Pierre Ramus
Pierre Ramus (eigentlich: Rudolf Großmann), * 15. April 1882 Wien, † 27. Mai 1942 Atlantik, Journalist, Schriftsteller, Anarchist.
Biografie
Der Sohn eines aus Ungarn stammenden jüdischen Kaufmanns und dessen aus Mähren kommenden Ehefrau wuchs in Wien auf und musste 1898 das Gymnasium wegen "sozialdemokratischer Propaganda" verlassen. Nach Streit mit seinen Eltern wurde er zu Verwandten in den USA geschickt, wo er sich dem linken Flügel der dortigen Arbeiterbewegung anschloss und als Journalist bei linken Zeitungen mitarbeitete. Unter dem Einfluss von Johann Most und Emma Goldmann wandte er sich dem Anarchismus zu. Er gründete mit 18 Jahren die Zeitschrift "Zeitgeist" und trat als Redner bei Treffen der US-amerikanischen anarchistischen Szene auf. Als er 1902 wegen Anstiftung zum Streik von Seidenwebern im Staat New Jersey zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt wurde, floh Großmann unter dem Pseudonym Pierre Ramus 1903 nach London, wo er auch den Kreis um Peter Kropotkin kennenlernte. Unter seinem neuen Namen setzte er sein publizistisches und agitatorisches Engagement fort.
1907 kehrte Ramus nasch Wien zurück, wo er die anarchistische Zeitschrift "Wohlstand für Alle" gründete, aber auch in anderen Presseorganen publizierte. Darüber hinaus gab er das "Jahrbuch der Freien Generation" (1910-1914) heraus. Er entwickelte sich zum führenden Theoretiker des Anarchismus in Österreich und unternahm Propaganda- und Vortragsreisen in verschiedene Teile Europas. Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde er verhaftet und zu strengem Hausarrest an seinem Wohnort Klosterneuburg verurteilt. In dieser Zeit wandte er sich verstärkt dem Pazifismus zu und propagierte die Gewaltlosigkeit als wesentliches Element eines anarchistischen Ideals.
Nach Ende des Krieges setzte er seine publizistische Tätigkeit fort, gründete den "Bund herrschaftsloser Sozialisten" und veröffentlichte in den folgenden Jahren seine wichtigsten Werke wie "Die Irrlehre und Wissenschaftslosigkeit des Marxismus im Bereich des Sozialismus" (1919/1927), "Die Neuschöpfung der Gesellschaft durch den kommunistischen Anarchismus" (1921) oder den teils autobiografischen Roman "Friedenskrieger des Hinterlandes" (1924).Im Zuge einer Sterilisationsaffäre wurde er 1932 verhaftet und 1934 zu einer 14-monatigen Haftstrafe verurteilt. Ramus zog sich weitgehend aus der Öffentlichkeit zurück und floh nach dem "Anschluss" Österreichs 1938 über die Schweiz, Frankreich und Spanien nach Marokko. 1942 starb er bei der Überfahrt nach Mexiko.
Sein Nachlass befindet sich am Internationalen Institut für Sozialgeschichte Amsterdam.
Literatur
- Andreas Pavlic: Die soziale Revolution. Pierre Ramus und die frühe SiedlerInnenbewegung in Wien. Diplomarbeit, Wien 2009, S. 7ff.
Pierre Ramus im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.