Peter Kern
Peter Kern, * 13. Februar 1949 in Wien, † 26. August 2015 in Wien, Schauspieler, Regisseur, Drehbuchautor, Produzent.
Biographie
Peter Kern ist in Wien-Leopoldstadt aufgewachsen. Er besuchte die Lehrerbildungsanstalt und absolvierte eine kaufmännische Lehre bei Kapsch & Söhne. Der einstige Wiener Sängerknabe erhielt bei Polly Kügler Schauspielunterricht und debütierte als Gluthammer in Johann Nestroys “Der Zerrissene“ an der Burgenländischen Landesbühne in Eisenstadt. Von 1968 bis 1971 war Kern mit einer deutschen Produktion des Musicals “Hair“ erfolgreich auf Tournee. Danach bot ihm der Regisseur Peter Lilienthal in seinem Fernsehspiel “Jakob von Gunten“ (1971) die erste Filmrolle an. Für seine Darbietungen in “Falsche Bewegung“ (Wim Wenders, 1975) und “Flammende Herzen“ (Walter Bockmayer und Rolf Bührmann, 1978) erhielt Kern jeweils den Deutschen Filmpreis in Gold für die beste männliche Hauptrolle. In Daniel Schmids elegischer Filmoper “La Paloma“ (1974) stand er an der Seite von Ingrid Caven, 1976 spielte er in Hans W. Geißendörfers Inszenierung von Henrik Ibsens “Die Wildente“ (zusammen mit Anne Bennent). Kern trat auf den großen Bühnen des deutschen Sprachraums auf, darunter im Wiener Burgtheater, in der Volksbühne Berlin sowie in den Schauspielhäusern in Frankfurt, Köln und Zürich.
1978 gründete Kern die Produktionsfirma “Luxor Film“ in München und machte sich einen Namen als Dokumentarfilmer. Sein Regiedebüt lieferte er 1980 mit dem Film “Die Bootsmänner von Pagsanjan“, der in Zusammenarbeit mit Karsten Peters entstand.
Kern lebte in Kairo, auf den Philippinen, in München, Berlin und Düsseldorf und wirkte in mehreren Produktionen des “Jungen Deutschen Films“ als Darsteller mit, etwa in Hans-Jürgen Syberbergs “Karl May“ (1976) oder “Hitler, ein Film aus Deutschland“ (1977), in Rainer Werner Fassbinders “Mutter Küsters’ Fahrt zum Himmel“ (1975), “Faustrecht der Freiheit“ (1975) oder “Despair – Eine Reise ins Licht“ (1978). In Werner Schroeters Film “Malina“ (1991), für den Elfriede Jelinek das Drehbuch lieferte, ist Kern in einer Nebenrolle zu sehen.
Auch mit Christoph Schlingensief arbeitete Kern in mehreren Projekten zusammen. Der Regisseur Kern konnte Schlingensief für die Filme “Gossenkind“ (1992) “Domenica“ (1994) und “Schmetterlinge im Dunkeln“ (1995) als Darsteller gewinnen; über Schlingensiefs Aktion in Zürich 2001 drehte er den Film “Hamlet – This is your family“.
Kerns Arbeiten wurden auf zahlreichen internationalen Festivals aufgeführt, darunter in Cannes, Venedig und Wien; der Film “Glaube Liebe Tod“ feierte 2012 im Panorama der 62. Berlinale Weltpremiere. Retrospektiven gab es in New York, Chicago, Houston, Düsseldorf, Manila, Montreal und Kairo. 2007 wurde eine von Helmut Schödel kuratierte Werkschau im Filmarchiv Austria gezeigt.
Die Kunst Peter Kerns war gesellschaftspolitisch engagiert. Kern sah sich allerdings nicht in erster Linie als Provokateur, sondern als “Geschichtenerzähler“, der “von der Perspektive von Menschen auf der Schattenseite des Lebens“ ausgehe. Er sprach sich vehement gegen eine “Kunst der Gleichgültigkeit“ aus und wollte mit seinen Arbeiten die Zuschauer emotional ergreifen. Eines seiner Hauptanliegen war es, gegen ausgrenzende Politik Stellung zu beziehen, was er mittels Aktionen und insbesondere mittels Filme, wie die Science-Fiction-Satire “Haider lebt – 1. April 2021“ (2002), realisierte. Kerns Film “Blutsfreundschaft“ von 2009 verquickte die Themen Neonazismus und Homosexualität miteinander.
Kern unternahm im Jahr 2009 auch einen kurzen Ausflug in die Parteipolitik, als er für die folgende Wiener Gemeinderatswahl einen Platz auf der Liste der Grünen anstrebte, allerdings ohne Erfolg. Als Ziel nannte er in Interviews die Stelle des Wiener Kulturstadtrats. Neben seiner filmischen Tätigkeit trat Kern immer wieder als Autor in Erscheinung, er schrieb Kritiken und Essays für die “Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“, für den Spiegel, die “Süddeutsche Zeitung“, für “Profil“ und andere; 2013 veröffentlichte er gemeinsam mit Helmut Schödel das Buch “Die nächsten Jahre der Menschheit“.
Auf Kerns Website sind knapp 60 Filme gelistet, in denen er als Darsteller mitwirkte, weitere 30 “Spielfilme, Dokumentarfilme oder Mischformen“, für die er das Drehbuch schrieb und Regie führte, sowie zwei Dutzend TV-Sendungen, insbesondere Talkshows, in denen er einen Auftritt hatte.
Literatur
- Christoph Huber / Olaf Möller: Peter Kern. Wien: verlag filmarchiv austria 2011 (= Taschenkino, 4)
- “Ich rieche schon den Nationalsozialismus“. Interview von Veronika Franz mit Peter Kern. In: Kurier, 03.11.2009, S. 34
- Filmemacher Peter Kern will Kulturstadtrat werden. In: Die Presse, 11.11.2009. URL: http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/521038/Filmemacher-Peter-Kern-will-Kultur¬stadtrat-werden [Stand: 11.03.2015]
- Goldenes Verdienstzeichen an Wiens "Enfant terrible" Peter Kern. In: Rathauskorrespondenz, 10.03.2010. URL: http://www.wien.gv.at/rk/msg/2010/0310/013.html [Stand: 11.03.2015]
- Homepage von Peter Kern. URL: http://www.peterkern.net/ ([Stand: 11.03.2015]
- Interessensgemeinschaft Österreichischer Dokumentarfilm: Peter Kern. URL: http://dok.at/person/peter-kern/ ([Stand: 11.03.2015]
- Mailath zum Ableben von Peter Kern. In: Rathauskorrespondenz, 27.08.2015. URL: http://www.wien.gv.at/rk/msg/2015/08/27001.html [Stand: 27.08.2015]
- Michael Omasta: Wüst, ungeschönt, mitreißend: Peter Kern, ein Koloss des Independent-Films. Nachruf, in: Falter 36/15 2015, S.33