Trinkwasserkraftwerk Gaming
Die beiden Wasserkraftwerke Gaming liegen an der Zweiten Hochquellenleitung zwischen Lunz am See und Gaming. Sie produzieren Strom aus dem Leitungswasser und leiten diesen nach Wien weiter.
Planung
Die Zweite Hochquellenleitung ist, wie auch die Erste, eine Gravitationsleitung, die das Wasser allein durch natürliches Gefälle vom Hochschwabgebiet nach Wien transportiert. Um den Druck, der dadurch entstand, zu neutralisieren, wurden in Wien nach Fertigstellung der Leitung im Jahr 1910 mehrere kleine Kraftwerke gebaut. Die Bedenken von Kritiker*innen, dass die Wasserqualität in den Turbinen vermindert werde, wurden mit deren problemlosen Betrieb zerstreut, auch die Leistungen waren zufriedenstellend. Der Energiebedarf der Stadt Wien stieg in den 1920er Jahren stark an, die Elektrizitätswerke wuchsen, das Kabelnetz wurde ausgebaut und 1924/25 die Stadtbahn elektrifiziert.
So beschloss die Gemeindeverwaltung 1923, die Energiegewinnung aus Wasserkraft auszubauen; die Wasserkraftwerke AG wurde zu diesem Zweck gegründet. Drei große Projekte waren geplant: Der Bau des Ybbskraftwerks Opponitz, die Beteiligung am Speicherkraftwerk Partenstein und schließlich der Bau des Wasserleitungskraftwerks Gaming. Eine Gesamtleistung von 105 Millionen kWh wurde angestrebt, damals etwa 25% des Wiener Energiebedarfs.
Gaming I
Das Werk Gaming sollte, vorerst nur als einzelnes Kraftwerk, zwischen Lunz am See und Gaming gebaut werden, wo die Leitung ein besonders großes Gefälle (Bruttogefälle: 189,26 m) überwinden muss. Das Projekt war durch die Hanglage und die benötigten Stollen äußerst umfangreich: Rund 17 km Leitung musste entweder neu gebaut oder modifiziert werden. Der Transport von Material in das bergige Baugebiet erfolgte vor allem durch eine Schleppbahn, deren Gleise von der nahen Ybbstalbahn abzweigten. Auch Schrägaufzüge kamen zum Einsatz.
Durch günstige geologische Verhältnisse ging der Bau schnell voran. Stellenweise sorgten Wasseraustritte in Stollenteilen für Verzögerungen; dieses Problem gab es schon beim Bau der Hochquellenleitung und liegt an den Gesteinsarten, wo Wasser besonders gut durchsickern kann. Diesem Umstand ist jedoch auch der Wasserreichtum der Quellen zu verdanken. Mit der Anlage von Drainagesystemen, die das Wasser in umliegende Bäche und Kanäle leiteten, konnte der Bau meist rasch fortgesetzt werden. Die Stollen wurden mit Beton verkleidet, an manchen Stellen wegen hohem Druck noch durch Betonformsteine verstärkt, und waren mit einer Höhe von 1,82 m und einer Weite von 1,56 m durchwegs begehbar. Eine Entlastungskammer in Mitterau ermöglicht eine schnelle Unterbrechung des Wasserflusses bzw. eine Umleitung in den Hauptstollen im Falle eines Kraftwerkstillstands. Als zusätzlicher Schutz vor Druckschäden wurde ein Wasserschloss in den Berg getrieben.
Das Krafthaus selbst, links neben dem Pockaubach gelegen, wurde 1925 gebaut. Es besteht aus mehreren Betriebsräumen, einem Depot, Zimmer für Personal und dem Maschinenhaus. Zwei Spiralturbinen mit einer Drehzahl von 1.000 U/min für eine Wassermenge von 2,66 m/sec. wurden installiert. Sie operieren automatisch, eine Regulation kann aber auch manuell vorgenommen werden. Im Jahr 1998 wurden sie erneuert und mit einem leistungsfähigeren Aggregat ausgestattet. Eine kleine Freistrahlturbine versorgt zusätzlich das Maschinenhaus mit Strom. Am 8. Februar 1926 konnte die Stromlieferung nach Wien aufgenommen werden.
Gaming II
1990 wurde der Betrieb eines zweiten Wasserleitungskraftwerks in Gaming, einige hundert Meter östlich des Ersten, aufgenommen. Die Hanglage zwischen Gaming I und Gaming II wird genutzt, um Wasser durch ein Druckrohr in die Turbinenhalle zu leiten und dort jährlich etwa 6.000 MWh Strom zu erzeugen. Dieser wird zurück ins Kraftwerk Gaming I geleitet, wo er mit dessen Strom vereinigt wird.
Literatur
- Kontrollamt der Stadt Wien [Hg.], WIENSTROM GmbH, Prüfung des baulichen Zustandes der Kraftwerke Opponitz, Gaming 1 und Gaming 2 und des Umspannwerkes Gresten: Tätigkeitsbericht 2007. Wien, 2007.
- Alfred Drenning: Die II. Wiener Hochquellenwasserleitung. Festschrift, Wien: Compress-Verl. 1988.