Österreichische Historikerkommission

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Daten zur Organisation
Art der OrganisationArt der Organisation
Datum vonDatum (oder Jahr) von 1. Oktober 1998
Datum bisDatum (oder Jahr) bis 27. Jänner 2003
Benannt nach Historiker
Prominente Personen
Wien Geschichte WikiIdentifier/Persistenter URL zur Seite  368316
GNDGemeindsame Normdatei 10047795-1
WikidataIDID von Wikidata Q303355
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Die Historikerkommission der Republik Österreich wurde am 1. Oktober 1998 mit folgendem Mandat eingesetzt: "Den gesamten Komplex Vermögensentzug auf dem Gebiet der Republik Österreich während der NS-Zeit sowie Rückstellungen beziehungsweise Entschädigungen (sowie wirtschaftliche oder soziale Leistungen) der Republik Österreich ab 1945 zu erforschen und darüber zu berichten". In rund vierjähriger Tätigkeit arbeiteten circa 160 Forscherinnen und Forscher an 47 Projekten. Laut Schlussbericht, der am 27. Jänner 2003 übergeben wurde, sind folgende Bevölkerungsgruppen während der NS-Zeit wirtschaftlich geschädigt worden: Jüdische Bevölkerung, Nicht-jüdische Bevölkerung, Israelitische Kultusgemeinde, katholische Kirche und Vereine, Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter.

Inhalt:
  1. Vermögensentzug der jüdischen Bevölkerung in der NS-Zeit
    1. Jüdisches Vermögen, Versicherungen
    2. Liegenschaftseigentum, Mietrechte, mobiles jüdisches Eigentum
    3. Berufsverbote und rassistische Steuern für die jüdische Bevölkerung
    4. Entzug der Staatsbürgerschaft, Entfernung aus den Bildungsinstitutionen
  2. Politisch Verfolgte, Homosexuelle, "Euthanasie"-Opfer
    1. Politisch Verfolgte
    2. Homosexuelle
    3. "Euthanasie"-Opfer
  3. Israelitische Kultusgemeinde, katholische Kirche und Vereine
    1. Israelitische Kultusgemeinde Wien
    2. Katholische Kirche
    3. Vereine, Stiftungen und Fonds
  4. Volksgruppen
    1. Roma und Sinti
    2. Sloweninnen und Slowenen
    3. Tschechinnen und Tschechen
    4. Kroatinnen und Kroaten, Ungarinnen und Ungarn
  5. Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter
    1. Landwirtschaft
    2. Industriebetriebe
    3. Staat

Vermögensentzug der jüdischen Bevölkerung in der NS-Zeit

Die wirtschaftliche Schädigung durch den Nationalsozialismus zerstörte die soziale und individuelle Existenz von Jüdinnen und Juden. Die Maßnahmen richteten sich gegen alle, die nach den "Nürnberger Gesetzen" als Juden definiert wurden. Dazu gehörten Menschen jüdischen Glaubens sowie Personen mit jüdischen Vorfahren. Motive waren neben Antisemitismus und Rassismus unmittelbare Bereicherung, sozialpolitische Erwägungen (etwa Wohnraumbeschaffung für Volksgenossinnen und Volksgenossen) und wirtschaftliche Interessen (Firmenübernahmen, Kapitalverflechtung, Ausschaltung von Konkurrenz, Kriegsfinanzierung). Der Vermögensentzug geschah unter breiter Beteiligung der Bevölkerung. Die Beraubungspolitik ging mit der Vertreibung einher und ist im Rückblick als eine Vorstufe der Deportation und Ermordung der jüdischen Bevölkerung zu sehen.

Jüdisches Vermögen, Versicherungen

Jüdisches Vermögen

Im März 1938 lebten in Österreich schätzungsweise über 200.000 Personen, die nach nationalsozialistischen Vorgaben als Jüdinnen und Juden verfolgt wurden. Diese verfügten über ein geschätztes Vermögen zwischen 1,842 und 2,9 Milliarden Reichsmark und besaßen zwischen 25.000 und 36.000 Betriebe. Einer etablierten großbürgerlichen und mittelständischen Schicht stand eine große Zahl relativ armer Jüdinnen und Juden gegenüber. Die meisten von ihnen waren um die Jahrhundertwende und während des Ersten Weltkrieges aus den östlichen Teilen der Monarchie zugewandert.

