Johann Lukas Boër
Johann Lukas Boër (bis 1785 Boogers), * 20. April 1751 Uffenheim, Grafschaft Ansbach, † 19. Jänner 1835 Alsergrund 197 (9., Garnisongasse 1; Währinger Allgemeiner Friedhof), Geburtshelfer, Gattin (1793) Eleonora Jacquet, Tochter des Hofschauspielers Karl Jacquet und Tante der Hofschauspielerin Antonie Adamberger.
Biografie
Studierte in Würzburg bei Caspar Siebold, kam 1771 nach Wien (1778 Mag. chir., 1780 Mag. artis obstetr.), wandte sich hier unter dem Einfluß des Leibwundarzts Anton Josef Rechberger der Geburtshilfe zu und arbeitete an dessen Gebärabteilung im St. Marxer Spital. Von Rechberger übernahm Boër, der ab 1784 Chirurg des Waisenhauses war, die Grundsätze seiner später so bedeutenden Lehre von der natürlichen Geburtshilfe (weitgehender Verzicht auf die Anwendung der geburtshilflichen Zange und so weiter). Nach einer auf Wunsch Josephs II. 1785-1788 unternommenen Studienreise (Holland, England, Frankreich, Italien) - damals erfolgte auf kaiserlichen Wunsch auch die Namensänderung - wurde Boër 1788 kaiserlicher Leibchirurg und 1789 Leiter der Abteilung für arme Wöchnerinnen im Allgemeinen Krankenhaus. Gleichzeitig wurde ihm der praktische Unterricht in Geburtshilfe (ab 1808 ordentlicher Professor) und ab 1817 (nach dem Abgang Raphael Steideles) auch die Lehrkanzel für theoretische Geburtshilfe an der Universität Wien übertragen. Dies alles erreichte er, weil ihm der Kaiser, obwohl Erzherzogin Elisabeth (die Gattin des späteren Kaisers Franz II.) nach der Entbindung (1790) gestorben war (wofür man ihm die Schuld gab, ohne ihm ein Fehlverhalten nachweisen zu können), ihm sein Vertrauen nicht entzog. Vielfach angefeindet, trat Boër 1822 von seinen Lehrämtern zurück. Durch seine Tätigkeit wurde Wien zum führenden Zentrum der modernen Geburtshilfe. Seine grundlegenden Lehren veröffentlichte er in verschiedenen Schriften (unter anderem "Abhandlungen und Versuche geburtshilflichen Inhalts", drei Hefte, 1791-1793; "Sieben Bücher über natürliche Geburtshilfe", lateinisch 1830, deutsch 1834). Dr. med. et chir. h. c. Universität Wien (1794). Siehe auch Boërgasse.
Literatur
- Allgemeine Deutsche Biographie. Hg. von der Historischen Commission bei der königlichen Akademie der Wissenschaften. 56 Bände. Leipzig: Duncker & Humblot 1875-1912
- Isidor Fischer [Hg.]: Geschichte der Geburtshilfe in Wien. Leipzig: F. Deuticke 1909, S. 166 ff.
- Elisabeth Hermann: Beiträge zur Geschichte des Lehrkörpers der Medizinischen Fakultät der Universität Wien im 18. Jahrhundert. Diss. Univ. Wien. Wien 1981, S. 18 ff.
- Raphael Ferdinand Hussian: Dr. Lucas Johann Boēr's ... Professor der ... Geburtshilfe ... Leben und Wirken. Wien: Mechitaristen 1838
- Erna Lesky: Die Wiener medizinische Schule im 19. Jahrhundert. Wien [u.a.]: Böhlau 1965 (Studien zur Geschichte der Universität Wien, 6), S. 71 ff.
- Max Neuburger: Die Wiener Medizinische Schule im Vormärz. Wien [u.a.]: Rikola-Verlag 1921, S. 1 ff., 22 ff.
- Julius Leopold Pagel [Hg.]: Biographisches Lexikon hervorragender Ärzte des neunzehnten Jahrhunderts. Berlin / Wien: Urban & Schwarzenberg 1901
- Theodor Puschmann: Die Medicin in Wien während der letzten 100 Jahre. Wien: Perles 1884, S. 87 ff.
- Österreichisches biographisches Lexikon 1815–1950. Hg. von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften / Wien/Graz: Böhlau 1954-lfd.
- Leopold Schönbauer: Das medizinische Wien. Geschichte, Werden, Würdigung. Wien: Urban & Schwarzenberg 1947, Register
- Heinrich Rohlfs: Geschichte der deutschen Medizin. Band 2. Leipzig: Hirschfeld 1880, S. 343 ff.
- E. Vogl: Der Streit um Boër. Med. Diss. Univ. Wien. Wien 1943
- Agathon Wernich / August Hirsch: Biographisches Lexikon der hervorragenden Aerzte aller Zeiten und Völker. Wien [u.a.]: Urban u. Schwarzenberg 1884-1888
- Helmut Wyklicky: Von der Gründung der ersten Frauenklinik in Wien (1789) bis zur Berufung Friedrich Schautas (1891). In: Wiener klinische Wochenschrift 102 (1990), S. 345 ff.