Gerhard Seicht
Gerhard Seicht, * 28. August 1939 Graz, † 22. Jänner 2013 Wien, Hochschullehrer.
Biografie
Nach seinem Diplomstudium an der damaligen Wirtschaftsuniversität promovierte Gerhard Seicht 1962 mit einer Arbeit über "Die Grenzbetrachtung in der Entwicklung des betrieblichen Rechnungswesens". Im gleichen Jahr begann er seine Laufbahn an der WU als Assistent, zunächst bei Leopold Illetschko, später bei Erich Loitlsberger, bei dem er sich 1969 habilitierte.
Nach einigen Jahren als Leiter der betriebswirtschaftlichen Abteilung in der ÖIAG, in denen er mehrere Rufe an renommierte deutsche Universitäten und nach Stanford erhielt, nahm er schließlich 1972 einen Ruf "seiner" Alma Mater an, an der er zunächst den Lehrstuhl für "Unternehmensführung" und ab 1974 bis zu seiner Emeritierung 2007 den Lehrstuhl für "Betriebswirtschaftslehre der Industrie" ("BWL I") innehatte.
Bereits zu Beginn seiner wissenschaftlichen Karriere standen Fragen des Rechnungswesens im Mittelpunkt. Dieses Interesse war getrieben vom Versuch, das Rechnungswesen für unternehmerische Entscheidungen besser nutzbar zu machen, wie dies beispielsweise im Aufsatz zur "Stufenweisen Grenzkostenrechnung" (ZfB 1963) zum Ausdruck kommt. In seiner Habilitationsschrift "Die kapitaltheoretische Bilanz und die Entwicklung der Bilanztheorien" (Berlin 1970) griff Seicht vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung der Bilanztheorien eine Frage auf, die schon 40 Jahre zuvor zu einer intensiven Diskussion zwischen Wilhelm Rieger und Eugen Schmalenbach geführt hatte: "Wie müssen Bilanz und Erfolgsrechnung gestaltet sein, um dem Unternehmer die Frage nach Weiterbetrieb oder Liquidation zu beantworten?" Eine gekürzte Fassung der Habilitationsschrift erschien unter dem Titel "Bilanztheorien" 1982 bei Physica und 2004 sogar in einer japanischen Übersetzung.
Einen zweiten Schwerpunkt seiner Publikationstätigkeit bildeten Fragen der internen Unternehmensrechnung, wobei neben der "Deckungsbeitragsrechnung" Fragen der "Kostenermittlung im Rahmen staatlicher Preisregelungsverfahren" im Zentrum standen und − ausgehend von einer frühen Auseinandersetzung mit der Investitionstheorie − der Bereich Unternehmensbewertung und Überschuldungsmessung. Aus seiner Gutachtertätigkeit schöpfte er reiches Material für eine theoretisch fundierte Aufarbeitung von Fragestellungen an der Grenze von Betriebswirtschaftslehre und Jurisprudenz.
Neben der Herausgabe mehrerer Sammelwerke wirkte er über mehr als 25 Jahren als Herausgeber für das im Orac-Verlag erscheinende "Jahrbuch für Controlling und Rechnungswesen", das er auch nach seiner Emeritierung fortführte. Des Weiteren war er über viele Jahre Mitglied im Beirat für das "Journal für Betriebswirtschaftslehre".
Mit weit über 300 Veröffentlichungen nahm Gerhard Seicht über viele Jahre Spitzenplätze in diversen Auswertungen für den deutschsprachigen Raum in der Kategorie "Forschungsleistung" ein. Für seine wissenschaftlichen Leistungen erhielt Gerhard Seicht zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse, den Dr. Kausch-Preis (St. Gallen) und den Kardinal-Innitzer-Würdigungspreis.
Einer großen Zahl von WU-Absolventinnen und Absolventen ist "der Seicht" durch die Lehrveranstaltungen aus "Kostenrechnung II" in Erinnerung. Sein Herz hing aber insbesondere an der Speziellen BWL "Industrie". Der umfangreichen Lehrtätigkeit inner- und außerhalb der WU entsprangen auch drei Bücher, die über Jahrzehnte zur Standardliteratur im Bereich Rechnungswesen zählten: Neben "Buchführung, Jahresabschluss und Steuern" (12. Aufl., 2002) sind es vor allem die "Kostenrechnung" (Moderne Kosten- und Leistungsrechnung, 11. Aufl., 2001) und das Buch "Investition und Finanzierung" (10. Aufl., 2001), die sich auch in vielen Bibliotheken von Praktikern finden. Dass "seine" SBWL nach seiner Emeritierung aufgelöst und sein Lehrstuhl umgewidmet wurde, hat ihn schwer getroffen.
WU-Administration Gerhard Seicht war mehrere Jahre Leiter der Studienkommission "Betriebswirtschaft" und des Dienststellenausschusses (heute: Betriebsrat). Er wirkte in zahlreichen Berufungs- und Habilitationskommissionen mit und war über viele Jahre Institutsvorstand des Großinstituts "Industrie, Gewerbe und Fertigungswirtschaft".
Literatur
- Wirtschaftsuniversität Wien: Nachruf auf Gerhard Seicht