Mit der Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Jüdinnen und Juden vom 26. April 1938 wurden alle Jüdinnen und Juden sowie deren Ehemänner und -frauen verpflichtet, ihr gesamtes in- und ausländisches Vermögen und kapitalisiertes Einkommen zu bewerten. Vermögen über einem Wert von 5.000 Reichsmark musste angemeldet werden.

Die Vermögensentziehung erstreckte sich auf den gesamten Besitz - bis zum Hausrat der zuerst Zwangsumgesiedelten und dann Deportierten. Auf Grundlage der elften Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. November 1941 wurde das Vermögen sämtlicher ins Ausland vertriebener Jüdinnen und Juden für verfallen erklärt. Die letzten Habseligkeiten der Deportierten wurden in den Ghettos und Vernichtungslagern bis zur Verwertung der Goldzähne der Ermordeten systematisch geraubt. So kam es im NS-Regime zum Totalentzug jedweden jüdischen Vermögens.

Versicherungen

Jüdinnen und Juden waren gezwungen, Prämienzahlungen für ihre Lebensversicherungen einzustellen und Versicherungspolizzen zurück zu verkaufen. Gründe waren Berufsverbote, Existenzvernichtung und die Notwendigkeit, die für eine Ausreise erforderlichen finanziellen Mittel zu erhalten. Aus diesen Rückkäufen lukrierte die Versicherungswirtschaft Stornogewinne. Versicherungsbeiträge von "Emigrantinnen und Emigranten" wurden auf Sperrkonten überwiesen. Die Pfändung von Kapitalversicherungspolizzen diente den Finanzämtern zur Abdeckung von (auch fiktiven) Steuerschulden der Jüdinnen und Juden. Der Rückkaufwert wurde in diesen Fällen an das Deutsche Reich geleistet.

Im Zuge des Novemberpogroms 1938 kam es zu einem Entzug von Glasbruch- und ähnlichen Versicherungen. Für beschädigte Wohnungseinrichtungen, zerstörte Geschäftsauslagen sowie Fenster und Inventar zerstörter Synagogen und Bethäuser konnten die jüdischen Versicherungsnehmerinnen und -nehmer keine Entschädigung aufgrund entsprechender Versicherungspolizzen erhalten. Obwohl auch diese Leistungen an das Deutsche Reich gezahlt werden mussten, wurden die eigentlichen Versicherungsnehmerinnen und -nehmer zu weiteren Zahlungen angehalten.

Als Folge der elften Verordnung zum Reichsbürgergesetz galten mit 31. Dezember 1941 alle jüdischen Versicherungspolizzen als beschlagnahmt. Dadurch wurde der Versicherungsschutz aller Jüdinnen und Juden aufgehoben.

Liegenschaftseigentum, Mietrechte, mobiles jüdisches Eigentum

Liegenschaftseigentum

Bald nach dem "Anschluss" wurde Liegenschaftseigentum "arisiert". Durch Berufsverbote beziehungsweise Existenzvernichtung wurden Jüdinnen und Juden zum Verkauf von Liegenschaften gezwungen. Andererseits mussten die erforderlichen Mittel zur Begleichung diskriminierender Abgaben und zur Finanzierung der Flucht aufgebracht werden. Die "Arisierung" von Liegenschaften erfolgte am häufigsten in Form eines - meist fragwürdigen - Kaufes, der Kauferlös musste auf einem Sperrkonto hinterlegt werden.

Durch die zusätzlich geforderte Judenvermögensabgabe wurde nach dem Novemberpogrom der Druck auf jüdische Eigentümerinnen und Eigentümer verstärkt. Der unmittelbare Zwang zur Veräußerung setzte mit der Verordnung über den Einsatz jüdischen Vermögens (3. Dezember 1938) ein. Damit wurde die "Zwangsentjudung" von Liegenschaften einer entschieden staatlichen Lenkung unterworfen. Die elfte Verordnung zum Reichsbürgergesetz (25. November 1941) ist Ausdruck der entfesselten antisemitischen Praxis des NS-Regimes. Deportation und Ermordung der (ehemaligen) Liegenschaftseigentümerinnen und -eigentümer ging damit Hand in Hand. Die Liegenschaften der vertriebenen und in Konzentrationslager deportierten Jüdinnen und Juden fielen an das Deutsche Reich.

