Ludwig Leser
Leser Ludwig, * 11. August 1890 Neufeld an der Leitha, † 30. Oktober 1946 Wien, sozialdemokratischer Politiker, Landeshauptmann des Burgenlandes.
Im Auftrag der Stadt Wien hat eine HistorikerInnen-Kommission die historische Bedeutung jener Persönlichkeiten, nach denen Wiener Straßen benannt sind, von 2011 bis 2013 untersucht sowie eine zeithistorische Kontextualisierung vorgenommen. Aufgrund der daraus gewonnenen Erkenntnisse zur historischen Einordnung von Ludwig Leser wurde der Straßenname als Fall mit Diskussionsbedarf eingeordnet.
Biographie
Ludwig Leser, Sohn eines Portiers und späteren Materialverwalters in der Jutefabrik von Neufeld an der Leitha im heutigen Burgenland, besuchte die Volksschule in Neufeld, anschließend sechs Klassen des Benediktinergymnasiums in Ödenburg (Sopron) und die dortige Handelsakademie, wo er 1910 die Matura ablegte. Beruflich war Leser zunächst als kaufmännischer Angestellter in Triest tätig, sodann als Journalist für ungarische Zeitungen. 1918 trat er eine Stellung als Fabriksbeamter in der Jutefabrik von Neufeld an.
Bereits vor 1918 war Leser politisch in der sozialdemokratischen Bewegung aktiv. In der ungarischen Räterepublik fungierte er als Gaukommissär für das Komitat Deutschwestungarn, wobei er sich auf dem Gebiet des Schulwesens und der Kulturpolitik hervortat. Nach der Etablierung des Horthy-Regimes in Ungarn wurde Leser 1921 wegen Hochverrats zeitweise in der Haftanstalt Steinambrückl (Sopronköhida) inhaftiert. Von der SDAP wurde er im selben Jahr in die Landesverwaltungsstelle für das Burgenland entsandt. Dem burgenländischen Landtag gehörte er 1922 bis 1934 an, im selben Zeitraum fungierte er durchgehend als Landeshauptmann-Stellvertreter des Burgenlandes. Für sein politisches Engagement zugunsten eines Anschlusses Österreichs an Deutschland erhielt er 1931 das Ehrendoktorat der Universität Heidelberg. Nach den Ereignissen des 12. Februar 1934 floh Leser nach Pressburg, später nach Brünn und Prag. In der Tschechoslowakei arbeitete Leser u.a. als Dozent an der Masaryk-Volkshochschule, später als Kaufmann und Inhaber einer Exportfirma.
Im August 1939 wurde Leser in Prag von der Gestapo verhaftet und arbeitete ab Oktober unter den Decknamen "Lederer" bzw. "S26" als V-Mann für die Gestapo. Die genauen Hintergründe – ob aus Zwang oder freiwillig – sind nicht bekannt. Leser informierte die Gestapo gegen ein Salär von 400 RM, später 200 RM über frühere sozialdemokratische Weggefährten im europäischen Ausland. Seine Konfidentenberichte bezogen sich etwa auf Wilhelm Böhm (auch: Vilmos Böhm), Ignaz Till und Julius Deutsch.
Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte Leser nach Österreich zurück und ließ sich in Wien nieder. Hier agitierte er für die Wiedererrichtung des im Oktober 1938 zwischen Niederösterreich bzw. Niederdonau und der Steiermark aufgeteilten Burgenlandes. Am 12. September 1945 wurde er auf Drängen Karl Renners von der Provisorischen Staatsregierung zum provisorischen Landeshauptmann des Burgenlandes ernannt. Nach den Wahlen im November 1945 bekleidete er vom 4. Jänner 1946 bis zu seinem überraschenden Tod im Oktober 1946 das Amt des Landeshauptmann-Stellvertreters.
In Wien-Simmering (11. Bezirk) wurde die Lesergasse nach Ludwig Leser benannt.
Werke
Die burgenländische Schulschande. Wiener Neustadt: Gutenberg 1925
Literatur
- Albert Gernot Absenger: Sozialdemokrat Ludwig Leser. Politische Karrieren zwischen Komintern und Antikomintern. Diss. Univ. Wien. Wien 2009
- Peter Autengruber / Birgit Nemec / Oliver Rathkolb / Florian Wenninger: Umstrittene Wiener Straßennamen. Ein kritisches Lesebuch. Wien: Pichler Verlag 2014, S. 160 f.
- Norbert Leser: Grenzgänger. Österreichische Geistesgeschichte in Totenbeschwörungen. Band 2. Wien [u.a.]: Böhlau 1982, S. 113 ff.
- Norbert Leser [Hg.]: Werk und Widerhall. Große Gestalten des österreichischen Sozialismus. Wien: Verlag der Wiener Volksbuchhandlung 1964, S. 245 ff.
- Hans-Dieter Zsilla: Ludwig Leser. Die Jugendjahre eines burgenländischen Politikers. Hausarbeit der Univ. Wien. Wien 1976