Rückstellungsverfahren

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Akten der Rückstellungskommission im Depot des Wiener Stadt- und Landesarchivs
Daten zum Eintrag

Am 10. Mai 1945 beschloss die provisorische Staatsregierung Österreichs das Vermögenserfassungsgesetz zur Erfassung und Sicherung der durch die nationalsozialistische Machtübernahme entzogenen Vermögen. Zu diesem Zweck wurde am 15. September 1946 die Vermögens-Entziehungs-Anmeldeverordnung (VE-AV) zur Erfassung von erlassen. In weiterer Folge traten eine Reihe von Rückstellungsgesetzen in Kraft. Insgesamt verlief die Restitution entzogenen Vermögens unvollständig, weil für die Rückgabe entzogenen Vermögens in jenen Fällen, in denen das entzogene Vermögen mehrmals den Besitzer gewechselt hatte, für die Rückgabe erhebliche Hürden bestanden.

Vermögensentziehungsanmeldung

In der Stadt Wien erfasste die mit der Durchführung der Vermögenssicherung betraute Magistratsabteilung 62 auf Grundlage der Vermögensentziehungs-Anmeldungsverordnung vom 15. September 1946 (Bundesgesetzblatt 166/1946) arisierte und entzogene Vermögen in Wien. Ab 1949 bestand eine eigene Zentralstelle für Vermögenssicherungsangelegenheiten und Forderungen gegen Alliierte Besatzungsmächte (1., Rathausstraße 4, später 8., Friedrich-Schmidt-Platz 5). Ihre Geschäfte wurden im Juni 1950 wieder der Magistratsabteilung 62 übertragen. Die Anmeldungen erfolgten zwischen 1946 und 1952 über das zuständige Bezirksamt. Die gesammelten Anmeldungen sollten ein umfassendes Bild über die Vermögensentziehungen geben. Das Material war als Grundlage für die Rückstellungsgesetze gedacht, um das Ausmaß der zu erwarteten Forderungen überschaubar zu machen.[1]

Unterschieden wurde zwischen Pflichtanmeldung und freiwilliger Anmeldung. Anmeldepflicht bestand für den "derzeitigen Inhaber des Eigentums". Gemeldet haben sich jedoch nur jene, die 1946 noch im Besitz des entzogenen Vermögens waren und jene, mit denen Geschädigte Kontakt aufnahmen. Der geschädigte Eigentümer oder seine Erben konnten ebenfalls eine Anmeldung einbringen. Ein mühsames Antragsverfahren und unzureichende Informationen für im Ausland befindliche Opfer ermöglichten nur einer beschränkten Anzahl an Geschädigten, davon Gebrauch zu machen.

Rückstellungsgesetze

Es folgte 1946 bis 1957 eine Reihe von gesetzlichen Maßnahmen, die die Rückgabe und Rückstellung regeln sollten, mit dem Ziel der Wiederherstellung früherer Rechtszustände und der Beseitigung erlittenen materiellen Unrechts. Diese verschiedenen Gesetze werden unter der Bezeichnung Rückgabe- und Rückstellungsgesetze geführt. Die Zerlegung der Rückstellungsansprüche nach Gegenstand und Art der Entziehung sowie die sukzessive Vorgangsweise der Gesetzgebung und die Ausweitung der Opferkreise bedingten für die Geltendmachung der Ansprüche verschiedene Verfahren bei verschiedenen Behörden, die auch zeitlich differenzieren konnten.

Die Rückstellungspraxis wurde im jeweiligen Gesetz geregelt. Über die Rückstellungsanträge gegen die Republik Österreich (1. und 2. Rückstellungsgesetz) entschied die Finanzlandesdirektion Wien mittels Bescheid.[2] Berufungen dagegen waren beim Bundesministerium für Vermögenssicherung, in dritter Instanz beim Verwaltungsgerichtshof möglich.

Die privatrechtlichen Ansprüche nach dem 3. Rückstellungsgesetz (BGBl 54/1947) wie beispielsweise die Rückstellung von arisierten Häusern und anderem von Privatpersonen arisierten Vermögen regelte die ab Februar 1947 beim Landesgericht für Zivilrechtssachen eingerichtete Rückstellungskommission.[3] Diese befand sich 1947-1948 in Wien 5., Mittersteig 25, danach bis 1950 in 1., Riemergasse 7 und ab 1951/1952 im Justizpalast in 1., Museumstraße 12. Die Mitglieder wurden vom Oberlandesgerichtspräsidenten bestellt. Entschieden wurde in Senaten. Der Vorsitzende und sein Stellvertreter mussten Richter sein, die Beisitzer kamen aus dem Kreis der "fachmännischen Laienrichter", wobei einer durch die Amtsbescheinigung des Opferfürsorgegesetzes (StGB 90/1945) anerkanntes Opfer des Nationalsozialismus sein sollte. In zweiter Instanz entschied die Rückstellungsoberkommission beim Oberlandesgericht, in dritter Instanz die Oberste Rückstellungskommission beim Obersten Gerichtshof. Die allgemeine Frist für Rückstellungsverfahren endete im Dezember 1955 (BGBl. 252/1954), Ausnahmen galten bis Juli 1956 BGBl. 201/1955). Die Gesamtzahl der Verfahren am Ende der Verfahren im Dezember 1965 betrug für Wien 31.850. Davon ging nur ein geringer Anteil positiv für den Antragsteller aus, ein größerer Teil endete mit Vergleichen, viele Anträge wurden zurückgezogen.

Da die Verfahren nach dem 3. Rückstellungsgesetz in Wien für die Jahre 1947 bis 1955 und 1957 heute im Original nicht mehr vorhanden sind, muss bei Forschungen auf Ersatzüberlieferungen zurückgegriffen werden. Erkenntnisse betreffend Liegenschaften mit erfolgten Rückstellungen finden sich in den Grundbuchsurkunden der Bezirksgerichte, Kopie der Erkenntnisse der fehlenden Jahre liegen großteils in den Vermögensentziehungs-Anmeldeverordnungs-Akten der Magistratsabteilung 62.[4]

Quellen

Gesetzestexte

Literatur

  • Brigitte Rigele: Wiedergutmachung, Bestände zu den Rückstellungsverfahren im Wiener Stadt- und Landesarchiv. In: Studien zur Wiener Geschichte (=Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 56/2000) S. 127-143.
  • Clemens Jabloner/Brigitte Bailer-Galanda/Eva Blimlinger/Georg Graf/Robert Knight/Lorenz Mikoletzky/Bertrand Perz/Roman Sandgruber/Karl Stuhlpfarrer/Alice Teichova [Hg.]: Schlussbericht der Historikerkommission der Republik Österreich Vermögensentzug während der NS-Zeit sowie Rückstellungen und Entschädigungen seit 1945 in Österreich. Zusammenfassungen und Einschätzungen. Wien: Oldenbourg 2003 (Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission. Vermögensentzug während der NS-Zeit sowie Rückstellungen und Entschädigungen seit 1945 in Österreich, 1)

Referenzen

  1. Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 119, A41 - VEAV - Vermögensentziehungs-Anmeldungsverordnung
  2. http://www.ns-quellen.at/bestand_anzeigen_detail.php?bestand_id=17000704
  3. Wiener Stadt- und Landesarchiv, Landesgericht für Zivilrechtsachen, A29 - RK - Rückstellungskommission
  4. Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 119, A41 - VEAV - Vermögensentziehungs-Anmeldungsverordnung