Jüdische Mieterinnen und Mieter

Bereits in den ersten Tagen nach dem "Anschluss" wurden jüdische Mieterinnen und Mieter aus ihren Wohnungen vertrieben. Die "wilden Arisierungen" von Wohnungen begannen als spontane Aktionen. Alle Berichte Betroffener erzählen von den Plünderungen und dem gewaltsamen Eindringen zum Großteil bewaffneter NS-Parteigenossen, aber auch benachbarter Hausparteien. Zu diesem Zeitpunkt hatte der gesetzliche Mieterschutz für jüdische Mieterinnen und Mieter aber nach wie vor Gültigkeit. Durch eine Verordnung vom 10. Mai 1939 wurde die Kündigung jüdischer Mieterinnen und Mieter gesetzlich zulässig, jedoch waren auch danach keine Vermieterinnen und Vermieter zur Kündigung gezwungen. Nach der "Arisierung" mussten die zugewiesenen Unterkünfte mehrfach gewechselt werden. In Sammelwohnungen lebten meist mehrere Familien auf engstem Raum. Als letzte Station vor der Deportation wurden sie in Sammellager gesperrt.

Mobiles jüdisches Eigentum

Die Plünderungen und Beschlagnahmungen mobilen jüdischen Eigentums (wie Hausrat, Schmuck, Bücher, Kunst- und Kultgegenstände) setzten unmittelbar mit dem "Anschluss" Österreichs ein. Sie hielten während der folgenden Wochen an, ohne dass zunächst Verordnungen oder Vorschriften vorlagen. An den Übergriffen beteiligten sich NSDAP-, SS- und SA-Angehörige ebenso wie Teile der lokalen Bevölkerung. Groß angelegte Plünderungen, Verwüstungen, Raub und Zerstörungen enormer Sachwerte fanden während des Novemberpogroms 1938 statt.

Ein Erlass von Heinrich Himmler ermächtigte am 30. Juli 1938 die Staatspolizeistellen, in Österreich beschlagnahmtes mobiles Vermögen von Jüdinnen und Juden zu versteigern. Das Dorotheum hatte am Vermögensentzug und bei der Verwertung entzogener Objekte eine führende Rolle. Die Anfang September 1940 geschaffene "Verwertungsstelle für jüdisches Umzugsgut der Gestapo" (VUGESTA) verknüpfte privatwirtschaftliche Interessen mit Bestrebungen, die "Entjudung" der Gesellschaft auf für die "arische" Bevölkerung gewinnbringende Weise durchzuführen. Mit Beginn der Massendeportationen im Februar 1941 begannen auch die Verkaufsaktionen in Wien. Versteigert wurde alles bis zu den letzten Habseligkeiten der Deportierten. Die elfte Verordnung zum Reichsbürgergesetz (25. November 1941) automatisierte die Einziehung jüdischer Vermögenswerte zugunsten des Reiches. Neben dem Dorotheum profitierten vor allem andere Auktionshäuser, private Antiquitätenhandlungen, aber auch öffentliche Museen, wissenschaftliche Institutionen (wie die Universität Wien) oder die Nationalbibliothek vom Verwertungsprozess.

Berufsverbote und rassistische Steuern für die jüdische Bevölkerung

Berufsverbote für die jüdische Bevölkerung

Die erste von Berufsverboten und Entlassungen betroffene Berufsgruppe waren Beamtinnen und Beamte. Eine Richtlinie vom Juni 1938 legte den Betrieben die Kündigung von Jüdinnen und Juden, von sogenannten "Mischlingen" und von mit Jüdinnen oder Juden verheirateten Bediensteten nahe. In anderen Bereichen, vor allem in der Privatwirtschaft, fanden in den ersten Wochen nach dem "Anschluss" noch nicht zentral gesteuerte Kündigungen jüdischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer statt. Es durften jedoch keine gesetzlichen Abfertigungen ausbezahlt werden. Individuell festzulegende Abfertigungen durften 10.000 Reichsmark nicht überschreiten.

Rassistische Steuern und diskriminierende Abgaben

Eine der wesentlichsten Entzugsarten war die Einhebung von Steuern und Sonderabgaben nach rassistischen Kriterien. Die Judenvermögensabgabe (JUVA) betrug zunächst 20 Prozent und ab Oktober 1939 25 Prozent des angemeldeten Vermögens.

