Nanette Streicher
Nanette Streicher, * 2. Jänner 1769 Augsburg, † 16. Jänner 1833 Wien, Pianistin, Klavierfabrikantin
Als Kind erhielt Nannette (Maria Anna) Stein vom Vater, dem berühmten Augsburger Klavierbauer Johann Andreas Stein, Klavierunterricht. Doch mehr noch: Er unterwies sie schon sehr früh im Klavierbau, so dass sie in der Lage war, die Werkstatt nach seinem Tod 1792 selbständig weiterzuführen.
Heirat und Übersiedelung nach Wien
1794 heiratete sie den Musiker Johann Andreas Streicher, der als Freund Friedrich Schillers Berühmtheit erlangt hatte, als er mit diesem 1782 aus der Stuttgarter Hohen Karlsschule geflohen war. Im Jahr der Eheschließung übersiedelte das Paar nach Wien. Hier führte sie den väterlichen Betrieb, zunächst gemeinsam mit ihrem jüngeren Bruder Matthäus Andreas Stein, als "Frère et Soeur Stein d'Augsbourg à Vienne".
Bedeutendes Klavierbauunternehmen
Nach der geschäftlichen Trennung von ihrem Bruder 1802 leitete sie das Unternehmen im Haus "Zum heiligen Florian" auf der Landstraße (heute Wien 3, Ungargasse 46) unter dem Namen "Nanette Streicher, née Stein". Es gelang ihr, den Betrieb zu einem der europaweit bedeutendsten Klavierbauunternehmen Wiens auszubauen. Zum Vertrieb ihrer Instrumente baute sie ein großes Netzwerk von Repräsentanten im deutschsprachigen Raum auf: Die Firma Breitkopf & Härtel in Leipzig hatte etwa das Alleinverkaufsrecht für den Raum Sachsen. Der Pädagoge und Organist Heinrich Friedrich Schütz vertrat die Firma in Weimar; der Komponist und Musikverleger Johann Anton André - übrigens Käufer des Mozart'schen Nachlasses - in Offenbach.
Wohltätigkeitskonzerte als gesellschaftliche Ereignisse
Für die Auftritte junger Künstlerinnen und Künstler wurde das Gebäude in der Ungargasse 1811 um einen 300 Personen fassenden Konzertsaal erweitert. Für den akustisch hervorragenden Raum, der am 16. April 1812 mit einem Wohltätigkeitskonzert zugunsten der "Gesellschaft adelicher Frauen zur Beförderung des Guten und Nützlichen zum Besten armer Augenkranken" eingeweiht wurde, wurden Büsten berühmter Musiker angefertigt, unter ihnen ein Abbild Beethovens des Bildhauers Franz Klein. Obwohl in erster Linie Dilettanten - allerdings unter Leitung namhafter Musiker - spielten, waren die Konzerte gesellschaftliche Ereignisse. "Diese Academien sind gratis und werden blos aus Liebe zur Musik gegeben", berichtete Henrich Graf zu Stolberg-Wernigerode in seinem Tagebuch über den Wiener Kongress.
Freundschaft mit Beethoven
Mit vielen Persönlichkeiten aus dem Wiener Musik- und Gesellschaftsleben befreundet, war die energische und "heiter-offene Frau" (Hermann Rollett) sehr geschätzt. Von Beethoven wurde sie in über sechzig kleinen Briefchen um Rat in Erziehungs- und Haushaltsfragen gebeten, nachdem er die Vormundschaft für seinen Neffen übernommen hatte. Die Unternehmerin spielte bis zu ihrem Tod gerne im kleinen Kreis. Ihre wenigen Kompositionen sind heute vergessen.
Am 16. Januar 1833 starb die erfolgreiche Unternehmerin in ihrer Wohnung Landstraße 413 an "Lungenlähmung". Zwei Tage später wurde sie auf dem St. Marxer Friedhof beigesetzt.