Universitätsgericht. Durch die Stiftungsbriefe 1365 und 1384 waren die Mitglieder der Universität Wien dem Wirkungsbereich des Stadtgerichts entzogen. Eine Überstellung an das Stadtgericht fand nur bei besonders schweren Verbrechen statt. Die Universitätsmitglieder unterstanden der Gerichtsbarkeit des Rektors, der die Verhandlungen gemeinsam mit den Prokuratoren der vier Universitätsnationen führte. Bei Schuldsprüchen wurde das Urteil durch einen dem Universitätsgerichtskanzler (zugleich Dompropst von Sankt Stephan) unterstehenden Richter gefällt.
1420 erweiterte der Papst die Universitätsgerichte auf sämtliche Zivil- und Strafsachen und auf geistlichen Belange. Die theologische Fakultät durfte den Kirchenbann verhängen.
Als sich die Konflikte zwischen Bürgern und zügellosen Studenten mehrten, einigten sich Universitätsgericht und Bürgerschaft auf die Bestellung eines von der Stadt besoldeten "Studentenrichters". Dieser hatte zu vermitteln und war bei akademischen Urteilfällungen beizuziehen. Das Amt verschwand um 1600. 1752 wurde das Universitätsgericht einem vom akademischen Senat unabhängigem Konsistorium der Universitätsgerichte übertragen. 1775 wurde das Asylrecht der Universitätsgerichte abgeschafft. Am 4. August 1783 hob Joseph II. im Zuge der Magistratsreform das Universitätsgericht auf. Dem Rektor verblieben nur eine Disziplinargewalt, die Möglichkeit, Verurteilten die akademischen Grade abzuerkennen sowie die zu erteilende Zustimmung, wenn Polizei die Universitätsgerichte betreten wollte.
Literatur
- Otto Brunner: Die Finanzen der Stadt Wien. Von den Anfängen bis ins 16. Jahrhundert. Wien: Deutscher Verlag für Jugend und Volk 1929 (Studien aus dem Archiv der Stadt Wien, 1/2), S. 195 f.
- Franz Gall: Alma mater Rudolphina 1365-1965 - die Wiener Universität und ihre Studenten. Wien: Austria Press 1965, S 135 ff.