Angelo Soliman
Soliman Angelo, * um 1721 Afrika, † 21. November 1796 Stadt 165 (1, Freyung 9, Tiefer Graben 1), Kammerdiener
Biographie
Angelo Soliman wurde um das Jahr 1721 vermutlich im Königreich Kanem-Bornu (heute in der Grenzregion zwischen Niger, Nigeria und Tschad) als Mmadi Make geboren. Nach der Vernichtung seines Stammes bei kriegerischen Auseinandersetzungen wurde er von den Siegern versklavt, nach Nordafrika verschleppt und schließlich an Europäer weiterverkauft. Um das Jahr 1729 kam er nach Messina, wo er im Haus einer reichen Dame europäische Erziehung genoss und vermutlich auf den Namen Angelo Sollima getauft wurde. 1734/1735 wurde er dem Fürsten Johann Georg Christian von Lobkowitz geschenkt, dem er als Kammerdiener auf dessen böhmischen Landsitz diente und als Soldat sogar das Leben rettete. Nach Lobkowitz' Tod gelangte Soliman 1753/1754 nach Wien an den Hof Fürst Wenzels von Liechtenstein, wo er zum Chef der Dienerschaft avancierte; aufgrund seiner heimlichen Ehe kurzzeitig in Ungnade gefallen, diente er später wieder unter dessen Nachfolger, Franz Joseph von Liechtenstein bis zu seiner Pensionierung 1783.
In diese Zeit fällt auch der soziale Aufstieg Angelo Solimans. 1764 gewann er beim Kartenspielen eine Summe von 20.000 Gulden, 1768 heiratete er heimlich die Witwe Magdalena Christiano, geborene Kellermann. Der Ehe entstammte die Tochter Josephine Soliman (1772-1801), die 1797 den Militäringenieur Ernst von Feuchtersleben heiratete und im Jahr darauf einem Sohn, dem späteren Bergbauingenieur und Reiseschriftsteller Eduard von Feuchtersleben, das Leben schenkte. Angelo Soliman war mit zahlreichen Persönlichkeiten der höheren Gesellschaft befreundet, darunter der Feldherr Franz Moritz Graf von Lacy, der ungarische Nationaldichter Ferenc Kazinczy und der Mineraloge und Aufklärer Ignaz von Born. Auch in der Gesellschaft Kaiser Josephs II. soll Soliman gern gesehener Gast gewesen sein.
1781 trat er der Freimaurerloge "Zur wahren Eintracht" bei, in der auch Wolfgang Amadeus Mozart verkehrte. Unter dem Meister Ignaz von Born, den Soliman in die Loge gebracht hatte, avancierte er sogar zum Vizezeremonienmeister der Loge.
Mit seinem Tod durch Schlaganfall am 21. November 1796 wurde Angelo Soliman auf das "Kuriose" seines Äußeren, die schwarze Haut, reduziert: Sein Körper wurde beschlagnahmt, ein Gipsabdruck seines Kopfes abgenommen (erst 1996 wurde dieser im Rollettmuseum Baden wieder aufgefunden) und die Eingeweide bestattet; Solimans Haut aber wurde – vermutlich gegen seinen Willen und vor allem gegen mehrmaligen, scharfen Protest seiner Tochter Josephine – ausgestopft und im Kaiserlichen Naturalienkabinett als halbnackter Wilder mit Federn und Muschelkette zur Schau gestellt. 1806 aus der Schausammlung entfernt, verbrannte das Präparat letztlich im Verlauf der Niederschlagung der Revolution 1848.
Zahlreiche Publikationen - von der ersten Biografie durch Karoline Pichler (1808) bis hin zur großen Sonderausstellung im Wien Museum (2011) – befassten sich mit seinem Leben. 2006 würdigte die österreichische Post Angelo Soliman im Rahmen der Freimaurer-Serie mit einer Briefmarke. 2018 drehte Markus Schleinzer das auf der Biografie Angelo Solimans basierende Historiendrama "Angelo".
Siehe auch:
Quellen
- Verlassenschaftsabhandlung von Angelo Soliman (WStLA, Hauptarchiv-Akten-Persönlichkeiten, A1: S44.1)
- Museum Online Sammlung: hochauflösende Abbildungen zu Angelo Soliman
Literatur
- Philipp Blom / Wolfgang Kos [Hg.]: Angelo Soliman. Ein Afrikaner in Wien. Wien: Brandstätter 2011 (Sonderausstellung des Wien Museums, 376)
- Richard Bamberger [Hg.]: Österreich-Lexikon in zwei Bänden. Wien: Verlags-Gemeinschaft Österreich-Lexikon 1995
- Wilhelm A. Bauer: Angelo Soliman, der hochfürstliche Mohr. Ein exotisches Kapitel Alt-Wien. Wien: Gerlach & Wiedling 1922
- Monika Firla: Angelo Soliman – Ein Wiener Afrikaner im 18. Jahrhundert. Baden: Rollett-Museum 2004 (Katalogblätter des Rollettmuseums Baden, 48)
- Walter Sauer: Jenseits von Soliman. Afrikanische Migration und Communitybuilding in Österreich - eine Geschichte. Mit einem Beitrag von Vanessa Spannbauer, Innsbruck-Wien: StudienVerlag 2022 (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte 63), S. 69-78.
- Hochgeschätzt und ausgestopft: Wer war Angelo Soliman? In: Der Standard, 07.11.2018