Valie Export
Waltraud Stockinger (Künstlername VALIE EXPORT), * 17. Mai 1940 Linz, Medienkünstlerin, Performancekünstlerin, Filmemacherin.
Biografie
VALIE EXPORT wurde als Waltraud Lehner in Linz geboren, wo sie gemeinsam mit ihrer Mutter, der Volksschullehrerin Margarethe Lehner, geborene Kousal, und zwei älteren Schwestern aufwuchs. Ihr Vater, der Schuldirektor Rudolf Lehner, war im Dezember 1940 im Zweiten Weltkrieg gefallen. Sie besuchte zunächst eine Klosterschule der Kreuzschwestern mit Internat und absolvierte von 1955 bis 1958 die Kunstgewerbeschule in Linz. Noch als Schülerin wurde Waltraud Lehner schwanger, achtzehnjährig heiratete sie den Vater ihres Kindes und brachte die Tochter Perdita zur Welt. 1960 erfolgte die Scheidung, der Umzug nach Wien und ein Studium an der Höheren Bundeslehranstalt für Textilindustrie, das sie 1964 abschloss.
In Wien fand sie über die Studienkollegin Ingrid Schuppan, die spätere Ehefrau von Oswald Wiener, rasch Anschluss an die Künstler der Wiener Gruppe, der neben Oswald Wiener auch Friedrich Achleitner, H. C. Artmann, Konrad Bayer und Gerhard Rühm angehörten. Auch agierte sie im Umfeld des Wiener Aktionismus und war mit dessen Protagonisten bekannt. Zu einer engeren Zusammenarbeit kam es mit der von Männern dominierten Gruppe der Aktionisten nicht, da sie deren Frauenbild ablehnte. 1967 entwickelte sie in Anlehnung an eine damals bekannte Zigarettenmarke den ausschließlich in Großbuchstaben zu schreibenden Künstlernamen VALIE EXPORT, der ihr als Logo, Marke und Konzept dient und unter dem sie weltweit Bekanntheit erlangte. Der Begriff "EXPORT" steht dabei für den Export, das Nach-außen-Tragen ihrer Gedanken.
Nach dem Studienabschluss folgten Tätigkeiten in der Filmbranche. Sie arbeitete als Scriptgirl, Cutterin, Filmkomparsin und schrieb 1966 ihr erstes Drehbuch. 1968 gründete VALIE EXPORT gemeinsam mit Kurt Kren, Gottfried Schlemmer, Hans Scheugl, Ernst Schmidt und Peter Weibel die Austrian Filmmakers Cooperative, um die eigenen, unabhängig produzierten Filme im In- und Ausland zu vertreiben. Im Rahmen ihrer intensiven Beschäftigung mit dem Medium Film experimentierte VALIE EXPORT unter dem Schlagwort des "Expanded Cinema" mit Formen dieses Mediums, die über die Leinwand hinausgingen. Großes Aufsehen erregte sie mit ihrem "Tapp- und Tastkino" (1968), bei dem Passanten die durch eine Box verhüllten Brüste der Künstlerin 30 Sekunden lang betasten durften. Zu ihren frühen, bekanntesten und provokantesten Arbeiten zählen auch die Aktion "Genitalpanik" (1969) (spätere Fotoserie: "Aktionshose: Genitalpanik", VALIE EXPORT trägt dabei eine im Schritt offene Hose und ein Maschinengewehr im Anschlag) und die Körperperformance "...Remote...Remote..." (1973), bei der sie sich mit einem Stanley-Messer in das Fleisch unter ihren Fingernägeln schneidet und ihre blutenden Hände in eine Schüssel voll Milch hält.
Mit ihrer Arbeit stieß VALIE EXPORT in der zeitgenössischen österreichischen Medienlandschaft größtenteils auf Unverständnis; zum Teil wurde die Künstlerin regelrecht diffamiert und angefeindet. Ende der 1960er und in den 1970er Jahren arbeitete die Künstlerin im Bereich des "Expanded Cinema" und in einigen spektakulären Aktionen, wie etwa "Aus der Mappe der Hundigkeit", eng mit Peter Weibel zusammen, mit dem sie auch privat liiert war. 1970 gab sie gemeinsam mit Peter Weibel das Buch "Bildkompendium Wiener Aktionismus und Film" heraus und wurde dafür wegen Pornografie angezeigt. EXPORT verlor in diesem Zusammenhang das Sorgerecht für ihre Tochter, die nicht nach Wien mitgekommen war, sondern in der Familie ihrer älteren Schwester aufwuchs.
