Tag- und Nachtwache
Schon früh gab es in Wien eine Vielzahl von Organen für spezielle Aufgaben in der Stadt, die Wachaufgaben wurden anfangs von Bürgern übernommen. Ab der Mitte des 15. Jahrhunderts sind als Ergänzung zu den von den Bürgern beziehungsweise Handwerksgesellen abgestellten Wachen zunehmend auch eigene Söldner für den Wach- und Sicherheitsdienst fassbar, die zunächst fallweise, später dauernd bestellt wurden (zum Beispiel 1455 64 Söldner zur Bewachung der Tore der Stadt und der Vorstädte).
Ab 1498 wurden vier Torwächter ganzjährig besoldet (Tore der Vorstadtbefestigung: Niklasturm, Laßlaturm, Bollwerk bei St. Theobald, Jörgerturm; sie erscheinen noch 1532). 1522 werden ein Torschütze und ein Rottmeister mit acht bis neun Mann ("Stadtknechte") erwähnt. Als 1528 Anschläge mit Drohungen gegen den Wiener Bischof Johann von Revellis auftauchten, wurden provisorisch etliche Personen bestimmt, die auf Unruhe oder Feuer achten sollten, und 100 Handwerksburschen als Wache eingeteilt.
1531 wurde die "Ordnung der Wächter auf den Stadtmauern" zur Regelung des Dienstes erlassen (acht Wächter "unter stattorn und auf der mauer" sowie vier bis zwölf Torschützen). 1540 erfolgte der endgültige Ersatz der von den Bürgern gestellten durch besoldete Torsteher (insgesamt circa 20 Mann an den Mauern und Toren). Die Aufgabe dieser "Tor- und Nachtwache" war die Überwachung der Tore der Stadt bei Tag und die Begehung und Sicherung der Mauern bei Nacht. Daneben entwickelte sich eine städtische Nachtwache, die nachts in den Straßen patroullierte (1493 32 Knechte durch drei Wochen und 16 Knechte durch eine Woche zur "nachhuet der skart" in Sold; ab 1499 zwölf, ab 1503 zehn, ab 1530 sechs, später acht "Scartleute" als Nachtwache im städtischen Dienst). 1543 wurde die "Tag- und Nachtwacht" auf circa 37 Mann erhöht.
1546 erfolgte eine Neuordnung: die "Tag- und Nachtwache" unterstand dem Stadtwachtmeister, dem sieben Rottmeister als Befehlshaber unterstellt waren. Jedes Tor war mit einem Rottmeister, zehn Soldaten und einem Trommelschläger besetzt; wahrscheinlich ab dieser Zeit kann man von der Stadtguardia sprechen, auch wenn der Begriff als solcher noch nicht auftaucht. Mit der Instruktion Maximilians II. vom 26. November 1569 wurde der geteilte Wachkörper zur Stadtguardia vereinigt und auf eine Stärke von 150 Mann erhöht (Auflösung verfügt 1722, vollzogen 1741).
Im 17. Jahrhundert (vielleicht schon ab 1656) entstand erneut eine städtische Tag- und Nachtwache. Sie bestand (1741) aus einem Wachtmeister, je vier Rottmeistern und je 60 Mann der Tag- beziehungsweise der Nachtwache. Ihr Wachlokal befand sich im Brunnenhaus auf dem Hohen Markt beziehungsweise ab 1740 im neu adaptierten Schrannengebäude. Die Tagwache hatte neben der Aufsicht über die Reinhaltung der Straßen auch das Einfangen der Bettler zu besorgen (im Volksmund "Bettelfänger"). Die Nachtwache war unter anderem für das Lampenputzen und Stundenausrufen zuständig und unterstand der Kontrolle der Rumorwache (Instruktion 1706).
Aufgrund einer 1733 erlassenen Instruktion hatte die Tag- und Nachtwache polizeiliche Aufgaben zu erfüllen und unterstand der Dienstaufsicht des Rumorhauptmanns. Sie wurde 1773 samt der Rumorwache aufgelöst und durch eine 1775 aufgestellte Polizeiwache ersetzt, aus der die k. k. Militär-Polizeiwache hervorging.
Literatur
- Johann Evangelist Schlager: Wiener Skizzen des Mittelalters N.F. III, Wien 1846, S. 117 ff.
- Karl Uhlirz: Der Wiener Bürger Wehr und Waffen (1426-1648). Auszüge aus den städtischen Kämmerei-Rechnungen. Wien: Karl Gerold & Sohn 1897 (Sonderdrucke aus: Berichte und Mitteilungen des Alterthums-Vereines zu Wien 27 (1891), 1-14 (Teil I); 28 (1892), S. 1-22 (Teil II); 30 (1894), S. 1-23 (Teil III); 31 (1895), S. 1-42 (Teil IV) mit einem Register versehen)
- Alois Veltze: Die Wiener Stadtwache 1531-1741. In: Berichte und Mitteilungen des Altertums-Vereines zu Wien 36/37 (1902), S. 1 ff.
- Hermann Oberhummer: Die Wiener Polizei 1 (1937)
- Gerlinde Sanford: Wörterbuch von Berufsbezeichnungen aus dem siebzehnten Jahrhundert. Gesammelt aus den Wiener Totenprotokollen der Jahre 1648-1668 und einigen weiteren Quellen. Bern / Frankfurt am Main: Lang 1975 (Europäische Hochschulschriften. Reihe 1: Deutsche Sprache und Literatur, 136), S. 93 (Nachtwächter)
- Engelbert Steinwender: Von der Stadtguardia zur Sicherheitswache. Wiener Polizeiwachen und ihre Zeit, 1: Von der Frühzeit bis 1932. Wien 1992
- Karl Fischer: Städtebuch Wien. Wien 1999, Kapitel 11 a
- Karl Fischer: Die Anfänge der Wiener Stadtguardia. Versuch einer Klärung. In: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 60 (2004), S. 347-400