Glückshafen
Glückshafen. Zugleich mit dem Schützenfest von 1475 wurde erstmals ein Glückshafen (Lotterie) veranstaltet; der Gewinn der Stadt betrug über 226 Pfund. Über einen weiteren Glückshafen erfahren wir 1532; er wurde erst 1534 wieder geschlossen. Als sich Prediger (unter anderem Johannes Capistran) gegen die Glückshäfen aussprachen, wurden sie für einige Zeit abgeschafft. Erst 1564 (Einzug Maximilians II.) wurde im Rahmen verschiedener Veranstaltungen wieder ein städtischer Glückshafen eingerichtet, in dem man profane und sakrale Gold- und Silbergegenstände gewinnen konnte.
1582 erteilte Rudolf II. dem Nürnberger Bürger Joseph Prüssel eine Bewilligung, Glückshäfen im Heiligen Römischen Reich einzurichten. 1702 wurde ein bis dahin auf dem Petersfreithof situierter Glückshafen wegen des Neubaus der Kirche auf den Graben vor das Hirschenhaus verlegt (Straßengrund vor Nummer 21). Es handelte sich um einfache Bretterbuden, in denen Gold- und Silbergeschirr und andere Preise aus Edelmetall verlockend ausgestellt waren; gegen einen kleinen Einsatz durfte man aus einem Drehfass (dem „Glücksrad") ein Los ziehen. Die von J. E. Schlager für die Jahre 1702 bis 1727 verzeichneten Glückshäfen lassen den Schluss zu, dass diese im 18. Jahrhundert recht häufig gewesen sein müssen. Der Magistrat verpachtete damals das Gewerbe an einen Unternehmer. 1766 eröffnete Johannes Noltz kurz nach dessen Öffnung einen Glückshafen im Prater. In der josephinischen Zeit war Johann Hackel, der 1795 im sogenannten Jakobinerprozess wegen Verschwörung und Landesverrat verurteilt wurde, Besitzer eines Glückshafens am Graben, den er am Allerheiligenmarkt 1788 mit großer Reklame eröffnete (als Hauptgewinn bot er eine Equipage mit zwei Pferden).
Mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts kam das Ende des Glückshafens; das offenkundige Missverhältnis zwischen Treffern und Nieten hatte allmählich den Unmut der Spieler erregt, sodass die Niederösterreichische Statthalterei 1808 die Einstellung des Glücksspiels verfügte. Nur 1809 (am Jubilatemarkt) gab es noch eine Ausnahme, weil sich der Besitzer verpflichtet hatte, aus dem Erträgnis den Fonds der Wohltätigkeitsanstalten zu unterstützen. Am 12. Juni 1813 wurde das Verbot endgültig ausgesprochen. - Glückshäfen waren auch in den Vorstädten üblich sie wurden bei Festlichkeiten auf Straßen oder in Hausfluren aufgestellt.
Da die Losnummern aus einem Drehfass gezogen wurden, sprach man auch vom "Glücksrad" (daran erinnern Hausschilder: beispielsweise "Glücksradl", 2., Karmelitergasse 1/ Große Sperlgasse 6; 9., Althanstraße 11 [1742]; „Zum goldenen Glücksradel“, 9., Liechtensteinstraße 89 [1720]). In der Leopoldstadt mussten die Glückshafenbesitzer eine Abgabe an das Gemeinde- und Strafhaus entrichten; Standorte waren meist der Karmeliterplatz und die Jägerzeile (vor dem Haus "Zur heiligen Dreifaltigkeit"; 2., Praterstraße 78). Den letzten Glückshafen in der Leopoldstadt gab es 1804. Zum Glückshafen.
Literatur
- Adam Müller-Guttenbrunn: Der Glückshafen. In: Alt-Wiener Kalender für das Jahr 1918. Zürich / Wien [u.a.]: Amalthea-Verlag 1918, S. 47 ff.
- Felix Czeike: Der Graben. Wien [u.a.]: Zsolnay 1972 (Wiener Geschichtsbücher, 10), S. 56 ff.
- Franz Gräffer: Kleine Wiener Memoiren und Wiener Dosenstücke. In Auswahl hg. von Anton Schlossar unter Mitwirkung von Gustav Gugitz. München: G. Müller 1918-1922 (Denkwürdigkeiten aus Alt-Österreich, 13/14), S. 53 f.
- Otto Brunner: Die Finanzen der Stadt Wien. Von den Anfängen bis ins 16. Jahrhundert. Wien: Deutscher Verlag für Jugend und Volk 1929 (Studien aus dem Archiv der Stadt Wien, 1/2 ), S. 169
- Emil Carl Blümml / Gustav Gugitz: Von Leuten und Zeiten im alten Wien. Wien: Gerlach und Wiedling 1922, S. 87 ff. (Der Silberglückshafner Josef von Strassern), 199 ff.
- Die Leopoldstadt. Ein Heimatbuch. Wien: Lehrer-Arbeitsgemeinschaft 1937, S. 281
- Josef Richter: Eipeldauer Briefe. In Auswahl hg. von Eugen von Paunel. 2 Bände. München: Müller 1917-1918 (Denkwürdigkeiten aus Alt-Österreich, 17 und 18), Register
- Johann Evangelist Schlager: Wiener Skizzen aus dem Mittelalter. Band 3. Wien: Gerold 1839, S. 156 f., 345, 359 ff.
- Johann Evangelist Schlager: Wiener Skizzen aus dem Mittelalter. Band 4. Wien: Gerold [o.J.], S. 374
- Wilhelm Kisch: Die alten Straßen und Plätze von Wiens Vorstädten und ihre historisch interessanten Häuser. (Photomechan. Wiedergabe [d. Ausg. v. 1883]). Band 1. Cosenza: Brenner 1967, S. 143 f.