Soldatenräte
Die russische Revolution als Vorbild
Nach dem Vorbild der russischen Oktoberrevolution hatten sich im Zuge der Streikbewegungen im Jänner und Juni 1918 auch in Wien Arbeiterräte gebildet. Doch im Sommer 1918 versandete die Rätebewegung vorerst.[1]
Konstituierung
Erst gegen Kriegsende kam neue Dynamik in die Rätebewegung und nun waren es die Soldatenräte, welche die Initiative ergriffen. Anlässlich der Übernahme der Macht durch die Provisorische Nationalversammlung konstituierte sich am 30. Oktober 1918 ein "provisorischer Soldatenrat". Er entsandte eine Delegation zum Präsidenten der Nationalversammlung und forderte die Mitsprache in Wehrfragen, insbesonders bei der Gründung einer "Nationalarmee". Am 3. November 1918 fanden in allen Wiener Kasernen Wahlen zu den Soldatenräten statt, bei der Offiziere und Mannschaften getrennt ihre Vertreter wählten. Gewählt wurden Soldatenräte der liquidierenden Armee, die vornehmlich Auskunftsorgane für Heimkehrer waren, und Soldatenräte der Volkswehr, die die wesentlich bedeutendere politische Kraft waren.[2]
Der Einfluss der Sozialdemokraten
Die Sozialdemokraten, als zunächst einzige Partei, die über Einfluss in der Rätebewegung verfügte, versuchte über Vertrauensmänner, die Wahl der Soldatenräte zu beeinflussen und möglichst viele Parteigänger in die Bewegung zu integrieren. Das gelang nach außen mehr oder minder geschlossen, was Julius Deutsch nachträglich zu der Aussage verleitete, dass in diesen Tagen in seinen Händen der größte Teil der staatlichen Macht gelegen habe.[3] Aber so einfach lagen die Dinge nicht, denn von den eben gewählten Soldatenräten kehrten, nachdem sie vom Waffenstillstand erfahren hatten, nicht wenige rasch in ihre Heimat zurück. Das nötigte zu laufenden Werbungen von Soldaten und weiteren Wahlen.[4] Ob Soldatenräte eher dem revolutionären oder dem sozialdemokratischen Lager angehörten, erwies sich im Einzelfall erst in den nächsten Monaten. In jedem Fall lag die militärische Macht vorerst fast ausschließlich in den Händen der Soldatenräte und nicht in jener der Offiziere oder der Regierung.
Bildung von Vollzugsausschüssen
Die Soldatenrätebewegung in Wien hatte sich am 5. Dezember 1918 eine straffere organisatorische Struktur gegeben. Aus dem Kreis der Räte wurde ein Vollzugsausschuss unter der Führung von Dr. Josef Frey gewählt. Darunter konstituierten sich Unterausschüsse für Löhnung, Verpflegung, Bekleidung und Waffen, weiters für soziale Fürsorge, für Organisation, für Disziplin, Propaganda und für die Provinz. Eine erste Reichskonferenz der Soldatenräte fand am 12. und 13. Jänner 1919 in Wien statt. Ein Reichsvollzugsausschuss wurde gegründet, der aus je zwei Vertretern Wiens und Niederösterreichs sowie einem Vertreter der übrigen Länder bestand.[5]
Literatur
- Julius Deutsch: Aus Österreichs Revolution. Militärpolitische Erinnerungen. Wien: Verlag der Wiener Volksbuchhandlung o.J.
- Hans Hautmann: Geschichte der Rätebewegung in Österreich 1918-1924. Wien / Zürich: Europaverlag 1987
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Hans Hautmann: Geschichte der Rätebewegung in Österreich 1918-1924. Wien / Zürich: Europaverlag 1987, S. 222-227.
- ↑ Hans Hautmann: Geschichte der Rätebewegung in Österreich 1918-1924. Wien / Zürich: Europaverlag 1987, S. 242-246.
- ↑ Julius Deutsch: Aus Österreichs Revolution. Militärpolitische Erinnerungen. Wien: Verlag der Wiener Volksbuchhandlung o.J., S. 15-17.
- ↑ Hans Hautmann: Geschichte der Rätebewegung in Österreich 1918-1924. Wien / Zürich: Europaverlag 1987, S. 246.
- ↑ Hans Hautmann: Geschichte der Rätebewegung in Österreich 1918-1924. Wien / Zürich: Europaverlag 1987, S. 262, 267-269.