Grabennymphen

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Der „Schnepfen-Strich“ am Graben, 1784
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BildnameName des Bildes HMW 062017-001.jpg
BildunterschriftInformation, die unterhalb des Bildes angezeigt werden soll Der „Schnepfen-Strich“ am Graben, 1784

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"Grabennymphen" nannte man in der josephinischen Zeit die abends am Graben promenierenden Prostituierten. Geschäfte wurden hier meistens mittels eines fallen gelassenen Taschentuches angebahnt. Hieronymus Loeschenkohl hat sie 1784 in seinem Blatt "Der Spaziergang des Abends am Graben oder Der Schnepfen-Strich" im Bild verewigt.

Aber nicht nur am Graben, sondern besonders auch in Vorstadtgasthäusern prostituierten sich von Armut und wirtschaftlicher Not getriebene Mädchen und Frauen. Sehr oft sahen sich auch Frauen in schlecht bezahlten Berufen wie etwa Stubenmädchen oder Küchenhilfen dazu gezwungen, als Sexarbeiterinnen ihr Einkommen aufzubessern.

Obrigkeitliche Versuche, die Prostitution einzudämmen wie die von Maria Theresia eingesetzte Keuschheitskommission brachten nicht das erwartete Ergebnis. 1787 versuchte ihr Sohn Joseph II. Männern [!] und Frauen zu verbieten mit dem "Körper Gewerbe zu betreiben und mit Unzucht sich Verdienst [zu schaffen]". Im selben Jahr veröffentlichte Joseph Richter anonym das "Taschenbuch für Grabennymphen". Nur scheinbar handelt es sich bei der kleinen Broschüre, die sich formal an Taschenkalendern orientiert, um einen Ratgeber für Prostituierte. Vielmehr setzt sie sich mit satirisch mit dem Phänomen der Prostitution auseinander, wenn hier etwa zu lesen ist, an welchen Orten "Grabennymphen" in den einzelnen Monaten des Jahres besonders erfolgreich Kunden finden könnten. Wiederholt sieht Richter auch eine Verbindung zwischen Klerus, Gottesdienstbesuchern und Prostituierten. Konsequenterweise enthält das "Taschenbuch" ein "Verzeichnis der vorzüglichsten Kirchtäge mit nöthigen Anmerkungen zum Besten der Grabennymphen". Mit der Richter eigenen Ironie weist er auf eine zu seiner Zeit nicht zu unterschätzende Gefahr hin, die von der Prostitution ausgeht, wenn er im Kapitel "Ueber die vorzüglichsten Verdienste der Grabennymphen" schreibt: "Eines der vorzüglichsten Verdienste ist, daß ihr der halben medizinischen Fakultät zu leben gebt; denn sind die meisten Abzehrungen, die Augenschwächen, und die sogenannten scorburischen Uebel etwas anderes als kleine Grabennymphen-Regalien…?"

Das Taschenbuch für Grabennymphen wurde bis ins 20. Jahrhundert mehrfach neu herausgegeben und kommentiert.

Siehe auch: Prostitution.

Literatur

  • Olaf Link: Kleine Geschichte(n) der Prostitution im alten Wien. Würzburg: Königshausen & Neumann 2021
  • Christine Haug / Johannes Frimmel / Anke Vogel: Erotisch-pornografische Lesestoffe. Das Geschäft mit Erotik und Pornografie im deutschen Sprachraum vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Wiesbaden: Harrassowitz 2015
  • Michaela Lindinger: Die Hauptstadt des Sex. Geschichte & Geschichten aus Wien. Wien: Amalthea 2016
  • Hans-Joachim Jakob: Die Folianten bilden Gelehrte, die Broschüren aber Menschen. Studien zur Flugschriftenliteratur in Wien 178 bis 1791. Frankfurt a. M.: P. Lang
  • Hilde Schmölzer: Die Frau. Das gekaufte Geschlecht. Ehe, Liebe und Prostitution im Patriachat. Bad Sauerbrunn: Edition Tau 1993
  • Felix Czeike: Der Graben. Wien [u.a.]: Zsolnay 1972 (Wiener Geschichtsbücher, 10), S. 63 f.
  • Gottfried Heindl: Wien. Brevier einer Stadt. Wien: Neff 1972, S. 112 ff.
  • Josef Schrank: Die Prostitution in Wien in historischer, administrativer und hygienischer Beziehung. 2 Bände. Wien: Selbstverlag 1886, S. 207 f.
  • Wilhelm Deutschmann / Herbert Spehar / Peter Wrabetz: 200 Jahre Rechtsleben in Wien. Advokaten, Richter, Rechtsgelehrte. Wien: Eigenverlag 1985 (Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien, 96), S. 20 f.
  • Vertraute Briefe zur Charakteristik von Wien. 2 Bände. Görlitz: Hermsdorf & Anton 1793, S. 33 f.
  • Mauriz Schuster: Alt-Wienerisch. Ein Wörterbuch veraltender und veraltetet Wiener Ausdrücke und Redensarten. Wien: Österreichischer Bundesverlag 1983, S. 70