspektor der Staatseisenbahnen geworden war, durch. Bereits 1844 waren die Pläne für die Semmeringbahn fertiggestellt und 1854 konnte die Strecke eröffnet werden, weshalb er als Erfinder der Gebirgseisenbahn gilt. Ab 1848 war Ghega der Hauptverantwortliche für den ganzen Staatsbahnbau der Monarchie (außer Lombardei und Venetien). Er war damit nicht nur Planer sondern leitender Manager für den gesamten Bau der Südbahn sowie neuer Strecken in Tirol, Kroatien und Galizien. 1855 bis 1857 leitete der Techniker den Bau des restlichen Teilstückes der südlichen Eisenbahnlinie von Laibach bis Triest. 1858 wurden die Staatsbahnen privatisiert und 1859 Ghegas Dienststelle, die Zentraldirektion der Staatsbahnen, aufgelassen. Das Ende seiner Berufslaufbahn verbrachte er im Finanzministerium.
Der Techniker verfasste einen allgemeinen Entwurf eines Eisenbahnnetzes für die österreichische Monarchie, der auch die Erfordernisse des Welthandels berücksichtigte, außerdem legte er Projekte für den Ausbau der Bahnlinien in Ungarn vor. 1854 erschien Ghegas "Malerischer Atlas der Eisenbahn über den Semmering".
Ein Denkmal Ghegas befindet sich am Bahnhof Semmering (enthüllt 1869); "Ghega-Stiftung" des Österreichischer Ingenieur- & Architektenvereins (1869). Siehe auch Ghegagasse, Ghegaplatz, Ghegastraße.
Literatur
- Wolfgang Straub: Carl Ritter von Ghega. Wien: Styria Pichler Verlag 2004
- Wolfgang Kos [Hg.]: Die Eroberung der Landschaft. Niederösterreichische Landesausstellung Schloss Gloggnitz. Wien: Falter Verlag 1992
- Steine sprechen, Nummer 87/1988
- Harry Kühnel [Red.]: Das Zeitalter Kaiser Franz Josephs [Katalog zur Niederösterreichischen Landesausstellung in Grafenegg]. Band 2: 1880-1916, Glanz und Elend. Wien: Amt der Niederösterreichischen Landesregierung 1984, S. 192
- Alfred Niel: Carl Ritter von Ghega. Ein Leben für die Eisenbahnen in Österreich. Wien: P. Pospischil 1977
- Hans Markl: Kennst du die berühmten letzten Ruhestätten auf den Wiener Friedhöfen? Band 1: Zentralfriedhof und Krematorium (Urnenhain). Wien: Pechan 1961, S. 87
- Gerta Hartl / Herbert von Patera: Straßen, Brücken, Eisenbahnen. Karl Ritter von Ghega. Graz / Wien [u.a.]: Styria 1960
- Neue österreichische Biographie. 1815 – 1918. Band 9. Wien [u.a.]: Amalthea-Verlag 1956
- Österreichisches biographisches Lexikon 1815–1950. Hg. von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften / Wien/Graz: Böhlau 1954-lfd.
- Österreichische Naturforscher und Techniker. Hg. von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Wien: Verlag der Gesellschaft für Natur und Technik 1951, S. 175 ff.
- Constantin von Wurzbach: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich. Enthaltend die Lebensskizzen der denkwürdigen Personen, welche 1750 bis 1850 im Kaiserstaate und in seinen Kronländern gelebt haben. 60 Bände. Wien: Verlag der typografisch-literarisch-artistischen Anstalt 1856-1891. Register 1923
- Geschichte der Eisenbahnen der österreichisch-ungarischen Monarchie. Zum fünfzigjährigen Regierungs-Jubiläum seiner kaiserlichen und königlich-apostolischen Majestät Franz Joseph I. Band 1. Wien [u.a.] 1898
- Friedrich A. Birk: Die Semmeringbahn. Denkschrift zum 25jährigen Jubiläum ihrer Betriebs-Eröffnung. Wien: Lehmann & Wentzel 1879
- Wienbibliothek im Rathaus/Tagblattarchiv: Ghega, Carl von [Sign.: TP-015034]
Carl von Ghega im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.