Die Reichsfluchtsteuer wurde in Deutschland seit 1931 eingehoben und ab 1933 zu einer antisemitischen Sondersteuer. Ab 14. April 1938 wurde durch diese Steuer auch in Österreich jüdisches Vermögen entzogen. Bei Verlassen des Deutschen Reichs mussten Jüdinnen und Juden 25 Prozent des 1938 gemeldeten Vermögens als Steuer entrichten. Die Reichsfluchtsteuer wurde auch bei der zwangsweisen Verbringung in ein Konzentrationslager außerhalb der Reichsgrenzen eingehoben. Bei der "Arisierung" von jüdischem Vermögen musste vom "Ariseur" eine "Entjudungsauflage" gezahlt werden. Zu den weiteren Zwangsabgaben zählen die "Passumlage", die "Auswandererabgabe" und die "Sozialausgleichsausgabe".

Entzug der Staatsbürgerschaft, Entfernung aus den Bildungsinstitutionen

Entzug der Staatsbürgerschaft

Nach dem März 1938 wurde Jüdinnen und Juden und anderen von den Nationalsozialisten Verfolgten die Staatsbürgerschaft entzogen. Entweder wurden sie ausgebürgert oder es wurde die vor 1938 erfolgte Einbürgerung widerrufen. Die Ausbürgerung erfolgte vor allem nach 1941 per kollektivem Bescheid. Mit der stufenweisen Entrechtung durch die "Nürnberger Gesetze" und die Folgegesetze ab Mai 1938, ging eine Depersonalisierung der österreichischen Jüdinnen und Juden einher. Nach der elften Verordnung zum Reichsbürgergesetz kam es zum kollektiven Entzug der Staatsbürgerschaft aller im Ausland befindlichen Jüdinnen und Juden. Der willkürliche Entrechtungs- und Ausbürgerungsprozess war nicht nur eine Vorstufe der Vernichtung, sondern auch eine Umkehrung des langen Emanzipationsprozesses der österreichischen Jüdinnen und Juden. Erst 1993 konnte eine einigermaßen zufriedenstellende Regelung des Staatsbürgerschaftswesens hergestellt werden.

Entfernung aus den Bildungsinstitutionen

Jüdische und NS-feindliche Universitätsangehörige wurden sofort nach dem Anschluss beurlaubt. Beamtete Universitätsangestellte hatten wie andere öffentliche Bedienstete den Eid auf Hitler zu leisten. Wer aufgrund der Abstammung diesen Eid nicht leisten konnte, musste sich von jeglicher Dienstleistung zurückziehen. Jüdische Lehrerinnen und Lehrer wurden entlassen. Die systematische Ausschaltung der Jüdinnen und Juden aus Wirtschaft und Gesellschaft erstreckte sich auch auf die Entfernung jüdischer Schülerinnen und Schüler sowie Studierender aus sämtlichen Bildungsinstitutionen.

Politisch Verfolgte, Homosexuelle, "Euthanasie"-Opfer

Politisch Verfolgte

Die Anzahl der in der NS-Zeit auf dem Gebiet der Republik Österreich politisch verfolgten Personen ist bis heute nicht bekannt. Anders als bei Jüdinnen und Juden kann bei dieser Gruppe kein allgemeiner oder systematischer Vermögensentzug festgestellt werden. Vermögensschäden ergaben sich bei diesem Personenkreis einerseits infolge politisch motivierter Kündigungen, Entlassungen, Zurückstufungen und verminderter Karrierechancen, andererseits infolge gerichtlicher Verurteilungen auf Grund oppositioneller Handlungen. "Tatwerkzeuge" (wie Radioapparate, Spendengelder) wurden eingezogen. Bei Verhaftungen und Hausdurchsuchungen wurden durch die Gestapo auch Schmuck, Bargeld und Wertgegenstände beschlagnahmt.

Homosexuelle

Homosexuelle wurden vor und nach der NS-Zeit strafrechtlich verfolgt. In Berlin wurde 1936 die Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und Abtreibung gegründet. Während der NS-Zeit wurden von den Wiener Gerichten fast 700, von den Gerichten österreichweit über 3.000 Personen wegen Homosexualität verurteilt und auch in Konzentrationslagern inhaftiert. Auch wenn im Zuge der Homosexuellenverfolgung kein systematischer Vermögensentzug festgestellt werden kann, gab es bei Angehörigen des Klerus gezielten Vermögensentzug. Vor allem Klöster wurden mit dem Vorwurf der Homosexualität konfrontiert und von Staat und Polizei übernommen. Immobilien und klostereigene Wirtschaftsbetriebe waren vom Vermögensentzug betroffen.

