Heimarbeit

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Heimarbeit. Bereits Ende 18. Jahrhundert war für Wien das Nebeneinander von zentralisierter Manufaktur und verlegter Heimarbeit für noch wenig mechanisierte Erzeugnisse (wie die Seidenverarbeitung oder Weberei von feinen Wolltuchen) typisch. Durch die dezentral ausgelagerte Heimarbeit wurden Anlagekosten gespart; sie erlaubte eine flexiblere Reaktion auf Nachfrageschwankungen. Mit dem Aufstieg Wiens zum Zentrum der Bekleidungsindustrie der Monarchie und dem forcierten Einsatz der Nähmaschine ab den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts erfolgte eine weitgehende Dezentralisierung der Bekleidungsproduktion in Heimarbeit. Es bildete sich ein weitverzweigtes System von Subunternehmungen - an denen vor allem Frauen beteiligt waren - heraus: Frauen von Handwerkern, Beamten usw. waren in der Bekleidungsindustrie hauptsächlich als Zwischenmeisterinnen tätig; sie beschäftigten andere Frauen und Mädchen als Näherinnen oder vergaben „Kundenarbeiten" in Heimarbeit. Dieses als „Schwitz-System" bezeichnete Arbeitsverhältnis führte zu starker Belastung und geringen Löhnen, vor allem wenn mehrere Zwischenglieder zwischen Zentralbetrieb und Heimarbeit eingeschaltet waren.

Die Heimarbeit von Frauen war im 19. Jahrhundert daher in Wien (wie auch in anderen europäischen Städten) hauptsächlich in der Bekleidungsindustrie anzutreffen. 1902 betrug die Anzahl der Heimarbeiter(innen) in Wien 30.822; davon waren ein Drittel in der Bekleidungsindustrie beschäftigt (insgesamt 24.813), besonders in den Zweigen Wäscherei, Herren- und Damenschneiderei, Schuhmacherei und Wäschekonfektion. Während die Heimarbeit bei den Männern nach der Jahrhundertwende einen deutlichen Rückgang verzeichnete, war sie bei den Frauen im Zunehmen begriffen. 1921 vermerkten die Gewerbeinspektoren für Wien einen „bisher nicht beobachteten Aufschwung". Besonders in der Stickerei und Strickwarenerzeugung waren in diesen Jahren in Wien rund 23.000 Frauen als Heimarbeiterinnen tätig. Bis in die 30er Jahre blieb in Wien die Heimarbeit für Frauen (speziell für die Altersgruppen zwischen 31 und 40 Jahren) ein dominierender Erwerbszweig. So ergab eine Untersuchung aus dem Jahr 1928, dass von der Gesamtzahl der Heimarbeit in Wien 94,9% Frauen waren. Dieser Anteil variierte zwar in den einzelnen Erzeugungsbranchen, betrug aber insgesamt durchschnittlich 90%. Im selben Jahr waren in Wien 4.200 Heimarbeiter(innen) bei der Wiener Heimarbeiterkrankenkasse (nur 89 davon waren Männer). 1930 waren in Wien 12.685 Personen in Heimarbeit beschäftigt (der Frauenanteil betrug 8.496 beziehungsweise 67%). Noch 1960 gab es in Österreich 16.979 Heimarbeiter, von denen 5.408 in Wien arbeiteten.

Siehe auch Frauenarbeit


Literatur

  • Josef Ehmer: Familienstruktur und Arbeitsorganisation im frühindustriellen Wien. Wien: Böhlau 1980
  • Gerhard Meißl / Renate Banik-Schweitzer: Industriestadt Wien. Die Durchsetzung der industriellen Marktproduktion in der Habsburgerresidenz. Wien: Deuticke 1983 (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, 11)
  • Edith Rigler: Frauenleitbild und Frauen in Österreich vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis zum Zweiten Weltkrieg. Wien: Verlag für Geschichte und Politik 1976 (Sozial- und wirtschaftshistorische Studien, 8)