Seit 1968 nahm VALIE EXPORT an zahlreichen internationalen Kunstausstellungen teil und präsentierte ihre Arbeiten im Rahmen von Einzelausstellungen. Sie war 1977 an der Documenta 6 in Kassel beteiligt und vertrat gemeinsam mit Maria Lassnig 1980 Österreich bei der Biennale in Venedig. Ihre Filme wurden bei namhaften internationalen Film- und Videofestivals gezeigt und auch ausgezeichnet.
VALIE EXPORTs künstlerisches Œuvre ist weit gesteckt. Es umfasst unter anderem Body Performances, Spielfilme, Experimentalfilme, Dokumentarfilme, Expanded Cinema, digitale Fotografie, konzeptuelle Fotografie, Objekte, Skulpturen und Installationen. Zudem verfasste sie zahlreiche Texte zur zeitgenössischen Kunst und zum Feminismus. Seit den 1980er Jahren hält sie Vorträge, Gastseminare und Sommerakademien und hatte Lehraufträge und Gastprofessuren im In- und Ausland inne. Von 1989 bis 1991 war sie Full Professor an der University of Wisconsin-Milwaukee, von 1995 bis 2005 Professorin für Multimedia und Performance an der Kunsthochschule für Medien in Köln.
VALIE EXPORT gilt als Pionierin des feministischen Aktionismus und als eine der wichtigsten internationalen Vertreterinnen konzeptueller Medien-, Performance- und Filmkunst. In vielen ihrer Arbeiten lotet sie Grenzen aus, thematisiert die Rolle von Geschlecht, Geschlechterhierarchien und Machtverhältnisse. Ihre Werke sind in bedeutenden Museen wie dem "Centre Pompidou" in Paris, dem "Museum of Modern Art" (MoMA) in New York oder der "Tate Modern" in London zu sehen. Das Lentos Kunstmuseum in Linz beherbergt den Vorlass der Künstlerin, der den Grundstein für das VALIE EXPORT Archiv legte, sowie das 2015 gegründete und 2017 eröffnete VALIE EXPORT Center, das sich als ein Forschungszentrum für Medien- und Performancekunst versteht. 2024 gründete die Medienkünstlerin in Wien eine gemeinnützige VALIE EXPORT Stiftung zur Erhaltung, Erforschung und internationalen Positionierung ihres Werks. VALIE EXPORT lebt und arbeitet in Wien.
Literatur
- Valie Export Stiftung gegründet. In: orf.at, 18.01.2024 [Stand: 16.05.2024]
- ORF TV-Thek: Valie Export – Ikone und Rebellin. Gestaltung: Claudia Müller. ORF: 18.05.2015 [Stand: 16.05.2024]
- Thomas Trenkler: Valie Export: "Ich wollte raus". In: www.thomastrenkler.at, 14.04.2015 [Stand: 16.05.2024]
- Simone Reber: Wo Kunst weh tut. In: Zeit online, 17.05.2010 [Stand: 16.05.2024]
- Andrea Zell: Valie Export. Inszenierung von Schmerz: Selbstverletzung in den frühen Aktionen. Berlin: Reimer 2000.
- Susanne Weingarten: Heimkehr der verlorenen Tochter. In: Der Spiegel 18/1997, S. 192–195 [Stand: 16.05.2024]
- Anita Prammer: VALIE EXPORT. Eine multimediale Künstlerin. Wien: Wiener Frauenverlag 1988
- Website: VALIE EXPORT [Stand: 16.05.2024]
- Wiener Frauenpreis: VALIE EXPORT [Stand: 16.05.2024]
- FirmenABC: Valie Export Filmproduktionsgesellschaft m.b.H. [Stand: 16.05.2024]
VALIE EXPORT im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.