Karl Kraus-Film
Abseits einer Festschrift wurde Karl Kraus zu seinem 60. Geburtstag im Jahr 1934 mit der Aufnahme eines Tonfilms beschenkt, der eine kurze Vorlesung von ihm für die Nachwelt festhalten sollte. Initiator des Unternehmens war Karl Járay, der auch die Festschrift und Geburtstagsfeierlichkeiten organisierte und den Film finanzierte.
Die Aufnahmen fanden wohl nach den Februarkämpfen in Prag statt. Albrecht Viktor Blum (1888-1959) drehte in der Paris-Prag-Filmgesellschaft den 17 Minuten und 23 Sekunden langen Film, in dem Kraus "Zum ewigen Frieden", "Die Raben", "Reklamefahrten zur Hölle" und "Weg damit!" las. Der in vielerlei Hinsicht seltsame Film zeigt einen gealterten, bereits kranken Kraus, der - einer untergegangenen Sprechkultur zugehörig - heute befremdet.
Obgleich Albrecht Viktor Blum zu den versiertesten Regisseuren der Weimarer Republik gehörte und mit Erwin Piscator, Friedrich Wilhelm Murnau und Bela Balász gearbeitet hatte, gebrauchte er im Kraus-Film keine besonderen Aufnahme- oder Schnitttechniken, sondern fixierte Kraus einfach frontal mit der Kamera. Möglicherweise wurde dieser Verzicht auf alle filmischen Kunstfertigkeiten von Kraus und Jaray vorgegeben.
Am 29. April 1934 wurde dann der 60. Geburtstag von Kraus mit einer Matinee im Schwedenkino in der Taborstraße 1 begangen und der Film gezeigt.
Karl Jaray rettet schließlich den Tonfilm "Karl Kraus. Aus eigenen Schriften" ins Exil und übergab nach dem Krieg die 35mm-Kopie dem Kraus-Archiv der Wienbibliothek im Rathaus.
Quellen
Literatur
- Brigitte Stocker: Rhetorik eines Protagonisten gegen die Zeit : Karl Kraus als Redner in den Vorlesungen 1919 bis 1932. Wien u.a.: LIT-Verlag 2013
- Friedrich Pfäfflin / Eva Dambacher [Hg.]: Karl Kraus. Aus eigenen Schriften. Tonfilm aus dem Jahre 1934. Beiheft 5 zum Marbacher Katalog 52. Marbach: Deutsche Schillergesellschaft Marbach 1999