"Euthanasie"-Opfer

Die Ermordung geistig oder körperlich Behinderter stand - neben rassenhygienischen Intentionen - im Zeichen der Ersparnis von Pflege- und Unterbringungskosten sowie sozialen Aufwands. Menschliches Leben war einer erbarmungslosen Kosten-Nutzen-Rechnung unterworfen.

Der "Kindereuthanasie" (1939 bis 1945) lagen vor allem rassenhygienische Motive zu Grunde. Sekundär ging es um medizinische Forschungs- und Versuchszwecke. Eines der Institute, das unter dem Deckmantel der Wissenschaft mordete, war die "Kinderfachabteilung" "Am Spiegelgrund" der Heil- und Pflegeanstalt "Am Steinhof". Im Rahmen der "T4"-Aktion (benannt nach der Berliner Adresse Tiergartenstraße 4, wo diese geplant und organisiert wurde) wurden allein in Schloss Hartheim zwischen Mai 1940 und August 1941 18.269 Personen ermordet. Durch die Darstellung als "natürlicher" Tod trat die gesetzliche Erbfolge ein. Auch wenn das Vermögen der Opfer so unangetastet blieb, wurden die persönlichen Habseligkeiten der Ermordeten oft den Hinterbliebenen vorenthalten.

Am 24. August 1941 kam es zum "T4"-Stopp durch Hitler. Vor allem die Bevölkerung, die trotz strengster Geheimhaltung davon erfuhr, reagierte sehr ablehnend. Die Angehörigen versuchten Verwandte herauszuholen und Repräsentantinnen und Repräsentanten der Kirche protestierten. Trotz des Stopps gingen die Euthanasiemorde weiter. Arbeitsunfähige, politische und "rassisch" missliebige Häftlinge wurden im Rahmen der Aktion "14f13" vergast.

Für die Ärztinnen und Ärzte, die über das Leben der Behinderten entschieden, ergab sich aus der Gutachtertätigkeit ein ansehnlicher Nebenverdienst. Von den Angehörigen der Ermordeten sowie deren Heimatgemeinden wurde über den Tod der Opfer hinaus Pflegekostenersatz verlangt. Durch den Wegfall des Pflegeaufwandes kam es zu beträchtlichem volkswirtschaftlichen Profit für das Deutsche Reich. Einsparungen kamen nach 1945 auch der Republik Österreich zugute.

Israelitische Kultusgemeinde, katholische Kirche und Vereine

Das NS-Regime beschlagnahmte das Vermögen von Kirchen und Religionsgemeinschaften sowie von Vereinen, Stiftungen und Fonds.

Israelitische Kultusgemeinde Wien

Bereits am 13. März 1938 wurden alle Büros wichtiger jüdischer und zionistischer Organisationen verwüstet und geschlossen, Akten und Gelder konfisziert, Funktionärinnen und Funktionäre verhaftet. Die gesamte jüdische Interessenvertretung wurde dadurch lahm gelegt. Nach der angeordneten Wiedereröffnung der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG) (2. Mai 1938) und des Palästina-Amtes (3. Mai 1938) wurde der Aufgabenkreis im Sinne der NS-Politik völlig verändert und für deren Anliegen bis zur Verfolgung und Deportation instrumentalisiert. Aufgrund einer Verfügung der Gestapo wurde der zuvor inhaftierte Josef Löwenherz mit der Leitung der IKG beauftragt. Durch die Zusammenlegung der Verantwortlichkeiten versprachen sich die NS-Behörden einen leichten Umgang mit jüdischen Institutionen. Statt der ursprünglichen religiösen, sozialen und kulturellen Aufgaben wurden die Organisierung der jüdischen Auswanderung und die (zwangsläufige) Fürsorge zu den fast ausschließlichen Funktionen der IKG.

Die umfangreichen Aufgaben mussten unter extrem angespannten finanziellen Verhältnissen bewältigt werden. Im November 1942 wurde das Vermögen der Kultusgemeinde dem "Ältestenrat der Juden in Wien" überschrieben und die Agenden übergeben. Rund 283.000 Reichsmark wurden bei Auflösung der Kultusgemeinde dem Ältestenrat zur Verfügung gestellt. Die restlichen Vermögen von circa 6,5 Millionen Reichsmark mussten dem Auswanderungsfonds ausbezahlt werden. Kultusgemeinde und Ältestenrat wurden für die Verfolgung und Deportation instrumentalisiert.

