Universitätskirche
48° 12' 32.88" N, 16° 22' 39.64" E zur Karte im Wien Kulturgut
Universitätskirche (Neue Jesuitenkirche; 1., Dr.-Ignaz-Seipel-Platz; heilige Ignatius von Loyola und Franz Xaver).
Vorgeschichte
Als in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts der Karmelitenkonvent Am Hof infolge der Reformation allmählich ausstarb (Jesuitenkirche), übergab König Ferdinand I. das Klostergebäude samt der Kirche 1554 provisorisch (Einzug der Ordensangehörigen am 27. Mai) und 1568 endgültig den (von ihm nach Wien berufenen) Jesuiten, die an der Kirche zunächst kaum Veränderungen vornahmen; bloß am Hochaltar wurden Darstellungen auf der Werktagsseite, die an den Karmelitenorden erinnerten, mit Szenen aus dem Leben Christi übermalt und das Kirchenpatrozinium änderte man auf „Zu den neun Chören der Engel".
Baugeschichte und Nutzung
Unter Ferdinand II. übersiedelten die Jesuiten in die Gegend der (alten) Universität, wo sie an der Stelle einer Kapelle des heiligen Benedikt und der Lammburse 1623-1627 von einem unbekannten Architekten eine Kirche erbauen ließen, die zu Ehren Mariens und der Heiligen Ignatius und Franz Xaver geweiht wurde; sie erhielt ihre heutige Gestalt durch den Jesuiten Andrea Pozzo (1703-1707), der die Fassade änderte, die Türme errichtete sowie Fresken und Altarbilder schuf. Durch die Demolierung von fünf anlässlich des Kirchenbaus angekauften Häusern wurden das Areal des Platzes vor der Kirche und des Verbindungsgässchens vom Platz in die Schönlaterngasse (Jesuitengässchen) gewonnen. Zum Unterschied von der Kirche Am Hof, die, solange die Jesuiten dort den Gottesdienst besorgten, „bei den oberen Jesuiten" hieß, erhielt die neue Kirche die Bezeichnung „bei den unteren Jesuiten". Nach Aufhebung des Jesuitenordens (1773) fiel die Kirche an den Staat, wurde zunächst als Garnisonskirche verwendet und 1783 Sitz einer neugeschaffenen Stadtpfarre (die bis 1908 bestand und von Weltpriestern betreut wurde); in der Kirche wurde auch der Gottesdienst für die Universität abgehalten. Seit 1857 befindet sie sich wieder im Besitz der Jesuiten.
Äußeres
Streng gegliederte zweigeschossige Fassade mit frühbarocker Gliederung, bekrönt von schmalem Mittelgiebel und seitlichen Voluten; hochbarocke Türme (von Pozzo) mit mächtigen Turmhelmen. Fassadenskulpturen (von links nach rechts): oben heilige Katharina, heiliger Josef, heiliger Leopold, heilige Barbara (drittes Viertel 17. Jahrhundert), unten heiliger Ignatius, heiliger Franz Xaver (Anfang 18. Jahrhundert). Die Hauptfassade wurde 1965 restauriert. Die Seitenfassaden werden durch das Jesuitenkollegium (rechts beziehungsweise das Pedellhaus (links) verdeckt.
Inneres
Der ursprüngliche Längsraum wurde in einen Anfang des 18. Jahrhunderts bevorzugten Zentralraum umgestaltet, der sich (trotz erkennbarer frühbarocker Gestalt) in hochbarocken Formen präsentiert. Deckenfresken (von Pozzo; 1827 [durch Peter Krafft ] und 1899 überarbeitet): Anbetung der Hirten, Engelsturz, Scheinkuppel, lobpreisende Engel, Ruhe auf der Flucht, Dreifaltigkeit.
Hochaltar
Der Hochaltar bildet einen markanten Raumabschluss (Altarbild „Maria Himmelfahrt" von Pozzo, links unten Selbstporträt als Apostel Andreas).
Seitenaltäre
- Erstes Kapellenpaar: Lebensweihe (Altarbild „Christus weist den heiligen Ignatius nach Rom", davor Herz-Jesu-Bild von Kupelwieser) beziehungsweise Todesweihe (Altarbild „Heiliger Josef im Leben und Sterben", davor Madonnenbild aus Peru).
- Zweites Kapellenpaar: Schutz der Erzengel (Altarbild „Erzengel Raphael", seitlich „Erzengel Gabriel") beziehungsweise Schutzpatron heilger Leopold (seitlich Bau von Klosterneuburg [Schleierwunder]).
- Drittes Kapellenpaar: heilige Ordensfamilie (Altarbild „Aufnahme des Novizen Stanislaus Kostka in den Jesuitenorden") beziehungsweise heilige Familie (Altarbild „Heilige Anna mit Maria").
- Viertes Kapellenpaar: Philosophie (Katharinenaltar; die heilige Katharina ist Patronin der Philosophen) beziehungsweise Theologie (Kreuzaltar).
Im Mittelgang, in der Nähe der letzten Bänke, bezeichnet ein weißer Stein den Platz, von wo aus man das Kuppelgewölbe perspektivisch richtig sieht.
Kultgegenstände sind das Gnadenbild „Maria lactans" auf dem Josefaltar und eine (verschollene) Marienstatue.
Quellen
- WStLA, Pläne und Karten: Sammelbestand, P1 - Pläne und Karten, 238G.15
- Wien Museum Online Sammlung: hochauflösende Abbildungen zur Jesuitenkirche
Literatur
- Wolfgang J. Bandion: Steinerne Zeugen des Glaubens. Die Heiligen Stätten der Stadt Wien. Wien: Herold 1989, S. 63 ff.
- Felix Czeike: Wien. Innere Stadt. Kunst- und Kulturführer. Wien: Jugend und Volk, Ed. Wien, Dachs-Verlag 1993, S. 37 ff.
- Felix Czeike: Wien. Kunst und Kultur-Lexikon. Stadtführer und Handbuch. München: Süddeutscher Verlag 1976, S. 60 f.
- Gustav Gugitz: Österreichs Gnadenstätten in Kult und Brauch. Band 1: Wien. Wien: Hollinek 1955, S. 47
- Bruno Grimschitz: Die Universitätskirche zu Wien. 1956
- Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 3: Allgemeine und besondere Topographie von Wien. Wien: Jugend & Volk 1956, S. 212 ff.