Anna Weitzmann
Anna Weitzmann, * 1. Juni 1867 Lemberg, † 26. September 1942 Wien, Fotografin, Unternehmerin.
Biografie
Anna Weitzmann, geborene Thurmann, wurde 1867 in eine jüdische Familie in Lemberg geboren. Am 3. Jänner 1893 heiratete die 26-Jährige im Wiener Stadttempel den Fotografen Salomon Weitzmann (1866–1922). Das Ehepaar erwarb gemeinsam ein zweistöckiges Mietshaus in der 17., Kalvarienberggasse 37, wo die Familie Weitzmann auch selbst wohnte und die insgesamt acht Kinder zur Welt kamen. Vier der Kinder wurden später ebenfalls Fotograf*innen: Leo, Berta, Friederike und Alfred.
Das von Salomon Weitzmann bereits vor seiner Hochzeit gegründete Photoatelier S. Weitzmann wurde 1909 ebenfalls in der 17., Kalvarienberggasse 37 angesiedelt. Nach dem Tod ihres Ehemanns 1922 führte Anna Weitzmann das Fotoatelier zunächst alleine weiter. 1926 stiegen ihre beiden Kinder Leo und Friederike mit je 25 Prozent in das als offene Handelsgesellschaft geführte Unternehmen ein. Leo Weitzmann schied 1935 als Gesellschafter aus. Er führte, wie auch sein Bruder Alfred, ein eigenes Fotogeschäft in der 15., Mariahilfer Straße 142. Seinen Anteil übernahm Anna Weitzmann und hielt ab diesem Zeitpunkt 75 Prozent des Unternehmens.
Mit der nationalsozialistischen Machtübernahme Österreichs 1938 waren Anna Weitzmann und ihre Familie als Jüd*innen von der antisemitischen Gesetzgebung betroffen sowie von der einsetzenden NS-Verfolgung bedroht. Das Mietshaus in der 17., Kalvarienberggasse 37, das Anna Weitzmann seit dem Tod ihres Ehemannes als Alleineigentümerin besaß, wurde noch im gleichen Jahr „arisiert“. Mit 12. November 1938 gehörte es dem zu diesem Zeitpunkt noch minderjährigen Oswald Kögler junior, der mit seiner Familie als Mieter im Haus wohnte. Anna Weitzmann konnte zunächst einen Teil ihrer bisherigen Wohnung behalten, musste 1941 jedoch zu ihrem Bruder Abraham und seiner Ehefrau Helene Thurmann in die 1., Wollzeile 15 ziehen. Nachdem die beiden im Sommer 1942 vermutlich Suizid begingen, kam Weitzmann in einem Altersheim der jüdischen Gemeinde in der 9., Seegasse 9 unter, wo sie kurz darauf verstarb.
Auch das Fotoatelier S. Weitzmann war von der nationalsozialistischen „Arisierung“ betroffen und wurde am 6. Dezember 1938 aus dem Handelsregister gelöscht. Es wurde von dem seit 1927 als Geschäftsführer im Unternehmen beschäftigten Johann Poppovic (Popović) und von dem Fotografen Gustav Nohynek übernommen und als „Photokeramische Anstalt Johann Poppovic und Gustav Nohynek“ fortgeführt. Im August 1941 verließ Poppovic (vermutlich wegen Unstimmigkeiten) das Atelier und Nohynek übernahm als Alleininhaber. Während Poppovic voraussichtlich eher an Hilfe für die ehemaligen Besitzerinnen gelegen war und Anna Weitzmann nach der Übernahme finanziell unterstützt haben soll, war Nohynek seit 1931 illegales NSDAP-Parteimitglied gewesen und als Mitglied der „Arisierungskommission“ bei der Entrechtung und Liquidierung jüdischer Fotografie-Betriebe eng eingebunden. Aufgrund der „Arisierung“ des Fotoateliers S. Weitzmann wurde Nohynek 1946 in einem Volksgerichtsprozess angeklagt und schuldig gesprochen. Poppovic hingegen wurde freigesprochen. Anna Weitzmanns Tochter und ehemalige Miteigentümerin Friederike Willer brachte 1948 einen Antrag auf Rückstellung der Räumlichkeiten des Fotoateliers ein, der nach einem langjährigen Rechtsstreit 1957 mit einem Vergleich endete. Das umfangreiche Fotoplatten-Archiv gilt bis heute als verschollen.
Seit 2015 erinnert im Park der Freiheit in Hernals die Bezirksgedenkstätte Hernals Verfolgung, Widerstand und Freiheitskampf an Menschen aus diesem Bezirk, die gegen Austrofaschismus und Nationalsozialismus gekämpft haben oder zu dieser Zeit verfolgt worden sind, darunter auch Anna Weitzmann.
Quellen
- ANNO: Realitätenverkehr in Wien. Hernals, Fl.-Z 319, an Salomon und Anna Weitzmann. In: Der Hausbesitzer/Hausherren Zeitung, 01.10.1895
- ANNO: Firmenprotokollierungen. S. Weitzmann … nunmehrige Alleininhaberin: Anna Weitzmann. In: Wiener Zeitung, 01.06.1923
- ANNO: Firmenprotokollierungen. S. Weitzmann … Eingetreten als öffentlicher Gesellschafter Leo Weitzmann. In: Wiener Zeitung, 27.11.1926
- Wienbibliothek Digital: J. Wolfgang Salzberg (Hg.): Häuser-Kataster der Bundeshauptstadt Wien. Wien: Perles Verlag 1928, S. 135
- ANNO: Firmenprotokollierungen. S. Weitzmann … ausgetreten der Gesellschafter Leo Weitzmann. Vertretungsbefugt nunmehr: Beide verbleibenden Gesellschafter Anna Weitzmann und Friederike Willer gemeinsam. In: Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe), 08.07.1935
Literatur
- Evelyn Adunka / Gabriele Anderl: Jüdisches Ottakring und Hernals. Wien: Mandelbaum Verlag 2020
- Lexikon der österreichischen Provenienzforschung: Fotoatelier Salomon Weitzmann [Stand: 03.01.2025]