Bis 1942 vertrat neben der IKG-Wien die "Gildemeester-Aktion" (ab 1939 "Auswanderungshilfsstelle für Nichtglaubensjuden") die Nichtglaubensjuden. Diese unterstanden der strikten Kontrolle der Zentralstelle für jüdische Auswanderung und deren Leiter Adolf Eichmann. Im Zuge der Auflösung aller Kultusgemeinden außerhalb Wiens (1940) wurden alle verbliebenen finanziellen Mittel dem Sprengel der IKG zugewiesen.

Katholische Kirche

Das dichte Netz von Einrichtungen der katholischen Kirche und ihre tiefe Verankerung in der Gesellschaft gefährdeten die Ziele der NS-Herrschaft: die totale Kontrolle über die Menschen. Zur Durchsetzung des ideologischen Alleinvertreteranspruches wurde der kirchliche Einfluss auf das Bildungswesen ausgeschaltet. Das konfessionelle Schulwesen und die katholischen Vereine wurden aufgelöst beziehungsweise zur Selbstauflösung gezwungen. Das Gebiet Österreichs wurde zum konkordatsfreien Raum (Ungültigkeit des Vertrages mit dem Vatikan).

Die Nationalsozialisten griffen auf die Vermögenswerte der katholischen Kirche in Österreich zu. Statt der Finanzierung durch den "Religionsfonds" (Erträge des von Kaiser Joseph II. eingezogenen Kirchenvermögens) und staatlichen Zahlungen wurde das Kirchenbeitragssystem eingeführt. Die NS-Führung hoffte laut Gesprächsprotokollen, dass Katholikinnen und Katholiken daraufhin scharenweise die Kirche verlassen würden. Christliche Kirchen verloren so auch staatliche Unterstützungen. Das vielfältige katholische Vereinswesen wurde aufgelöst. Der Vermögensentzug betraf auch 26 große Stifte mit umfangreichen landwirtschaftlichen Besitzungen, gewerblichen Betrieben und Kunstschätzen.

Teile der evangelischen wie auch der katholischen Kirche standen dem "Anschluss" positiv gegenüber. Durch die antireligiösen Maßnahmen des NS-Regimes führte insbesondere die Umstellung auf das Kirchenbeitragssystem auch in den evangelischen Kirchen zu einer deutlichen Finanzreduktion.

Vereine, Stiftungen und Fonds

Die am 18. März 1938 geschaffene Dienststelle des Stillhaltekommissars war für die ideologische Gleichschaltung und materielle Ausbeutung der Vereine, Organisationen und Verbände zuständig. Die Eingriffe erstreckten sich auch auf andere Organisationsformen wie Kammern und Gewerkschaften, Zünfte und Innungen, Religionsgemeinschaften, katholische Kongregationen, die Vaterländische Front, Versicherungsvereine, berufsständische Organisationen oder Interessenvertretungen. Die festgestellten Reinvermögen der Vereine bildete die Grundlage für die Berechnung der Aufbauumlage (für den Aufbau der NSDAP) und der Verwaltungsgebühr (zur Deckung der laufenden Ausgaben der Stillhaltekommissar-Dienststelle). Vereine konnten aufgelöst, samt ihrem Vermögen in andere (vor allem NS-)Organisationen eingewiesen oder unter nationalsozialistischem Einfluss freigestellt werden. Bei aufgelösten Vereinen wurde das gesamte Vereinsvermögen beschlagnahmt. Insgesamt wird von rund 70.000 durch den (bis 30. November 1939 bestehenden) Stillhaltekommissar abgewickelten Vereinen und Organisationen ausgegangen. Aufgrund der großen Vermögenswerte nahmen Stiftungen und Fonds eine Sonderstellung ein. Der Wert des vom Stillhaltekommissar entzogenen Vermögens liegt zwischen 236 und 253 Millionen Reichsmark. Nutznießer waren die NSDAP und ihre Unterorganisationen, aber auch Gemeinden und im nationalsozialistischen Sinn umgeformte oder neu geschaffene Dachverbände wie die Wirtschaftskammer Wien. Das Vermögen jüdischer Organisationen wurde zu einem Teil zur Finanzierung der Flucht und für die Fürsorge verwendet.

Volksgruppen

Roma und Sinti

Von den ungefähr 11.000 vor dem "Anschluss" in Österreich lebenden Roma und Sinti überlebten nur 1.500 bis 2.000 die NS-Herrschaft. Bei der Verfolgung wurde auf bereits lange vor 1938 bestehende Diskriminierungen und Stigmatisierungen aufgebaut. Nicht nur Roma, Sinti und Lalleri sondern auch "nach Zigeunerart herumziehende Personen" wurden als "Zigeuner" verfolgt. Gleichzeitig gerieten sie in die Kategorie der "asozial" verfolgten Personen, was nach 1945 die Durchsetzung der Entschädigungsansprüche erschwerte.

