Wolfgang Georg Fischer
Wolfgang Georg Fischer, * 24. Oktober 1933 Wien, † 23. September 2021 Wien, Schriftsteller, Kunsthistoriker.
Biografie
Wolfgang Georg Fischer wuchs in bürgerlichen Verhältnissen in der Inneren Stadt und in Pötzleinsdorf auf, sein Vater, Heinrich „Harry“ Fischer, war Buchhändler. Ab 1927 führte Fischers Vater gemeinsam mit Josef Berger die Buchhandlung Berger & Fischer am Kohlmarkt; wenige Jahre später verkaufte er seine Anteile an der Buchhandlung und wurde Teilhaber der Verlagsbuchhandlung Frick. Fischers Mutter, Martha, war die Tochter des sozialdemokratischen Parlamentsabgeordneten Anton Hölzl.
Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich floh die Familie wegen der jüdischen Herkunft des Vaters nach Jugoslawien, wo sie zuerst in einem Landsitz der Familie Meinl – Harry Fischer war mit Julius Meinl III. befreundet – an der steirischen Grenze unterkam. Anfang 1939 zogen die Fischers nach Zagreb, im Sommer 1939 ging der Vater nach England – der Kriegsausbruch im September trennte die Familie. Die Eltern arrangierten eine „Scheinscheidung“, Mutter und Sohn kehrten 1940 nach Wien zurück, wo Wolfgang Georg eingeschult wurde.
Fischer besuchte nach dem Krieg das Hernalser Gymnasium Geblergasse, an dem er 1953 maturierte. Danach studierte er an der Universität Wien Kunstgeschichte und Archäologie, ein Semester verbrachte er in Freiburg im Breisgau, für die Dissertation ging er ein Jahr nach Paris. Nach dem Abschluss des Studiums folgte 1961 ein Forschungsaufenthalt an der Harvard University und 1962 – gemeinsam mit seiner Frau Jutta – ein Lehrauftrag am Smith-College in Northampton, Massachusetts. 1963 ging das Paar schließlich nach London, wo der Vater nach dem Krieg geblieben war und 1947 die Galerie „Marlborough Fine Art“ gegründet hatte – Wolfgang trat in den Betrieb ein. Die Galerie vertrat unter anderem Henry Moore, Francis Bacon oder Oskar Kokoschka, eine Zeitlang auch Lucian Freud. Wolfgang Fischer kuratierte 1964 die erste Ausstellung von Werken Egon Schieles in Großbritannien.
In den 1960er Jahren kamen die Kinder Flora, Bettina und Toby auf die Welt, in dieser Zeit fing Fischer auch an, Prosatexte zu verfassen und begann ein Romanprojekt: „Mir schwebte ein Werk vor, das ich ,Wohnungspositionen‘ nennen wollte, in dem Wohnungen, Hotelzimmer, Gastzimmer, Besuchszimmer die Protagonisten sein würden.“[1] 1969 erschien der Roman unter dem Titel „Wohnungen“ im Hanser Verlag, er wurde durchgehend positiv besprochen – und der Debütant Fischer erhielt den Schweizer Charles-Veillon-Preis. 1972 folgte, ebenfalls bei Hanser, der Roman „Möblierte Zimmer“. Im selben Jahr gründete Wolfgang Georg Fischer seine eigene Galerie in London: „Fischer Fine Art Limited“. Eine seiner ersten Ausstellungen war wieder Egon Schiele gewidmet. Die wirtschaftliche Lage der jungen Galerie blieb in den 1970er Jahren prekär, zugleich war Fischer zwischen dem Kaufmännischen und der Schriftstellerei hin und her gerissen. Der Schiele-Experte schrieb das Drehbuch zur dem 1980 gesendeten Fernsehfilm „Egon Schiele“ (ORF/ZDF 1980, Felix Mitterer als Schiele, Musik von Gottfried von Einem). Bis 1992 funktionierte der Galeriebetrieb, dann wurde die Londoner Immobilie ohne Aussicht auf Weiterbestand der Galerieräumlichkeiten verkauft. Fischer entschied sich, bald nach Wien zurückzukehren. Er hatte sich bereits für mehrere Wiener Posten von London aus beworben, etwa als Direktor des Museums für Moderne Kunst im Palais Liechtenstein. Er habe sich allerdings „im Intrigenkarussell meiner ehemaligen Heimatstadt nicht durchsetzen“ können.[2]
Nach einigen Jahren des Pendelns zwischen London und Wien ließ sich Fischer Mitte der 1990er endgültig in Wien nieder, wo er bald zum Präsidenten des österreichischen PEN-Clubs bestellt wurde (1998–2001). Fischer engagierte sich auch für die Gedenkkultur: Auf seine Initiative hin wurde 2008 am Wiener Uni-Campus ein Denkmal für die 1938–1945 vertriebenen oder ermordeten Mitglieder des Kunsthistorischen Instituts errichtet.
Werke
- Wohnungen. München: Hanser, 1969 (Neuausgabe: Wien: Löcker 2023)
- Möblierte Zimmer. München: Hanser 1972 (Neuausgabe: Wien Löcker 2023)
- Die Zuckerzwerge aus dem Zwergenzuckerland. Freiburg im Breisgau: Herder 1975
- Gustav Klimt und Emilie Flöge. Wien: Brandstätter 1987
- Die Mauer. Berlin: Ernst & Sohn 1990
- Egon Schiele. Köln: Taschen 1994
- Aus meinen Schreibstuben in London, Wien und am Grundlsee 1951 bis 2018. Hg. von Evelyn Adunka und Helmuth A. Niederle. Wien: Löcker 2018
- Tausendjährige Dinge oder in der Ostmark (1940–1945). Wien: Löcker 2022
- Die Rückseite der Bilder. Aufgezeichnet von Peter Stephan Jungk. Salzburg/Wien: Müry Salzmann 2022
Literatur
- Jörg Garms (Hg.): Festschrift für Wolfgang Georg Fischer zum 85. Geburtstag. Wien: Eigenverlag 2018
Wolfgang Georg Fischer im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.