Ernestine de Bauduin
Ernestine de Bauduin, * 16. April 1852 Arad (Ungarn), † 21. April 1906 Wien, Komponistin.
Biographie
Ernestine de Bauduin, geborene Freistädtl, wurde 1852 in Arad als Tochter von Dr. Joseph Freistädtl und seiner Frau Josephine Ward geboren. Die Stadt Arad gehörte während der Monarchie zur ungarischen Reichshälfte, kam nach dem Zweiten Weltkrieg aber zu Rumänien.
Informationen über die Kindheit und Jugend von Ernestine de Bauduin sind spärlich. Bekannt ist, dass sie in erster Ehe mit dem Maschineningenieur Bauduin van Eys (auch: Lys) verheiratet war und 1892 Franz Freiherr von Buttlar ehelichte, der wesentlich jünger als seine Braut war. Als ihr Lehrer wird ein gewisser Leopold Eder, Hofpfarrkapellmeister und Chorleiter der Wiener Hofkirche St. Augustin, angeführt.
Spätestens ab 1877 wurden ihre Werke in der "Oesterreichischen Buchhändler-Correspondenz" in der Rubrik "Erschienene Neuigkeiten des österreichischen Musikhandels" abgedruckt. Ab diesem Zeitpunkt gelangten die Kompositionen der zu diesem Zeitpunkt knapp 25-jährigen Frau auch regelmäßig zur Aufführung und Ernestine de Bauduin war gern gesehener Gast in den Wiener Salons.
Ernestine de Bauduin komponierte zahlreiche Lieder mit Klavier, Solowerke für Klavier, Violoncello oder Violine sowie Kammermusik und eine Oper. Bekannt wurde sie aber vor allem für ihre Arbeiten im Bereich der Kirchenmusik; Messen, Oratorien und Offertorien. Ab circa 1885 stieg ihr Ansehen als Komponistin in der öffentlichen Wahrnehmung und sie erhielt zahlreiche Auszeichnungen für ihr künstlerisches Werk. Ein Papst Leo XIII. gewidmetes Ave Maria und eine ihm gewidmete Messe veranlassten den Papst dazu, ihr Dankschreiben zu übermitteln und sie zweimal mit einer goldenen Medaille auszuzeichnen. Der Herzog von Coburg-Gotha verlieh ihr die große Medaille für Kunst und Wissenschaft. Um 1890 zierte ihr Konterfei die Titelseiten mehrere Zeitschriften, die der Künstlerin ein Porträt widmeten. Darin wurde nicht nur ihr musikalisches Talent als Schöpferin von rund 200 Kompositionen hervorgehoben, sondern auch die Tatsache, dass sie den Erlös ihrer gedruckten und im Musikhandel vertriebenen Werke ausschließlich wohltätigen Zwecken zur Verfügung stellte. Auch im Ausland habe ihr Talent bereits für Aufsehen gesorgt und Zeitungen in London und Paris hätten darüber berichtet.
Wohltätige Stiftungszwecke und der Bereich der Sakralmusik bildeten für komponierende Frauen nicht selten die Rahmenbedingungen dafür, dass sie öffentlich als Komponistinnen auftreten konnten. Ernestine de Bauduin war um 1890 aber nicht nur als Komponistin bekannt, sondern als Dame der höheren Gesellschaft, die rege am öffentlichen Leben teilnahm, Theater und Konzertsäle besuchte sowie mit ihrem Mann bei gesellschaftlichen Vergnügungen – wie beispielsweise dem Blumenkorso im Prater – in Erscheinung trat.
Wenige Jahre vor ihrem Tod machte die einst gefeierte Komponistin und Gesellschaftsdame nicht mehr aufgrund ihrer Musik, sondern wegen eines laufenden Gerichtsverfahrens Schlagzeilen. In dem bei Gericht anhängigen Prozess ging es um die Zwangsvollstreckung einer ihr zugesicherten Leibrente. Der Berichterstattung über das Verfahren, in das ihr Ehemann verwickelt war, ist zu entnehmen, dass Ernestine de Bauduin 1901 wegen "Schwachsinns" unter Kuratel gestellt worden war. Als sie im April 1906 verstarb, berichteten zahlreiche Wiener Zeitungen über das Ableben der ehemals vermögenden Gutsbesitzersgattin und Komponistin, die durch ihre "Vertrauensseligkeit" um den Großteil ihres Besitzes gebracht worden sei.
Ernestine de Bauduin wurde am 24. April 1906 in der evangelischen Stadtpfarrkirche eingesegnet und auf dem Wiener Zentralfriedhof beigesetzt.
Ein Musikdruck der Papst Leo XIII. gewidmeten Messe befindet sich in der Wienbibliothek im Rathaus.
Literatur
- Ilse Korotin (Hg.): biografiA. Lexikon österreichischer Frauen. Band 1. Wien/Köln/Weimar: Böhlau Verlag 2016, S. 215
- Ingeborg Harer: Von der Berufung zum Beruf? Komponierende Frauen im 18. und 19. Jahrhundert. In: Kosmos Österreich 44 (2013), S. 16–18 [Stand: 24.11.2017]
- Elke Krasny: Stadt und Frauen. Eine andere Topographie von Wien. Wien: Metroverlag 2008, S. 48
- Eva Marx / Gerlinde Haas: 210 österreichische Komponistinnen. Vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Ein Lexikon. Wien: Residenz Verlag 2001, S. 66–71
- Ernestine Bauduin: Papst Leo XIII. Messe in D-dur für Chor, Soli und Orchester op. 203. Wien: Gutmann o. J. Wienbibliothek im Rathaus [Sig.: MS M-3140]
- Gustav Kühle: Hymne "An Ernestine de Bauduin". Für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte Op. 50. Gedicht von Rosa Barach. Wien: Maass o.J. Wienbibliothek im Rathaus [Sig.: Mc-38766]
- Gerichtssaal: Die Leibrente der Baronin Buttlar. In: Neues Wiener Journal, 12.08.1904, S. 8 [Stand: 24.11.2017]
- Todesmeldung. In: Neue Freie Presse, 23.04.1906, S. 10 [Stand: 14.11.2017]
Weblinks
- Erschienene Neuigkeiten des österr. Musikhandels. In: Oesterreichischen Buchhändler-Correspondenz, 24.02.1877, S. 4
- Konzertbericht. In: Wiener Presse, 15.02.1886
- Baronin Ernestine Bauduin. Eine Specialistin für Kirchenmusik. In: Wiener Salonblatt, 28.03.1886, S. 8 f.
- Ernestine Baronin Bauduin. Componistin kirchlicher Musik. In: Die Bombe, 21.12.1890, S. 1 f.
- Porträt: Ernestine Baronin von Bauduin. In: Der Humorist, 01.02.1891, S. 1 f.
- Tagesbericht. Baronin Buttlar Bauduin. In: Neues Wiener Tagblatt, 28.11.1901, S. 5