Maximilian Harden
Maximilian Harden, * 20. Oktober 1861 Berlin, † 30. Oktober 1927 Montana-Vermala (Schweiz), Journalist.
Biografie
Werdegang
Maximilian Harden wurde als Felix Ernst Witkowski in Berlin geboren. Die Eltern Arnold Witkowski und Ernestine Krakau waren jüdischer Herkunft. Sie entstammten Kaufmannsfamilien und kamen ursprünglich aus Posen. Die Familie hatte neun Kinder. Die sozialen Verhältnisse waren schwierig und konfliktbelastet. Der Vater kam mit den Kindern nicht zurecht, sodass die Spannungen wuchsen. 1874 reichte die Mutter die Scheidung ein. Harden, der die Volksschule besucht hatte und anschließend das französische Gymnasium am Reichstagsufer, wurde dem Vater zugesprochen. In dieser für ihn belastenden Situation floh er immer wieder zur Mutter. Der Vater reagierte darauf, indem er den Sohn von der Schule nahm und ihn zu einer Kaufmannslehre anmeldete. Harden musste trotz hervorragender schulischer Leistungen das Gymnasium verlassen.
In der Schule hatte Harden eine große Affinität zum Theater entwickelt. Kaum 14 Jahre alt, sagte er sich endgültig von zuhause los und schloss sich einer Theatergruppe an, mit der er durch Deutschland zog. Der Namenswechsel erfolgte in dieser Zeit – wohl um mit der Herkunft zu brechen. 1878, nach dem Tod des Vaters, ließ er den neuen Namen offiziell eintragen und konvertierte zum Protestantismus.
1884 beendete er sein Wanderleben als Schauspieler und kehrte nach Berlin zurück. Dort etablierte er sich als Journalist, indem er Theaterkritiken und Essays schrieb. Durch politische Beiträge in der Zeitschrift "Gegenwart" unter dem Pseudonym "Apostata" erregte er Aufmerksamkeit und wurde als Publizist bekannt. 1888 heiratete er die Pastorentochter Josefine Katarine Joost, von der er sich zehn Jahre später allerdings wieder scheiden ließ. 1919 heiratete er ein weiteres Mal: Aus der mit seiner langjährigen Lebensgefährtin Selma Isaac, geschiedene Frontheim, geschlossenen Ehe ging eine Tochter hervor.
Neben seinen journalistischen Aktivitäten engagierte sich Harden für das moderne europäische Theater. 1889 war er Mitbegründer des Theatervereins "Freie Bühne" in Berlin und wirkte als Berater von Max Reinhardt an der Errichtung des Deutschen Theaters mit.
Am 1. Oktober 1892 gründete er unterstützt von dem Verleger Georg Stilke die Zeitschrift "Die Zukunft". Dem neuen Medium lag folgende Programmatik zugrunde: Positionierung gegen den Zeitgeist, Vetternwirtschaft, Meinungsmanipulation und Durchschnittsjournalistik. Der Sprachstil war bewusst extravagant und mit bildungsbürgerlichen Anspielungen und Vokabeln gespickt. Denn Harden wollte sein Publikum erziehen. Und er wollte explizit Politik durch das Wort betreiben, weshalb er als Chefredakteur und Herausgeber in einer Person fungierte.
"Die Zukunft" erreichte schnell die zu der damaligen Zeit sehr hohe Auflage von 24.000 verkauften Exemplaren pro Woche und Harden wurde zu einer publizistischen Instanz. Sein großes politisches Grundthema fand er im Kampf gegen Kaiser Wilhelm II. und dessen Entourage. Dem Monarchen warf er insbesondere Eitelkeit, Theatralik, politische Unerfahrenheit sowie Abhängigkeit von Beratern vor. Aufgrund von Hardens scharfem journalistischen Stil kam es in der Folge wiederholt zu Prozessen wegen Majestätsbeleidigung und Harden wurde zweimal zu jeweils sechs Monaten Festungshaft verurteilt. Gleichwohl behielt er seine kritische Linie dem Kaiser gegenüber unverändert bei.
Beziehung zu Karl Kraus
Der Erfolg der "Zukunft" führte auch dazu, dass Hardens Beispiel einer kritischen, nicht primär von verlegerischen Interessen bestimmten Publizistik auf den deutschsprachigen Raum insgesamt ausstrahlte. So wurde in Wien Karl Kraus dazu angeregt, 1899 seine Zeitschrift "Die Fackel" zu gründen. Harden begleitete das Vorhaben als Mentor und Ratgeber in Bezug auf redaktionelle und verlegerische Fragen. Kraus seinerseits unterstrich die zentrale Bedeutung Hardens während der Gründungsphase, indem er ihm das erste fertige Exemplar der "Fackel" zusandte.
