Robert Menasse
Robert Menasse, * 21. Juni 1954 Wien, Schriftsteller, Essayist, Übersetzer.
Biografie
Robert Menasse kam als Sohn des Fußballers Hans Menasse in Wien zur Welt und studierte Germanistik, Philosophie und Politikwissenschaft in Wien, Salzburg und Messina. 1976 war er Mitbegründer der Studentenzeitschrift "Zentralorgan herumstreunender Germanisten". Im Jahr 1980 promovierte er bei Wendelin Schmidt-Dengler mit einer Arbeit über den "Typus des 'Außenseiters' im Literaturbetrieb am Beispiel Hermann Schürrers".
Von 1981 bis 1988 lehrte Menasse als Lektor und Gastdozent am Institut für Literaturtheorie in São Paulo österreichische Literatur. Dort hielt er vor allem Lehrveranstaltungen über philosophische und ästhetische Theorien ab, unter anderem über Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Georg Lukács, Walter Benjamin und Theodor W. Adorno.
Seit seiner Rückkehr aus Brasilien lebt Robert Menasse als freier Schriftsteller, Übersetzer und kulturkritischer Essayist hauptsächlich in Wien. Seine erste Erzählung "Nägelbeißen" wurde 1973 in der Zeitschrift "Neue Wege" veröffentlicht. Der von 1975 bis 1980 bearbeitete Gesellschaftsroman "Kopfwehmut", der ein Wien-Panorama der 1970er Jahre darstellen sollte, blieb unvollendet und unveröffentlicht.
In Brasilien nahm die Arbeit an der "Trilogie der Entgeisterung" ihren Anfang, die aus den Romanen "Sinnliche Gewißheit" (1988), "Selige Zeiten, brüchige Welt" (1994) und "Schubumkehr" (1995) besteht. Die Nachschrift "Phänomenologie der Entgeisterung" (1995) komplettierte das Werk. In seinem Roman "Die Vertreibung aus der Hölle" (2001) thematisierte Menasse die Frage der Objektivierbarkeit von Geschichte. 2007 folgte "Don Juan de la Mancha oder die Erziehung der Lust". Europa und die Europäische Union stehen im Mittelpunkt seiner beiden jüngsten Romane "Die Hauptstadt" (2017) und "Die Erweiterung" (2022).
Neben seinem erzählerischen Werk etablierte sich Robert Menasse mit seinen kulturpublizistischen Arbeiten und kritischen Essaysammlungen als streitbarer Kommentator und Analyst (gesellschafts-)politischer Verhältnisse. Seine beiden frühen Essays "Die sozialpartnerschaftliche Ästhetik" (1990) und "Das Land ohne Eigenschaften" (1992) etwa brachten ihm auch den Vorwurf der "Nestbeschmutzung" ein. Weitere essayistische Werke des Autors sind unter anderem "Erklär mir Österreich" (2000), "Das war Österreich" (2005), "Ich kann jeder sagen: Erzählungen vom Ende der Nachkriegsordnung" (2009), "Permanente Revolution der Begriffe. Vorträge zum Begriff der Abklärung" (2009) oder "Heimat ist die schönste Utopie. Reden (wir) über Europa" (2014).
Für sein literarisches und essayistisches Schaffen erhielt Menasse eine Reihe von Preisen und Auszeichnungen, unter anderen den "Heimito von Doderer-Preis" (1991), den "Hugo-Ball-Preis" (1996), den "Friedrich-Hölderlin-Preis der Stadt Bad Homburg" (2002), das "Goldene Verdienstzeichen des Landes Wien" (2010) und das "Große Goldene Ehrenzeichen des Landes Niederösterreich" (2014). Mit dem Preisgeld, das Menasse für den "Österreichischen Staatspreis für Kulturpublizistik" (1998) erhielt, stiftete er im Jahre 2000 den "Jean-Améry-Preis für Essayistik" neu. 2003 wurde ihm der "Erich Fried-Preis" zugedacht. Seit 2015 wurde Menasse zudem mit dem "Würdigungspreis für Literatur des Landes Niederösterreich" (2015), dem "Walter-Hasenclever-Literaturpreis" und dem "Deutschen Buchpreis" (für "Die Hauptstadt", 2017), der "Carl-Zuckmayer-Medaille" (2019) sowie dem "Bruno-Kreisky-Preis für das Politische Buch (für "Die Erweiterung", 2022) ausgezeichnet.