Schon 1938 (gesamtes Deutsches Reich: 1941) wurde den Kindern der Schulbesuch verboten. Fürsorgeleistungen wurden vorenthalten und Gewerbeberechtigungen entzogen. Bereits im Juli 1938 wurden im Burgenland Roma und Sinti zur Zwangsarbeit in öffentlichen Bauvorhaben eingezogen. Im Herbst 1940 wurde mit der Errichtung von Zwangsarbeitslagern begonnen. Die Familienlager in Lackenbach, in Salzburg-Maxglan, in Weyer und das Lager für arbeitsfähige Männer im "Reichsgau Steiermark" waren rassistisch motivierte Ausgrenzungs-, Arbeits-, Sammel- und Durchgangslager.

Die Enteignung der Roma und Sinti steht in direktem Zusammenhang mit der Inhaftierung in Zigeunerlagern, der Deportation in das Ghetto in Lodz und das Konzentrationslager Auschwitz. Zurückgelassenes Eigentum wurde zu "volks- und staatsfeindlichem Vermögen" und fiel als solches an das Deutsche Reich. Für entzogene Immobilien, Bargeld und Mobilien wurde weder den Geschädigten noch deren Erbinnen und Erben Entschädigung bezahlt.

Sloweninnen und Slowenen

Die Zahl der Kärntner Sloweninnen und Slowenen wird für das Jahr 1938 auf 20.000 bis 30.000 Personen geschätzt. Aktionen gegen diese setzten nicht sofort mit der nationalsozialistischen Machtübernahme in Österreich ein.

Die Situation änderte sich grundlegend mit dem Überfall NS-Deutschlands und seiner Verbündeten auf Jugoslawien, dessen Aufteilung und der Angliederung slowenischer Gebiete an Kärnten und die Steiermark. Alle slowenischen Vereine wurden nun aufgelöst.

Innerhalb weniger Stunden Frist hatten im April 1942 1.075 Kärntner Sloweninnen und Slowenen ihre Besitzungen zu verlassen, 917 von ihnen wurden in Lager gebracht. Als Reaktion auf die aktive Partisanentätigkeit fanden ab der zweiten Jahreshälfte 1944 neuerliche Aussiedlungen statt. Bis in die Jahre 1944/45 kam es zu weiteren Enteignungen, Verhaftungen, Einweisungen in Konzentrationslager bis hin zu Todesurteilen.

Slowenische Genossenschaften wurden zunächst unter kommissarische Verwaltung gestellt. Schließlich wurden diese mit "deutschen" Genossenschaften verschmolzen oder unter "deutsche" Führung gestellt.

Tschechinnen und Tschechen

Vor 1938 lebten in Österreich 51.866 Tschechinnen und Tschechen. Die "Neuordnung" und "Rationalisierung" des Genossenschaftswesens hatte für die national orientierten tschechischen Herstellungs- und Handelsgenossenschaften die "Germanisierung" zur Folge. Keines der größeren national orientierten tschechischen Unternehmen in Wien wurde liquidiert oder enteignet.

Etwa 300 bis 400 Vereine bestimmten in Wien als wichtigste öffentliche Organisationsform alle Bereiche des Lebens der Minderheit. Diese wurden zwar "germanisiert" und gleichgeschaltet, teilweise wurde Vermögen durch den Stillhaltekommissar entzogen, sie blieben aber im Allgemeinen erhalten.

Kroatinnen und Kroaten, Ungarinnen und Ungarn

Auf die Volksgruppen der Kroaten (geschätzte 35.000 Personen) und Ungarn (geschätzte 30.000 bis 40.000 Personen) im Gebiet des Burgenlandes wurde zwar Germanisierungsdruck ausgeübt - so wurde der Schulunterricht in Kroatisch und Ungarisch abgeschafft - sie wurden aber nicht aus nationalen oder rassistischen Motiven verfolgt. Zu geringem Vermögensentzug kam es primär im Bereich des Vereins- und Stiftungswesens, das den Maßnahmen des Stillhaltekommissars unterlag.

Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter

Von Zwangsarbeit im Nationalsozialismus ist dann zu sprechen, wenn eine Person aus rassistischen, nationalen, ethnischen, religiösen und/oder politischen Gründen arbeiten musste, insbesondere dann, wenn diskriminierende arbeitsrechtliche Sonderbedingungen geschaffen wurden. Die Lebensverhältnisse der Menschen, die von NS-Behörden zur Arbeit gezwungen wurden, waren höchst unterschiedlich. Rassistische Hierarchisierungen, Schwere der Arbeit, materielle Versorgung, Ernährung und Unterkunft, Arbeitszeiten, Entlohnung und die Behandlung durch Vorgesetzte bestimmten die Lebensumstände. Dazu kamen erschwerende Umstände wie Strafen und Zwangsabtreibungen bei Frauen.

Mehr als ein Drittel der Arbeitsplätze in Industrie und Gewerbe wurden 1944 von zivilen Ausländerinnen und Ausländern besetzt. Besondere Bedeutung erlangte der Einsatz am Bau und bei der Reichsbahn. Bei den Kriegsgefangenen dominierte zunächst der Einsatz in Land- und Forstwirtschaft. Dem Einsatz in Handwerk und Industrie, vor allem in der Bauwirtschaft, kam zunehmend Bedeutung zu. Die über das ganze Land verteilten 40 Außenlager des Konzentrationslagers Mauthausen und 13 kleinere Außenlager des Konzentrationslagers Dachau in Westösterreich wurden zum Zweck der durchwegs lebensbedrohenden Zwangsarbeit eingerichtet. Ab 1942 wurden KZ-Häftlinge als eine der letzten Arbeitskraftreserven für die deutsche Kriegswirtschaft gesehen. Im Frühsommer und Herbst 1944 wurden mindestens 55.000 ungarische Jüdinnen und Juden zur Zwangsarbeit nach Ostösterreich deportiert. Katastrophale Arbeits- und Lebensbedingungen (insbesondere am Südostwallbau) forderten das Leben Tausender Menschen. Bei Herannahen der Front wurden die Jüdinnen und Juden in Todesmärschen Richtung Mauthausen und das Auffanglager Gunskirchen (Oberösterreich) getrieben, wobei es in vielen Orten zu regelrechten Massakern kam.

Landwirtschaft

Kennzeichnend für die Zwangsarbeit in der Landwirtschaft ist eine im Vergleich zum Einsatz in der Industrie größere Bandbreite zwischen "guter" und "schlechter" Behandlung. Bei aller Unterschiedlichkeit der individuellen Situationen kann davon ausgegangen werden, dass Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in der Land- und Forstwirtschaft in der Regel besser verpflegt und nicht schlechter untergebracht waren als jene in der Rüstungsindustrie. Für Bauern als Produzenten ließen sich aufgrund von Lieferverpflichtungen mit Zwangsarbeitskräften kaum große Gewinne erwirtschaften. Jedoch sicherte die Zwangsarbeit auch in der Landwirtschaft den Fortbestand von Betrieben. Persönliche Dienstleistungen kamen den bäuerlichen Besitzerinnen und Besitzern unmittelbar zugute.

Industriebetriebe

Die Arbeitsproduktivität von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern war aufgrund der Arbeitsumstände wahrscheinlich niedriger als die der heimischen Arbeitskräfte. Aus dieser Sicht war der Einsatz ausländischer Arbeitskräfte für die Industriebetriebe kein unmittelbarer Vorteil. Jedoch waren vor allem sowjetische Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge oft unter Arbeitsbedingungen tätig, die inländischen Arbeitskräften nicht zugemutet werden konnten. Ohne Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter hätten die Industriebetriebe die Produktion zurücknehmen müssen oder wären zur Stilllegung gezwungen gewesen.

Staat

Für den Staat war die Zwangsarbeit ein Mittel zur gesellschaftlichen Stabilisierung und zur Aufrechterhaltung der Kriegswirtschaft. Die nationalsozialistische Herrschaft profitierte mehrfach: durch Steuern und Abgaben, durch die Nutzung von Arbeitskräften und durch den generellen Stabilisierungseffekt, der mit der Zwangsarbeit für das Herrschaftssystem verbunden war. Im Bereich der Infrastrukturinvestitionen spielte Zwangsarbeit bei der Durchführung einzelner Projekte (Wohnbauten, Kraftwerksbauten) eine wesentliche Rolle. Hier wurden zweifellos Werte geschaffen, die der österreichischen Volkswirtschaft nach 1945 zufielen.

Weblinks