Doch die publizistischen Strategien von Harden und Kraus entwickelten sich in den Folgejahren auseinander. Während Harden versuchte, gestaltend zu wirken, indem er Informationen aus dem Intim- und Privatbereich politisch relevanter Akteure journalistisch verwertete, war es Kraus um die möglichst scharfe Trennung beider Sphären zu tun. Anlässlich der Eulenburg-Affäre (1906–1909) kulminierten die Differenzen in einem forcierten Bruch. Harden hatte in einer Artikelserie das Umfeld des Kaisers als moralisch verwerflich diskreditiert und Fürst Philipp von Eulenburg der Homosexualität und des Meineids bezichtigt. Er wollte einen schädlichen Einfluss auf den Kaiser verhindern. Es kam zu mehreren Prozessen, die zwar nicht zu einer Verurteilung Eulenburgs führten, aber das Ansehen des Kaiserhauses stark beschädigten. Kraus reagierte darauf mit einer scharfen Verurteilung Hardens. In seiner Schrift "Maximilian Harden. Eine Erledigung." (1907) unterzog er Hardens journalistischen Stil einer grundlegenden ethischen und sprachkritischen Analyse. Kraus stellte fest: "In der literarischen Persönlichkeit lebt der Gedanke von der Form, und die Form vom Gedanken. In Herrn Harden vegetieren sie armselig nebeneinander." Denn nach Kraus‘ Ansicht verdeckte Hardens manierierter Sprachstil nur eine geistige Leere und moralische Haltungslosigkeit, die dem eklatanten Mangel entsprangen aus der Sprache denken und schreiben zu können.
Attentat und Tod
Hatte Hardens öffentliche Reputation bereits durch Kraus‘ Stilanalyse und dessen in der Folge in der "Fackel" publizierten Sprachparodien in intellektuellen Kreisen einen empfindlichen Prestigeverlust hinnehmen müssen, wie Kurt Tucholsky in seinem Nachruf auf Harden später indirekt bezeugte, so begann sein Stern nach 1918 stetig zu sinken. Auf der psychologischen Ebene fehlte ihm nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und der Exilierung des Kaisers das Feindbild. Hinzu kamen zu hohe Herstellungspreise für seine Zeitschrift in der Nachkriegszeit, sodass Harden 1922 nur noch 343 Abonnenten hatte und am 30. September, dreißig Jahre nach der Gründung, die Publikation der "Zukunft" einstellen musste.
Knapp drei Monate zuvor, am 3. Juli 1922, war Harden Opfer eines Attentats geworden. Die Täter stammten aus dem rechtsnationalen Milieu. Harden erlitt dabei schwere Kopfverletzungen, überlebte knapp, erholte sich aber nicht mehr vollständig. Er zog sich anschließend aus der Öffentlichkeit zurück und übersiedelte in die Schweiz. In der öffentlichen Wahrnehmung schon fast vollständig vergessen, verstarb er am 30. Oktober 1927 in Montana-Vermala (Kanton Wallis) an den Folgen einer Lungenentzündung.
Quellen
Literatur
- Gilbert Carr: Demolierung-Gründung-Ursprung. Zu Karl Kraus‘ frühen Schriften und zur frühen Fackel. Würzburg: Königshausen und Neumann 2019
- Bernd Ulrich: Vor 125 Jahren erschienen: Maximilian Hardens Zeitschrift "Die Zukunft". In: Deutschlandfunk, 01.10.2017 [Stand: 18.01.2024]
- Edward Timms: Karl Kraus. Satiriker der Apokalypse. Leben und Werk 1874 bis 1918. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1999
- Paul Schick: Karl Kraus. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1993
- Helmut Arntzen: Die Funktion der Polemik bei Karl Kraus. In: Karl Kraus in neuerer Sicht. Hrsg. v. Sigurd Paul Scheichel und Edward Timms. München: Text und Kritik 1986, S. 47–75
- Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke 1927, Bd. 5. Hrsg. v. Mary Gerold-Tucholsky und Fritz J. Raddatz. Reinbek: Rowohlt 1975
- Björn-Uwe Weller: Maximilian Harden und die "Zukunft". Bremen: Schünemann 1970
- Gustav Hillard: Maximilian Harden (*20.10.1861). Rezension zu: Helmuth Rogge: Holstein und Harden; Harry F. Young: Maximilian Harden, Censor Germaniae. In: Merkur, Heft 164, Oktober 1961 [Stand: 18.01.2024]
- Wikipdedia: Maximilian Harden [Stand: 18.01.2024]
- Wikipedia: Georg Stilke [Stand: 18.01.2024]
- Preußen - Chronik eines deutschen Staates [Stand: 18.01.2024]
- LeMO Lebendiges Museum Online: Maximilian Harden [Stand: 18.01.2024]
Maximilian Harden im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.