Werke (Auswahl)
- Robert Menasse: Sinnliche Gewißheit. Roman. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1988
- Robert Menasse: Die sozialpartnerschaftliche Ästhetik. Essays zum österreichischen Geist. Wien: Sonderzahl 1990
- Robert Menasse: Selige Zeiten, brüchige Welt. Roman. Salzburg / Wien: Residenz 1991
- Robert Menasse: Das Land ohne Eigenschaften. Essay zur österreichischen Identität. Wien: Sonderzahl 1992
- Robert Menasse: Phänomenologie der Entgeisterung. Geschichte vom verschwindenden Wissen. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1995
- Robert Menasse: Schubumkehr. Roman. Salzburg / Wien: Residenz 1995
- Robert Menasse: Überbau und Underground. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1997
- Robert Menasse: Dummheit ist machbar. Begleitende Essays zum Stillstand der Republik. Wien: Sonderzahl 1999
- Robert Menasse: Erklär mir Österreich. Essays zur österreichischen Geschichte. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2000
- Robert Menasse: Die Vertreibung aus der Hölle. Roman. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2001
- Robert Menasse: Die Zerstörung der Welt als Wille und Vorstellung – Frankfurter Poetikvorlesungen. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2006 (Edition Suhrkamp 2464)
- Robert Menasse: Don Juan de la Mancha oder die Erziehung der Lust. Roman. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2007
- Robert Menasse: Ich kann jeder sagen: Erzählungen vom Ende der Nachkriegsordnung. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2009
- Robert Menasse: Permanente Revolution der Begriffe. Vorträge zum Begriff der Abklärung, Essays. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2009
- Robert Menasse: Der Europäische Landbote. Die Wut der Bürger und der Friede Europas oder Warum die geschenkte Demokratie einer erkämpften weichen muss. Wien: Zsolnay 2012
- Robert Menasse: Heimat ist die schönste Utopie. Reden (wir) über Europa. Berlin: Suhrkamp 2014
- Robert Menasse: Was ist Literatur. Ein Miniatur-Bildungsroman. Siegburg: Bernstein 2015
- Robert Menasse: Warum? Das Vermächtnis des Jean Améry. Cathérine Hug im Gespräch mit Robert Menasse über Jean Améry, seine Wirkung und Aktualität. Siegburg: Bernstein 2016
- Robert Menasse: Die Hauptstadt. Roman. Berlin: Suhrkamp 2017
- Robert Menasse: Die Erweiterung. Roman. Berlin: Suhrkamp 2022
- Robert Menasse: Die Welt von morgen. Ein souveränes demokratisches Europa – und seine Feinde. Berlin: Suhrkamp 2024
Literatur
- Antje Büssgen: Europa nach den Nationen? Das Europäische Projekt im Zeitalter von Postdemokratie und Globalisierung. Zu Robert Menasses Analyse der europäischen Integration in seinem Essay Der europäische Landbote. In: Tomislav Zelić / Zaneta Sambunjak / Anita Pavić Pintarić [Hg.]: Europa? Zur Kulturgeschichte einer Idee. Würzburg: Königshausen & Neumann 2015, S. 297–326
- Matthias Beilein: 86 und die Folgen. Robert Schindel, Robert Menasse und Doron Rabinovici im literarischen Feld Österreichs. Berlin: Schmidt 2008 (Philologische Studien und Quellen 213)
- Hans-Dieter Schütt: Die Erde ist der fernste Stern. Gespräche mit Robert Menasse. Berlin: Dietz 2008
- Aneta Jachimowicz: Das schwierige Ganze. Postmoderne und die "Trilogie der Entgeisterung" von Robert Menasse. Frankfurt am Main: Peter Lang 2007
- Kathrin Krause: Robert Menasses "Trilogie der Entgeisterung". Ein Beitrag zur Theorie des Romans. Bielefeld: Aisthesis 2005
- Verena Holler: Felder der Literatur. Eine literatursoziologische Studie am Beispiel von Robert Menasse. Frankfurt: Peter Lang 2003
- Eva Schörkhuber [Hg.]: Was einmal wirklich war. Zum Werk von Robert Menasse. Wien: Sonderzahl 2007
- Friedbert Aspetsberger: Schnitzler − Bernhard − Menasse. Der Umstandsmeier − Der Angeber − Der Entgeisterer. Dreimal gute Literatur! Wien: Sonderzahl 2003
- Kurt Bartsch / Verena Holler [Hg.]: Robert Menasse. Graz: Literaturverlag Droschl 2003 (Dossier 22)
- Martin Meyer: Utopie als Freiheit als Kritik. Laudatio auf Robert Menasse. In: Neue Zürcher Zeitung, 11.05.2014 [Stand 08.07.2023]
- Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek: Robert Menasse [Stand 08.07.2023]