Trinkwasserkraftwerke
Trinkwasserkraftwerke nutzen die zwischen verschiedenen Abschnitten von Wasserleitungen herrschenden Druckunterschiede, um Strom zu erzeugen. Sie gelten als besonders wirtschaftlich, da die an manchen Stellen der Wasserleitung vorausgesetzte Druckvernichtung anhand einer Turbine erfolgt, welche die Energie im Gegensatz zu Druckvernichtungsventilen für die Erzeugung von Strom nutzen kann.
Die großen Niveauunterschiede entlang der Ersten und Zweiten Hochquellenleitung ermöglichen die Produktion von Strom durch Wasserkraftwerke an mehreren Stellen. Gegenwärtig (Stand April 2023) erzeugen insgesamt 16 Kraftwerke mit Hochquellwasser Strom: elf in den Quellgebieten in Niederösterreich und der Steiermark, zwei in der Gemeinde Gaming und drei weitere in Wien. Einige dieser Kraftwerke dienen der Versorgung von elektrisch betriebenen Pumpwerken (Hebewerke), die Wasser von niedrig gelegenen Quellen in höher gelegene Leitungsabschnitte heben. In Wien wird der Strom für die Speisung der hochgelegenen Wasserbehälter in den westlichen Bezirken genutzt. Überschüssige Strommengen werden in das allgemeine Leitungsnetz eingespeist und versorgen unter anderem Gemeinden entlang der Hochquellenleitungen mit Strom. Insgesamt erzeugen die 16 Kraftwerke jährlich 65 Millionen Kilowattstunden Strom, was dem Strombedarf Wiener Neustadts entspricht.
Trinkwasserkraftwerke in den Quellgebieten
Die ersten Kraftwerke in den Quellengebieten der Hochquellenleitungen wurden um 1930 errichtet. Dazu zählen 6 Kraftwerke im Quellgebiet der Ersten Hochquellenleitung in Hirschwang sowie sieben Kraftwerke der Zweiten Hochquellenleitung in Wildalpen.
Erste Hochquellenleitung
- Kraftwerk Reithof: 1929 bis 2009
- Kraftwerk Kammer D: 1949 bis 1982
- Kraftwerk Hirschwang: 1953
- Kraftwerk Kaiserbrunn: 1953
- Kraftwerk Hinternaßwald: 1988
- Kraftwerk Naßwald B-Kammer: 2006
Zweite Hochquellenleitung
- Kraftwerk M-Kammer: 1931
- Kraftwerk K-Kammer: 1931
- Kraftwerk G-Kammer: 1936
- Kraftwerk S-Kammer: 1936
- Kraftwerk O-Kammer: 1949
- Kraftwerk Hopfgarten - Kammer 22: 1960
- Kraftwerk Höll: 1977
Trinkwasserkraftwerke entlang der Zweiten Hochquellenleitung
Bereits 1923 wurde mit der Errichtung des Kraftwerks Gaming begonnen, um das an dem Streckenteil besonders starke Gefälle zur Versorgung Wiens mit Strom zu nutzen. Die Bauarbeiten waren ob der Lage und den nötigen Stollen für Kraftwerk und Wasserschloss aufwändig, konnten jedoch bis 1926 abgeschlossen werden. Das Kraftwerk kann pro Jahr über 30 Millionen Kilowattstunden Strom produzieren, der zusammen mit dem Strom aus den Kraftwerken Opponitz (Ybbs) und Partenstein der Stadtwerke Wien – Elektrizitätswerke über die Schaltstelle Gresten nach Floridsdorf geleitet wird. In den 1950er Jahren wurden Pläne für einen weiteren Ausbau verfasst, die nach einer Überarbeitung 1984 zur Errichtung des Kraftwerks Gaming II führten, das seit 1990 Strom erzeugt.
Trinkwasserkraftwerke in Wien
Auch in Wien wurden Trinkwasserkraftwerke eingesetzt, die von den großen Niveauunterschieden des Wiener Rohrnetzes (Höhendifferenz: 320 Meter) profitierten. Neben der Produktion von Strom hatten die Kraftwerke die Funktion, den Wasserdruck zu senken, bevor das Wasser in niedrigere Reservoire geleitet wird. Mit dem erzeugten Strom werden in Wien auch die Hebewerke betrieben, die für die Speisung hochgelegener Wasserbehälter zuständig sind. Das erste Trinkwasserkraftwerk in Wien wurde bereits 1912 am Standort des Wasserbehälters Gallitzinstraße im 16. Bezirk in Betrieb genommen. Ende 1914 waren fünf weitere Werke an Standorten von Wasserbehältern fertiggestellt: Wasserbehälter Rosenhügel, Wasserbehälter Wienerberg, Wasserbehälter Hungerberg, Druckentlastungskammer Mauer und Trinkwasserkraftwerk Wienfluss - Baumgarten. In den Jahren 1949, 1968 und 1971 wurden nach und nach alle Kraftwerke außer Betrieb genommen, da die eigene Produktion durch hohe Wartungskosten von Strom zunehmend unwirtschaftlich wurde. Durch die Festsetzung der Preise für die Abnahme elektrischer Energie aus Ökostromanlagen durch das Ökostromgesetz 2005 wurde der Betrieb von Trinkwasserkraftwerken wieder wirtschaftlich. Aktuell werden in Wien drei Trinkwasserkraftwerke an den Standorten der Druckentlastungskammer Mauer, des Wasserbehälters Schafberg I und des Wasserbehälters Wienerberg betrieben (Stand Mai 2023).
Literatur
- Stadtrechnungshof Wien: Kontrollamt der Stadt Wien: StRH III - 31-1/14. MA 31, Wirtschaftlichkeitsprüfungder Wasserkraftanlagen. Tätigkeitsbericht 2014
- Alfred Drennig: Die II. Wiener Hochquellenwasserleitung. Festschrift. Wien: Compress-Verl. 1988
- Wien, Gemeinderatsausschuss zur Durchführung des Baues einer Zweiten Hochquellenleitung und der Bauten für die Ergänzung der Kaiser-Franz-Josef-Hochquellenleitung [Hg.]: Die Zweite Kaiser-Franz-Josef-Hochquellenleitung der Stadt Wien. Eine Gedenkschrift zum 2. Dezember 1910. Wien: Gerlach & Wiedling 1910