Hammerbrotwerke
Hammerbrotwerke. Sie wurden auf Betreiben des Niederösterreichischen Arbeiterkonsumvereins nach englischen und belgischen Vorbildern errichtet; die außerordentliche Generalversammlung vom 6. Jänner 1898 hatte das Thema Brotfabrik auf der Tagesordnung. Die Genossenschafter besuchten insbesondere Gent, wo für die dortigen Weber eine vorbildliche Brotfabrik betrieben wurde (in der bereits der Achtstundentag galt); auch in der Monarchie gab es einige Großbäckereien, darunter die 1899 gegründete „Aussiger-Arbeiter-Bäckerei". Die christlichoziale Fraktion versuchte mit Hilfe eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof den Bau der parteieigenen Bäckerei zu verhindern, doch entschied das Gericht klar für die sozialdemokratische Planung und den Bau der Fabrik (1908/1909), der den Architekten Hubert Gessner und Franz Gessner übertragen wurde; die Fabrik entstand jedoch nicht, wie ursprünglich vorgesehen, in Favoriten, sondern außerhalb der Stadt bei Schwechat (Jesuitenmühle).
In der Genossenschaftssitzung vom 26. Februar 1909 wurde auf Anraten von Benno Karpeles beschlossen, auch eine Getreidemühle zu errichten (Mehrkosten 1,6 Millionen Kronen), da ansonsten eine Unrentabilität der Fabrik zu befürchten stand. Die Eröffnung der Brotfabrik (samt Dampfmühle) in Schwechat erfolgte am 20. Juni 1909 (auch der Mühle der Firma „Skaret, Hanusch & Co." OHG). Ein Kornsilo faßte 250 Waggons Getreide, die Mühlenkapazität pro Tag erreichte zehn Waggons Getreide; in der Brotfabrik gab es Knetmaschinen für eine Tagesleistung von 75.000 kg Teig. Die Fabrik entsprach modernsten hygienischen Erfordernissen; alle Wände waren verfliest, die Sanitäranlagen für die Arbeiter waren vorbildlich (es gab auch Duschen). Eine Garage mit Tankstelle war vorhanden.
Sofort nach der Eröffnung wurde das eindeutig als sozialdemokratisch identifizierbare „Hammerbrot" zur Konkurrenz der eigenen Arbeiterkonsumvereine, da die Unternehmensführung kapitalistisch orientiert war (intensive Werbung); die knallroten „Orion"-Autos lieferten bald an 1.000 Verkaufsstellen aus. Das Emblem der Bäckerei war ein roter Hammer in rotem Ährenkranz.
Während des Ersten Weltkriegs pachteten die Hammerbrotwerke zur Deckung des Bedarfs in Wien 24 kleinere Bäckereien und nahmen auch den Handel mit Nahrungsmitteln auf. 1919 wurde in Floridsdorf (Schwaigergasse 19) eine zweite Großbäckerei eröffnet, deren Kapazität die jener in Schwechat übertraf; wenig später wurde noch eine weitere Bäckerei in der Leopoldstadt gepachtet und neu ausgestattet. 1923 erfolgte die Umwandlung der OHG in eine AG (30 Verkaufsfilialen in Wien und Umgebung, rund 1.400 Mitarbeiter). 1930 wurde die Marietta-Konditorei in Wien errichtet, bis 1937 erzwang jedoch die Rezession eine Verringerung der Belegschaft auf rund 700 Beschäftigte. Die Wiener Kronenbrotwerke wurden 1937 übernommen und im selben Jahr stillgelegt. Nach mehrfachem Besitzerwechsel waren die Hammerbrotwerke an die Schoeller-Gruppe gelangt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Wiener Produktion 1959/1960 im Floridsdorfer Werk konzentriert (Tochtergesellschaften waren die Marietta-Konditorei und die Wiener Neustädter Brotfabrik). Die Schoeller-Gruppe, die auch die Ankerbrotfabrik kontrollierte, bemühte sich um eine Fusion beider Firmen, die 1970 auch tatsächlich erfolgte; 1972 wurde der Floridsdorfer Betrieb geschlossen.
Quellen
Literatur
- Zeitgeschichte, 16/1989, Heft 3 (Gründung)
- Franz Mathis: Big Business in Österreich l, Wien 1987, S. 138 f.
- H. Berka: Geschichte der Gewerkschaft der Bäckereiarbeiter (o. J.), S. 47ff.
- Karl Leuthner: Die gemeinnützige Brotfabrik, in: Jahrbuch KVV 1908, S. 51 f.
- W. Posch: Wien um 1900, Wien 1985, S. 510
- Max Winter: Die Hammerbrotwerke, in: Arbeiter-Zeitung. Zentralorgan der Sozialistischen Partei Österreichs. Wien: Vorwärts-Verlag, 20. 6. 1909