Spanische Grippe
Bedeutung
Um den Durchhaltewillen der eigenen Bevölkerung nicht zu untergraben, verheimlichten die kriegführenden Mächte den Ausbruch einer Grippepandemie im letzten Kriegsjahr. Erst spanische Zeitungen – Spanien war am Ersten Weltkrieg als kriegführende Macht nicht beteiligt – veröffentlichten Berichte über diese Grippewelle und dies gab der Pandemie ihren Namen. Sie brach jedoch nicht in Spanien aus, sondern wahrscheinlich in den USA und wurde Anfang 1918 durch US-Soldaten nach Europa eingeschleppt.
Die "spanische Grippe" in Wien
Die Grippewelle erreichte im September Wien und traf auf eine ausgehungerte, geschwächte Bevölkerung. Im Oktober 1918 erreichte sie in Wien ihren Höhepunkt. Während in Wien im Jahr 1917 offiziell lediglich 25 Personen an "Influenza" verstorben waren und in den ersten beiden Quartalen 1918 drei, stieg die entsprechende Zahl im dritten Quartal auf 81 an, um dann im vierten Quartal mit 3.927 ihren Höhepunkt zu erreichen. 1919 waren in den ersten beiden Quartalen noch 483 Opfer zu beklagen. Unter Berücksichtigung von Sekundärinfekten der Lunge und den daraus entstandenen Lungenentzündungen mit tödlichem Verlauf dürften es wohl insgesamt etwa doppelt so viele Opfer gewesen sein, was auch indirekt daraus hervorgeht, dass die Zahl der Sterbefälle in Wien im Vergleich der vierten Quartale 1917 und 1918 um rund 6.500 zugenommen hatte. Besonders betroffen war die Altersgruppe der 15- bis 30-Jährigen.[1] Zu den zahlreichen Todesopfern der Grippeepidemie zählte auch der 28-jährige Egon Schiele, der am 31. Oktober 1918 wenige Tage nach seiner Frau Edith an "Grippe" und "Lungenentzündung" verstorben war.[2] Einer der Gründe für die vergleichsweise nicht allzu dramatische Zahl der Wiener Grippeopfer war die gleichzeitig hohe Sterblichkeit an Lungentuberkulose.[3]
Literatur
- Edgar Haider: Wien 1918. Agonie der Kaiserstadt. Wien / Köln / Weimar: Böhlau Verlag 2018
- Siegfried Rosenfeld: Die Grippeepidemie des Jahres 1918 in Österreich. Wien: Franz Deuticke 1921
- Andreas Weigl: Eine Stadt stirbt nicht so schnell. Demographische Fieberkurven am Rande des Abgrunds. In: Alfred Pfoser / Andreas Weigl [Hg.]: Im Epizentrum des Zusammenbruchs. Wien im Ersten Weltkrieg. Wien: Metroverlag 2013, S. 62-71
- Andreas Weigl: Mangel – Hunger – Tod. Die Wiener Bevölkerung und die Folgen des Ersten Weltkriegs. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 2014 (Wiener Geschichtsblätter, Beiheft 1/2014)
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Siegfried Rosenfeld: Die Grippeepidemie des Jahres 1918 in Österreich. Wien: Franz Deuticke 1921, S. 12, 16, 39.
- ↑ Andreas Weigl: Mangel – Hunger – Tod. Die Wiener Bevölkerung und die Folgen des Ersten Weltkriegs. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 2014 (Wiener Geschichtsblätter, Beiheft 1/2014), S. 23; Edgar Haider: Wien 1918. Agonie der Kaiserstadt. Wien / Köln / Weimar: Böhlau 2018, S. 259 f.
- ↑ Andreas Weigl: Eine Stadt stirbt nicht so schnell. Demographische Fieberkurven am Rande des Abgrunds. In: Alfred Pfoser / Andreas Weigl [Hg.]: Im Epizentrum des Zusammenbruchs. Wien im Ersten Weltkrieg. Wien: Metroverlag 2013, S. 66.